"Kein Scheich mit Geldkoffer"

Von Interview: Stefan Moser
HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer erwirtschaftete einen Transferüberschuss von 42 Mio. Euro
© Imago

18 Millionen Euro kassierte der Hamburger SV durch den Transfer von Nigel de Jong zu Manchester City. Eine stattliche Rendite: Für schmale 1,5 Millionen nämlich kam der Niederländer 2006 von Ajax Amsterdam an die Elbe.

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Nicht der erste gewinnbringende Deal, den Sportchef Dietmar Beiersdorfer für die Hamburger einfädelte. Mit den Transfers von Khalid Boulahrouz, Daniel van Buyten, Rafael van der Vaart und nun Nigel de Jong erwirtschaftete der 45-Jährige insgesamt fast 42 Millionen Euro. Der Hamburger Boulevard taufte ihn prompt "Dukaten-Didi".

Vor dem Gipfeltreffen mit den Bayern zum Start in die Rückrunde (20.15 Uhr im LIVE-TICKER & bei Premiere), sprach SPOX mit Beiersdorfer über seine Personalpolitik, die Verhandlungen mit Manchester City, ein weinendes Auge - und die Begegnung mit "Romantikern".

SPOX: Herr Beiersdorfer, 18 Millionen Euro für Nigel de Jong - der im Sommer für festgeschriebene zwei Millionen hätte wechseln können. Wie haben Sie das hingekriegt?

Dietmar Beiersdorfer: Sonderlich loben möchte ich mich dafür nicht. Manchester City hat zunächst ein Angebot abgegeben, zu dem wir dem Transfer nicht zugestimmt hätten.Danach haben sie noch ordentlich was draufgepackt und dann mussten wir es machen. Es gab schon Fälle, in denen mehr Verhandlungsgeschick nötig war.

SPOX: Weil die Scheichs sowieso jeden Preis zahlen?

Beiersdorfer: Nein, die Verhandlungen liefen auch nicht anders ab als in der Bundesliga. Es ging nur um andere Beträge.

SPOX: Wenn man den Mythen und Klischees rund um ManCity derzeit Glauben schenkt, würde man Stretch-Limos und dunkle Sonnenbrillen erwarten...

Beiersdorfer: Nein, es kam auch kein Scheich mit einem Geldkoffer zu uns auf die Geschäftsstelle gelaufen. Wir haben ganz normale Gespräche am Telefon geführt und Dokumente hin und her gefaxt.

SPOX: Trotzdem hat der Transfer für Aufsehen gesorgt. Karl-Heinz Rummenigge etwa fand die Summe: "Wahnsinn."

Beiersdorfer: Ich kann seine Position nachvollziehen. Wir waren allerdings nicht in der Lage, ein Angebot dieser Größenordnung auszuschlagen.

SPOX: Sie hätten ja auch "Nein" sagen können. Sportlich immerhin hinterlässt der Abgang eine große Lücke im Kader, der so nicht kontinuierlich wachsen kann...

Beiersdorfer: Wir sind noch nicht so weit, dass wir hochdotierte Angebote für unsere Spieler einfach ignorieren können.

Für uns ist es wichtig, dass wir dennoch immer wieder Schritte nach vorn machen.

Das ist uns in den letzten Jahren ganz gut gelungen. Bei uns gilt das Prinzip, aus einem Spieler möglichst zwei oder drei zu machen. Mit dem Geld aus dem de Jong-Transfer haben wir wieder die Möglichkeit dazu.

SPOX: Ein Prinzip, für das man aber auch ein gutes Händchen braucht. Der Hamburger Boulevard nennt Sie für die gewinnbringenden Transfers schon "Dukaten-Didi".

Beiersdorfer: Es gehört immer auch ein bisschen Glück und das richtige Timing dazu. Wir beobachten den Markt sehr genau. Es ist ja nicht so, dass ich Eingebungen von oben bekomme.

SPOX: Da werden Ihre Kollegen aber aufatmen...

Beiersdorfer: Unsere Scouts gucken jedes Jahr an die 1500 Spiele und geben alle gesammelten Informationen in unsere Datenbank ein. Ab und an kommt dann jemand heraus, der noch nicht als großer Star gilt, der sich bei uns aber in diese Richtung entwickeln kann.

SPOX: Wirtschaftlich geht diese Strategie bisher auf, Teile der Fans aber fürchten, der Fußball werde zum kalten Geschäft mit nackten Zahlen, Tradition und Identifikation gingen immer mehr verloren. Wie begegnen Sie diesen "Romantikern"?

Beiersdorfer: Auch mich macht es traurig, wenn wir einen guten Spieler verlieren. Nigel de Jong beispielsweise war ein wichtiger Teil unserer Mannschaft, der sich in Hamburg zu einer richtigen Persönlichkeit entwickelt hat. So einen lässt man nie gern ziehen. Aber bei so einem Angebot wird man auch als Romantiker kaum nein sagen können.

SPOX: Zumal HSV-Boss Bernd Hoffmann zuletzt seine Vision bekräftigte, den Verein unter die Top-20 in Europa führen zu wollen...

Beiersdorfer: Bernd Hoffmann hat dieses Ziel vor vier Jahren ausgegeben. Damals standen wir meines Wissens nicht mal unter den Top 100 in Europa. Mittlerweile haben wir uns schon auf Platz 31 vorgearbeitet. Das zeigt doch, wie wichtig es ist, sich auch mittel- und langfristige Ziele zu setzen. Und wir sind auf bestem Wege, dieses Ziel mit unserer Personalpolitik auch zu erreichen.

Vorschau: Hamburg ohne Angst gegen die Bayern