"Sie haben das Potenzial für die Top Drei"

SID
Jürgen Klinsmann ist seit dem Sommer Trainer des FC Bayern München
© Getty

Jürgen Klinsmann steht vor seinem wohl wichtigsten Heimspiel seiner Amtszeit. Am Freitag trifft der FC Bayern München in der Allianz Arena auf 1899 Hoffenheim. Es geht um die Tabellenführung, um die Herbstmeisterschaft - aber auch um den Kampf zweier Systeme.

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In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gibt sich der Bayern-Trainer allerdings entspannt und sogar begeistert vom Projekt Hoffenheim. Dazu äußert er sich über den Umgang der Jungprofis mit den Medien, die Auswirkungen der Finanzkrise und den Plan, Uli Hoeneß an die Vereinsspitze zu setzen.

Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann über...

...die TSG Hoffenheim: "Ich habe höchste Wertschätzung für Hoffenheim, weil sie dort sehr zielstrebig, durchdacht und mit sehr guten Leuten aufgebaut haben. (...) Die Mannschaft hat absolut das Potenzial, auch mittelfristig in der Tabelle unter den ersten Drei, Vier zu bleiben. (...) Hoffenheim kann langfristig eine Rolle einnehmen, wie es Bayer Leverkusen über Jahre hinweg geschafft hat. Leverkusen wird von der Bayer AG mitgetragen, Hoffenheim von Dietmar Hopp. Da ist nichts Negatives dabei. Er hat früher für den Klub gespielt, ist ein Fußball-Mensch durch und durch und hilft dem Verein auf die Beine."

...die 'Reform-Willigkeit' seiner Spieler: "Natürlich waren am Anfang viele Fragezeichen da; es gab das neue Leistungszentrum und neue Technologien, die wir einsetzen. Es ist viel auf die Spieler zugekommen, aber sie haben mit der Zeit gemerkt, dass alle Maßnahmen nur für sie sind. Alle merken jetzt, dass die Arbeit sich auszahlt. Ich kann aus dem Vollen schöpfen, ob ich einen Breno, einen van Buyten, Lell oder Borowski einwechsle - es kommt Qualität. Wir sind auf Tuchfühlung zur Spitze. Wir haben in der Champions League gesehen, dass wir uns vor niemandem verstecken müssen."

...die vermeintliche Abhängigkeit von Franck Ribery: "(...)Franck weiß, dass er eine intakte, harmonisch geführte Mannschaft braucht, um diese Leistungen abzurufen. Er braucht einen Philipp Lahm, der für ihn unglaubliche Arbeit leistet. Er braucht einen Zé Roberto, mit dem er auch geistig gewisse Automatismen entwickelt. Und er braucht Stürmer, die die Aktionen abschließen. Er braucht die Mannschaft, und diese weiß, wie sie ihn zu den Höchstleistungen treiben kann. Indem sie ihm ein Umfeld gibt, wo er sich wohlfühlen kann, Scherze machen kann. Die Mannschaft weiß aber, dass sie auch gewinnen kann, wenn er ausfällt."

...die Schwierigkeiten junger Spieler in der heutigen Medienlandschaft: "Für den Spieler ist es heute schwieriger, sich permanent auf den Beruf Fußball-Profi zu fokussieren. Die mediale Präsenz ist permanent gegeben. Der Freundeskreis wird auch durch viele Schulterklopfer groß, es gibt Berater, die mit ihm Geld verdienen wollen. Das Umfeld ist ein sehr heikles Thema, weil ein 20- oder 22-Jähriger dafür nicht ausgebildet wurde. Da müssen die Klubs - und vielleicht auch der DFB - neue Wege gehen. Wenn ein Thema medial hochgeht und ein Spieler auf allen Titelseiten der Zeitungen steht, geht es den Medien nicht darum, dem Spieler etwas Nettes zu tun, sondern nur dieses Thema zu verkaufen."

...das Medien-Problem Podolski: "(...)Was daraus gemacht wird, wie die Schlagzeilen verkauft werden, dafür kann er nichts, da ist er nur Mittel zum Zweck. Ich will, dass er sich durchboxt. Wenn eines Tages bei der Nationalmannschaft vier, fünf Stürmer um die zwei Plätze im Angriff kämpfen, wird es eine ähnliche Situation."

...etwaige Zweifel, sich mit dem Job bei Bayern keinen Gefallen getan zu haben: "Nein, niemals. Weil der holprige Beginn nachvollziehbar war. Die EM-Nachwirkungen, die Ribéry-Verletzung, unsere Neuerungen. Ich wusste, dass es Momente gibt, wo ich ein paar mitbekomme, aber da muss man durch. Hier drin war alles ruhig, auch wenn draußen der Wind blies. Jetzt zahlt sich die Arbeit aus, und die Mannschaft orientiert sich international. Die Champions League ist im Fußball der Maßstab. Irgendwann im Finale zu stehen, ist unser großes Ziel. Aber da muss alles passen."

...die Gefahr der Finanzkrise für die Bundesliga: "Die Finanzkrise wird den Fußball die nächsten Monate richtig treffen. Die ersten Anzeichen gibt es in England, wo es große Fragezeichen um Eigentümer und Investoren gibt. Wenn in Italien bei 'Fiat' tausende Arbeitsstellen bedroht sind, wird es irgendwann auch Juventus Turin treffen. (...) Es wird immer Ausnahmen geben, wie gerade Manchester City, wo das Geld aus ganz anderen Ölquellen kommt. Es wird eine Neudefinierung des Marktes geben, auch was Transfers und Gehälter betrifft."

...sinkende Gehälter im Fußball als Konsequenz der Krise: "(...)Der Verein wird sich sehr wohl Gedanken machen, wie er Gehälter einstuft. Es wird immer Ausnahmen geben, wie bei einem Zlatan Ibrahimovic von Inter Mailand oder einem Kaka beim AC Mailand. Aber es wird bei den Klubs mehr und mehr die Denke kommen - so weit und nicht weiter. (...) Es gibt einen globalen Markt, und das Preis-Leistungs-System ist ein globales Thema. Wenn wir sagen, wir wollen das drosseln, aber Real Madrid bietet das Drei- oder Vierfache für einen Spieler, dann verlieren wir den internationalen Wettbewerb. Was einige in der freien Wirtschaft getan haben, war unverantwortlich, angefangen bei den Amerikanern. Aber wir müssen auch aufpassen, dass unsere Spitzenkräfte nicht ins Ausland gehen, weil sie dort bessere Möglichkeiten bekommen. So ist das auch im Fußball. Wir wollen ja im Wettkampf stehen mit Manchester, Barcelona und Real Madrid."

...die Chancen der Finanzkrise für den 'soliden' FC Bayern: "Der FC Bayern ist gesund und hat ein solides Fundament. Es gibt keinen Gewinner, aber es wird eine neue Konstellation geben. Spieler, deren Verpflichtung jetzt im Januar undenkbar wäre, weil sie 20 oder 30 Millionen Euro kosten würden, sind vielleicht auf einmal im Juni zu viel niedrigeren Summen zu haben."

...eine zweite Amtszeit als Bundestrainer: "Ich denke nicht so in die Ferne. Ich arbeite mit viel Freude und Stolz beim FC Bayern und möchte hier wirklich lange bleiben. Es war für uns nach zehn Jahren USA eine große Entscheidung, nach Deutschland zurückzukommen. Diese war nicht kurzfristig angelegt. Ich habe als Bundestrainer gespürt, dass es der Trainer-Beruf ist, den ich ausüben möchte. Das erfüllt mich - auch wenn der des Spielers noch einen Tick schöner ist. Ich lebe auf in dieser Arbeit. Wenn ich mich zu etwas entschließe, bin ich hartnäckig."

...die Pläne, Uli Hoeneß im nächsten Jahr zum FCB-Präsidenten zu machen: "Uli weiß, dass es unser großer Wunsch ist, dass er ein paar Jährchen in der bisherigen Funktion weitermacht. Aber er allein trifft die Entscheidung. Er ist Gold wert mit all' seiner Erfahrung. Er hat den Verein zu dem gemacht, was er ist, einer der größten der Welt. Das ist der Uli Hoeneß. Es ist eine Freude für mich, neben Uli auf der Bank zu sitzen - obwohl wir nicht immer einer Meinung sind."