Keine Zeit für die Apokalypse

Von Stefan Rommel
Die Denker: Christian Nerlinger, Andris Jonker, Louis van Gaal und Hermann Gerland (v.l.)
© Getty

Die Bayern sind scheinbar auf dem Weg in die Krise. Dabei läuft hinter der Fassade der nackten Zahlen schon viel genau so, wie es sich Trainer Louis van Gaal vorstellt. Ein Kommentar von Stefan Rommel.

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Seine Bosse wollten nicht reden. Also redete Louis van Gaal. In sehr gebrochenem Deutsch, das für die Ohren schwer verdaulich war und unfreiwillig zur schlimmen Gesamtleistung seiner Mannschaft in Mainz passte.

In einen Wust nicht näher zu identifizierender Satzfetzen hinein formulierte der Niederländer immerhin diese kurze Zustandsbeschreibung: "Das war ein Fehlstart."

Der ist es in der Tat. Sogleich wurde in den Archiven gestöbert und eine schauerliche Zahl hervorgekramt: Der schlechteste Bayern-Start seit 43 Jahren. Die kommende Woche wird eine schwere werden für die Bayern-Familie und ganz sicherlich wird die 43 zur bestimmenden Zahl werden.

Nach drei Spieltagen hat van Gaal es tatsächlich geschafft, alle Klinsmann-Klischees noch mal aufzugreifen und die erzielte Punktausbeute nochmals zu unterbieten. Es sind die harten Fakten, die eindeutig gegen ihn sprechen. Aber dahinter verbirgt sich doch ein bisschen nehr.

Sicherlich hat er sich in Mainz in der Spielausrichtung mit dem defensiven 4-2-3-1 und in der Personalauswahl (zwei Wechsel nach 45 Minuten) vergriffen. Aber van Gaal wird daraus seine Schlüsse ziehen.

Denn so beschämend der Auftritt gegen den Aufsteiger auch war, so absurd ist die einsetzende Beschwörung einer Apokalypse an der Säbener Straße. Van Gaal hat sich von Anfang an Zeit erbeten, um seiner neuen Mannschaft seine Idee vom Fußball beizubringen.

Das Mainz-Spiel war ein Ausreißer nach unten, wenngleich auch ein heftiger. Aber in den Spielen zuvor waren vielversprechende Ansätze deutlich erkennbar: Eine höhere Ball- und damit Spielkontrolle. Damit einhergehend viel weniger individuelle Fehler. Ruhe im Spiel. Ein deutlich aggressiveres Spiel gegen den Ball.

Das alles war unter seinem Vorgänger auch nach 20 Spieltagen nicht zu sehen. Dabei fehlen van Gaal für sein bevorzugtes 4-4-2-Spielsystem mit Mark van Bommel und Franck Ribery zwei ganz zentrale Figuren. Dazu kommt noch das Fehlen von Martin Demichelis und Luca Toni, das die Bayern-Bank derzeit sehr dünn erscheinen lässt.

So gehen die Bayern mit ihrem derzeitigen Leistungsvermögen nächste Woche im eigenen Stadion gegen Wolfsburg als Außenseiter ins Spiel. Eine neue Konstellation für den Rekordmeister. Vielleicht auch eine reizvolle.

Van Gaals zentrales Problem ist derzeit noch, aus der komfortablen Situation der Ballkontrolle und -zirkulation auf ein schnelles Offensivspiel umschalten zu können. Die Grundvoraussetzungen dafür sind da und blitzen in Bruchstücken auf.

Doch um die Mosaiksteine zum großen Gesamten zusammenzubauen, bedarf es eben Zeit. Und es werden Rückschläge bewusst einkalkuliert.

Bei seiner ersten Trainerstation Ajax Amsterdam benötigte van Gaal drei Jahre, um Meister zu werden. In seinem ersten Meisterjahr in Barcelona setzte es satte zehn Niederlagen. Und beim AZ Alkmaar setzte die Mannschaft erst in van Gaals vierter und letzter Saison dessen Vorstellungen konsequent um - Titelgewinn mit elf Punkten Vorsprung. Im Jahr zuvor landete AZ unter van Gaal nur auf Rang elf.

So lange Zeit wird er in München nicht bekommen. Auch sein Vorgänger hatte sich zwei Jahre Zeit erbeten. Dessen Ende ist bekannt.

Mainz - Bayern: Die Analyse