So wird man Meister

Von Haruka Gruber
Ribery, Bayern, München, Klose
© Imago

München - Genug ist genug. Der sonst so vornehme Kavalier wollte nicht mehr vornehm sein - und kritisierte seinen Nachfolger mit ungewohnt scharfer Zunge.

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Herbst 2006, die Bayern mit Trainer Felix Magath unterlagen zuvor 1:3 in Bremen, sagte Ottmar Hitzfeld: "Man sollte den Ersatzspielern mehr Vertrauen schenken. Und zwar in Form von Einsätzen." Magath würde zu sehr auf sein Stammpersonal setzen, dabei sei der Schlüssel das "Rotationsprinzip", so Hitzfeld weiter.

Das Rotationsprinzip. Hitzfelds Dogma. Hitzfelds liebstes Kind. Hitzfelds Fundament seiner Trainerphilosophie. So war es vor zehn Jahren, als er die Bayern übernahm, so ist es auch heute, bei seiner zweiten Amtszeit an der Isar.

Beim 1:0-Erfolg auf Schalke baute er im Vergleich zum Pokalderby gegen den TSV 1860 drei Tage zuvor in der Startelf auf sechs Positionen um. Ein Willy Sagnol war gegen Königsblau nur Reservist, Philipp Lahm oder Lukas Podolski standen nicht einmal im Kader. Miroslav Klose, der Torschütze des Tages, hatte die Partie gegen die Löwen wiederum von der Bank aus begonnen.

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Comeback des ansehnlichen Fußballs

"Wenn man über einen starken Kader mit 20 fast gleichwertigen Spielern verfügt, ist es normal, dass man rotiert, um Kräfte einzuteilen, damit man in einem Spitzenspiel kräftemäßig dagegenhalten kann", erklärte Hitzfeld.

Dabei wurde er, der "Erfinder der Rotation" (die "Welt"), Anfang November vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge noch angeraunzt ob der inflationären Wechselei. Hitzfeld lenkte damals ein, verlor an Glaubwürdigkeit - und gab kurz darauf seinen sommerlichen Abschied aus München bekannt.

Seither wirkt er befreit. Seither wagt er es wieder, seinem liebsten Kind zu vertrauen. Oder anders formuliert: Das Dogma des Duchwechselns feiert bei den Bayern sein Comeback. Und mit ihm der ansehnliche Fußball.

"Hut ab"

"Ich habe alles gesehen, was eine Klasse-Mannschaft ausmacht. Wir haben gut gespielt und unglaublich gekämpft nach dem schweren Spiel am Mittwoch. Die Mannschaft hat fast ohne Fehler gespielt. Hut ab", gratulierte FCB-Manager Uli Hoeneß.

Torwart Oliver Kahn sah seine Mannschaft "nahe am Optimum. Wir haben ähnlich gespielt wie in den letzten Auswärtsspielen: sehr diszipliniert, sehr zweikampfstark, unheimlich kompakt".

Hitzfeld wird belohnt für seine neugefundene Experimentierfreudigkeit. Gegen 1860 bot er nicht nur Toni Kroos oder Lukas Podolski auf, er rückte phasenweise sogar von seinem sonst proklamierten flachen 4-4-2-System ab, um ein 4-5-1 auszuprobieren.

Van Buyten überzeugend

Auf Schalke unterstrich er seine Lust am Ausprobieren und verschob etwa Martin Demichelis überraschend aus der Innenverteidigung ins defensive Mittelfeld, um den kopfballstarken Gelsenkirchenern bei den Standards den Zahn zu ziehen.

Ein geschickter Schachzug, ähnlich wie die Entscheidung, die vakante Stelle im Abwehrzentrum erneut mit Daniel van Buyten zu besetzen. Von seinem Unvermögen mal abgesehen, das leere Tor aus zwei, drei Metern per Kopfball zu treffen, wirkte der Belgier überaus souverän.

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Schalkes Trainer Mirko Slomka: "Wir hatten eine starke Abwehrreihe gegen uns, deswegen haben wir uns auch kaum Torchancen erspielt. Der FC Bayern hat defensiv sehr gut gestanden und war sehr aktiv und konsequent in den Zweikämpfen."

Fahrlässige Chancenauswertung

Der FCB ist mit sich und ihrem Trainer im Reinen. Wunderbare Bayern-Welt - wäre nicht eine gewisse Fahrlässigkeit, welche sich trotz aller Personalrochade und Konkurrenzkampf offenbar in den Köpfen der Spieler eingenistet hat.

Auf Schalke war Bayern haushoch überlegen, dennoch erzielte das Team trotz eines famosen Franck Ribery nur ein Tor. Es ging gut - aber wie oft noch? Und auch ein zweites Problem manifestiert sich immer mehr zur Gewissheit: Auswärts ist München eine Macht, in München findet München hingegen nur selten den Weg zur Leichtigkeit. "In der Allianz Arena, wenn die meisten Gegner mit elf Mann am Sechzehner steht, fällt uns zu wenig ein", erkannte Kahn.

Die Bayern sind nah dem Optimum. Die Betonung liegt auf nah.

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