Alternative Liste - Spieltag 24: Herthinho lästert: "Ihr seid so schlecht!"

Von Oliver Kucharski
Wundert sich über das Niveau der Liga und fordert einen Soli-Zuschlag: Herthas Herthinho
© Imago

Seit diesem Spieltag ist es amtlich: Hertha BSC Berlin wird deutscher Meister. Der erboste Felix Magath geht daraufhin seinen wehrlosen Spielern an die Gurgel, Uli Hoeneß versinkt lieber im Selbstmitleid. Und das Ausland feixt.

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Die Bundesliga pfeift auf dem letzten Loch. Keine Klasse, kein Geld, keine Zukunft: Edin Dzeko kann nicht mal mehr seine Webseite bezahlen; Hannover muss im Schlamm waten, weil das Geld für den Rasen fehlt; und der KSC muss sich mit Kapllani und Freis herumärgern, weil Torres und Rooney nicht zu finanzieren sind. Die unbequemen Wahrheiten des 24. Spieltages: in der Alternativen Liste des 24. Spieltages.

1. Das Unangenehme vorweg: Hertha wird Meister. Ist so. Weiß auch jeder. Verdrängt nur jeder. Doch hässliche Wahrheiten verlieren ihre Wucht, wenn man sie sich immer wieder vor Augen führt. Alte Psycho-Regel. Daher: Hertha wird Meister. Indiz: die Sportschau. Die zeigen die Hertha nämlich neuerdings zum Schluss. Klar: Die wissen was! Wem das zu schwammig ist: Wenn man im Lexikon den Begriff "Motivation" nachschlägt, findet man ein Bild von Josip Simunic. Der hatte früher Mathe-LK und vor zwei Wochen ausgerechnet, dass acht Siege aus zwölf Spielen zum Titel reichen. Und die zählt er jetzt runter. Aktueller Stand: noch sechs von zehn. Und auch wenn das ein bisschen nach "I have a dream!", und "Yes, we can!" klingt: Wie das ist, wenn so ein handelsüblicher kroatischer Altherren-Recke bis in die Haarspitzen motiviert ist, kann man ja bei Berti Vogts mal nachfragen. Daher noch mal: Hertha wird Meister.

2. Eins mit Sternchen: Für die Bayern geht es seit diesem Wochenende also nur noch um Platz zwei. Doch auch der will erstmal geschafft werden. Man nehme also: eine Serie! Eindrucksvoll siegte der Underdog (8. der Rückrunden-Tabelle) beim haushohen Favoriten in Bochum (4. der Rückrunden-Tabelle), und das war nun schon der zweite Sieg am Stück. Sechs Punkte aus zwei Spielen also, das ist eine Ausbeute von 100 Prozent, das Optimum, das Nonplusultra, die Eins mit Sternchen. Eine beeindruckende Serie, ein richtiger Run, ein astreiner Lauf. Der nicht mehr zu stoppen ist. Die Vize-Meisterschaft ist gesichert.

3. Der noch geilere Hintern: Wobei so ein Titel für die Hertha nicht unproblematisch ist. Fürs Image. Im Ausland. Da wunderte sich ja kürzlich so ein englischer Blogger über die vielen Tore des Andrej Woronin, und bei aller Liebe konnte er sich keinen anderen Reim darauf machen, als diesen: Die Bundesliga ist einfach zu schlecht! Wobei der englische Blogger speziell der ukrainischen Fummeltrine da Unrecht tut: Der ist normal zwar nicht so gut, hat sich aber von Vedad Ibisevic dessen Lauf aus der Hinrunde ausgeborgt, der bei Ibisevic ja derzeit eh nur im Schrank verstauben würde. Gegen Leverkusen spielte Woronin also mit verbundenen Augen - und traf mit seiner "geilen Brust". Für nächstes Wochenende hat der Angreifer angekündigt, mit aneinander geknoteten Schnürsenkeln zu spielen. Die Tore wolle er mit seinem "noch geileren Hintern" machen.

4. Das namenlose Böse: Psychotricks, die Wirkung zeigen. Zum Beispiel bei Felix Magath. Auch der hatte ja Mathe-LK und hat mal eben fix abgeleitet: Hertha Meister, Bayern Vize - da bleibt für Wolfsburg nur Platz drei. Auf der Pressekonferenz brach denn auch der ganze Frust aus ihm heraus. Wie das namenlose Böse saß der Coach auf seinem Stuhl, blickte sinister drein, und seine Stimme ließ das Blut gefrieren: "Ich ... glaube nicht ... dass das reicht ... um bis zum Ende ... oben zu bleiben." Und als Magath so zürnte, lief den kreidebleichen Pressevertretern der kalte Schweiß über den Rücken, und draußen, wo seine Versager von Spielern gerade zum Straftraining am Mittelkreis verdonnert worden waren, verdunkelte sich schlagartig die Sonne. Wolfsburg ist raus aus dem Titelrennen. Und die Spieler müssen bluten.

5. Besser als Wetten Dass..?: Ulrich Hoeneß, ein begeisterter Blog-Leser, nahm das Thema natürlich freudig auf: "Hab ich schon immer gesagt: Die Bundesliga ist zu schlecht!" Doch Hoeneß wäre nicht Hoeneß, wenn er nicht sofort Lösungen parat hätte: Soli-Zuschlag für die Bundesliga! Weil Fußball ist ja das Geilste, was Deutschland zu bieten hat. Neben "Wetten Dass..?" natürlich, und da kann auch das Prekariat ruhig mal zwei Euro extra für abdrücken, dann klappt das nächste Saison auch mit dem Champions-League-Titel für die Hertha, und das freut ja auch den krisengeschüttelten Ottonormalverbraucher zuhause vor dem Flach-Bildschirm. Unsere Stimme hat er, der Ulrich.

6. Luxusgut Web-Hosting: Dass der Bundesliga das Geld an allen Ecken und Enden fehlt, beweist auch ein Blick auf die offizielle Homepage von Edin Dzeko. Die ist nämlich nicht erreichbar. Stattdessen steht dort: "This web site is closed! Edin Dzeko ist not pay a web hosting! Contact: ahmed.villa(at)willsoft.ba". Und das ist nun wirklich eine untragbare Unverfrorenheit! Die günstigsten Angebote für Web-Hosting gehen schließlich bei 1,99 Euro pro Monat los. Wenn nicht mal DAFÜR das Geld da ist, dann aber wirklich gute Nacht, Bundesliga. Hoffentlich hat das im Ausland noch niemand gesehen.

7. Reduktion auf das Wesentliche: Sollte das also klappen mit dem Soli-Zuschlag, muss der Fußball der Gesellschaft aber unbedingt auch etwas zurückgeben. Es wäre zum Beispiel schön, wenn die übrigen Gesetze des gepflegten Miteinanders auch für den Fußball gelten würden. Das Arztgeheimnis zum Beispiel. Denn dass Hoffenheims Bobbycar Sanogo an einem Abszess im Enddarm-Bereich leidet und daher für das arrogante Gekicke des Schnösel-Aufsteigers in Frankfurt fraglich war, will SO GENAU doch eigentlich auch niemand wissen. "Bobbycar verletzt. Für Frankfurt fraglich", hätte aus unserer Sicht vollkommen gereicht.

8. Champions League, vom Kopf her: In der Blogosphäre verrissen wurde auch der Rasen in Hannover. Dabei war das Absicht. Den Rumpelacker ausbessern? Wollten die ja gar nicht in Hannover! Denn auch Dieter Hecking kann ja Mathe: 23 von 24 Punkten hat Hannover bis dato zuhause geholt. Und das muss ja Gründe haben. Also verfügte der Coach: "Der Acker bleibt. Wir sind das gewohnt. Der Gegner nicht. Vorteil für uns." Und dann schockte man den BVB auch noch mit den eigenen Waffen: Erst schlotterte man unter der Woche ganz viel und ganz öffentlich vor den Dortmunder Standards - und wichste dem BVB dann seinerseits drei ebensolche rein. Vom Kopf her wirklich unfassbar Champions League, diese Hannoveraner.

9. Das deutsche Liverpool: Womöglich hat der englische Blogger aber auch einfach nur das falsche Spiel gesehen. KSC vs. Biele zum Beispiel. Das hatte KSC-Trainer Ede Becker ja als "Spiel der Spiele angekündigt", und womöglich hat der englische Blogger da gedacht: "Oha! Das ist dann also das deutsche United vs. Liverpool, das schau ich mir mal an." In diesem Falle wäre dem englischen Blogger uneingeschränkt Recht zu geben. Denn das war ja wirklich schlecht. Mies. Unterirdisch. Lächerlich. Das Allerletzte. Unterste Schublade. Das konnte man wirklich niemandem anbieten. Drum wäre der Soli-Zuschlag die ideale Lösung. Karlsruhe könnte zum Beispiel Torres und Rooney holen und müsste sich nicht mehr mit seinen so called Stürmern Kapllani und Freis herumärgern. Oder der KSC steigt wahlweise einfach ab. Das ginge natürlich auch.

10. Kurvendiskussion: Vom Kopf her mindestens auf einem Level mit Hannover ist bekanntlich auch Jens Lehmann. Und gegen Werder trumpfte der sympathische Keeper mal wieder so sagenhaft auf, dass es eine wahre Pracht war. Mit bewährten Psycho-Mätzchen und korinthenkackerischer Übergenauigkeit wollte Lehmann also Diego vor dessen Freistoß verwirren, doch der - schon immer gut in Mathe - berechnete die Flugbahn geschwind neu und bügelte Lehmann das Ding exakt unter die Latte. "F*** nie F***er, Bürschchen", hatte Lehmann daraufhin gegrummelt, und das dem miesen Brasilianer in der Halbzeit auch verbal gesagt. Muss man verstehen.

11. R.I.P., Hennes: Ebenfalls nicht Meister (siehe Punkt 1 und 2) wird übrigens der 1. FC Köln. Und normal säße der Schock darüber sicher sehr, sehr tief in Köln, nicht jedoch an diesem Wochenende, denn das war komplett verbraucht aus Kölner Sicht. Erst verkündet Ümit Özat sein Karriereende (Alles Gute für die Zukunft!), dann leitete die BILD einen Artikel darüber mit dem Satz ein: "Dieser Abschied geht ans Herz!" - und dann musste auch noch Maskottchen Hennes VII. in Widdersdorf (sic) eingeschläfert werden. Kurios: Auch Vorgänger Hennes VI. war an einem 13. März verstorben. Ein Zeichen? Jedenfalls zeigt sich auch hier, wie sehr die Hertha der Konkurrenz mittlerweise voraus ist: Deren Maskottchen Herthinho ist nämlich gar nicht echt. Sondern ein synthetisches Kunstprodukt. Beliebig reproduzierbar. Unsterblich. Und ohne Seele. Die Hertha: auch abseits des Platzes ein wahres Monster der Effizienz. Drum sei das sicherheitshalber ein weiteres Mal festgehalten: Hertha BSC Berlin wird Deutscher Meister.

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