Brot und Spiele

Von Florian Bogner
Der FC Bayern feierte gegen Wolfsburg den ersten Saisonsieg - war das schon die Wende?
© Getty

Ein einziger Transfer hat den FC Bayern aus der Systemkrise gerissen und die Stimmung binnen 48 Stunden von Endzeit auf Aufbruch gestellt. Doch trotz der Robben-Show gegen Wolfsburg bleiben defensive Schwächen eminent.

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Was sich zwischen der Niederlage in Mainz und dem Sieg gegen Wolfsburg rund um den Rekordmeister abgespielt hatte, rang sogar dem verletzten Kapitän einen Hauch Sarkasmus ab.

"Letzte Woche konnten wir noch nicht einmal gegen ein Kreisklasse-Team gewinnen, jetzt holen wir die Champions League", meinte Mark van Bommel augenzwinkernd und spielte damit auf die unglaubliche Amplitude zwischen offenem Fanprotest und Standing Ovations an.

Schuld daran war vor allem Arjen Robben gewesen, dessen Blitztransfer das Volk zunächst besänftigt und dann begeistert hatte, schoss der Niederländer die Gäste aus der VW-Stadt doch nahezu im Alleingang ab. Fast wie im alten Rom: Brot und Spiele - und das Volk hatte seinen Spaß.

4-3-3: "Denke, wir werden das weiter spielen"

Doch neben der bereits zu erahnenden Erkenntnis, dass Robben und sein Sidekick Franck Ribery recht passabel Fußball spielen können, förderte der Samstagabend vor allem zutage, dass der FC Bayern unter Louis van Gaal endlich so etwas wie ein Parade-System gefunden zu haben scheint: ein 4-3-3, das zu einem Holländer in etwa so gut passt wie Holzschuhe.

"Das 4-3-3 hat gut funktioniert, ich denke, wir werden das weiter spielen", sagte Holger Badstuber gegenüber SPOX. Dazu kommt die klare Aussage des Kapitäns: Mit Robben könne der FCB dieses System "in der besten Besetzung, die man dafür haben kann" praktizieren und damit der Konkurrenz zumindest jenseits der Mittellinie das Fürchten lehren. Defensiv hingegen war das Wirken der Bayern gegen Wolfsburg immer noch verbesserungswürdig.

Während sich Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nach dem 3:0 zu einem "es wird schwer, uns zu schlagen" hinreißen ließ, litt Franz Beckenbauer offensichtlich nicht unter der akuten Robben-Verblendung, sondern hatte auch rund ein halbes Dutzend brauchbarer Gäste-Chancen ausgemacht, bei denen die Bayern-Defensive deutlich ins Schwimmen geraten war.

Defensive: Beckenbauer besorgt

"Mir gibt zu bedenken, dass das Problem in der Abwehr nach wie vor besteht. Diese Schwächen machen mir Sorgen", sagte Beckenbauer.

Van Gaal fügte hinzu: "Nach einem Spiel dürfen wir nicht denken, dass wir schon dort sind, wo wir sein wollen."

Dass die Bayern gegen Wolfsburg zum Sieg kamen, lag zum einen an der besseren Grundordnung, die das 4-3-3 mit sich brachte. Zum anderen aber auch daran, dass Wolfsburg bis auf zehn Minuten einen miserablen Auftritt hinlegte.

In der Bayern-Viererkette reichte nämlich ein überragender Holger Badstuber aus, um die Unzulänglichkeiten seiner Kollegen zu übertünchen. Während Philipp Lahm immer noch spiegelverkehrt zu denken scheint, ist Daniel van Buyten als Abwehrchef oft zu hüftsteif und offenbarte deutliche Abstimmungsmängel mit der neuen alten Nummer eins Jörg Butt.

Klose und Toni die Verlierer

Überhaupt Butt: Dass der 35-Jährige einmal mehr den Vorzug vor Michael Rensing erhielt, machte deutlich, dass unter van Gaal kein Spieler einen Stammplatz sicher hat - nicht einmal der Torhüter.

Tendenzen lassen sich aber trotzdem sehr wohl ableiten. Zum Beispiel die, dass Miroslav Klose und Luca Toni die großen Verlierer des Robben-Transfers sein dürften, da im 4-3-3 derzeit Mario Gomez den einzigen Stürmer im Zentrum geben darf.

Ivica Olic und Thomas Müller sind als Backups für Ribery und Robben zu sehen und werden deren Plätze wohl auch noch weiter einnehmen, bis die beiden Ausnahmespieler im Vollbesitz ihrer Kräfte sind.

So wie einst Real Madrid...

Im Mittelfeld haben hingegen Bastian Schweinsteiger (halblinks) und Hamit Altintop (halbrechts) derzeit die Nase vor ihren Kollegen vorn, auf der Sechserposition konnte Anatolij Tymoschtschuk in Abwesenheit von van Bommel wie gegen Wolfsburg weiter Pluspunkte sammeln.

Bleibt das Sorgenkind Defensive, wo Lahm auf rechts verteidigen darf oder eben muss, weil der Kader keine weitere Alternative bietet. Von einer Verpflichtung Rafinhas sieht man beim FC Bayern ja ab. Und van Buyten wird sich strecken müssen, um weiter vor Breno und dem derzeit verletzten Martin Demichelis gesetzt zu sein.

Das Verhältnis der überragend ausgestellten Offensive zur spärlich besetzten Defensivabteilung ist ungewöhnlich. Keine andere europäische Spitzenmannschaft hat eine solche Unwucht in ihrem Kader. Real Madrid einmal, aber das ist einige Jahre her und der Versuch der Galaktischen scheiterte ziemlich spektakulär.

Geht noch ein Spieler?

Für van Gaal gilt es also, die Leistungswogen innerhalb der Mannschaft nach und nach zu glätten und aus einem Batzen unfertiger Rohmasse mit brillanten Einzelkönnern ein echtes Kollektiv zu formen.

Dazu muss er die positive Entwicklung des 4-3-3 weiter vorantreiben und Robben und Ribery den Fitnessstand zuzuführen, der sie zu Stammspielern macht. Von seiner latenten Abwanderungssucht scheint der Franzose jedenfalls geheilt. "Es ist doch schön hier, sehen Sie das nicht?", fragte er die Journalisten nach dem Spiel. "Ich weiß nicht, warum man immer glaubt, dass ich wechseln werde."

Ribery wird es also nicht sein, der den FC Bayern in den letzten Stunden bis zur Schließung der Transferliste Montagnacht um 24 Uhr noch verlässt. Dennoch bemisst der Bayern-Kader derzeit 26 Spieler.

Louis van Gaal hatte zu Beginn seiner Tätigkeit des Öfteren betont, dass er immer mit 25 Spielern arbeitet. Man muss kein Prophet sein, dass durch den Robben-Transfer gerade in der Offensive ein Überangebot herrscht. Ein paar Stunden sind ja noch Zeit...

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