Ganz wie es beliebt?

Drei Führungsformen: Thomas Tuchel, Diego Simeone und Carlo Ancelotti
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Der Faktor Situation

All das deutet auch schon in Richtung des Faktors Situation. Wie der Trainer seine Mannschaft führt, hängt letztlich auch daran, was gerade ansteht. "Da wird es ernst. Das ist harte Arbeit", sagt Gisdol über den Trainingsbetrieb. Zwischendrin darf beim Hamburger Trainer gerne gescherzt werden, um die Stimmung aufzulockern.

Als er sein Engagement in Hamburg begann, zog der Trainer sofort die Zügel an. Der HSV stand enorm schlecht da, durch ein hartes Durchgreifen sicherte Gisdol eine Umgebung, in der Leistung belohnt und Nicht-Leistung bestraft wurde. Das schafft gleichzeitig Distanz zwischen Trainer und Mannschaft, der eine neutrale Bewertung gewiss ist.

Krisenzeiten oder Hochzeiten erfordern eine Anpassung des Führungsstils. Das heißt nicht, dass in guten Phasen locker gelassen werden darf - um an dieser Stelle einen Leserbrief von Matthias Sammer zu verhindern - sondern dass sich die Führung erneut anpasst.

Anpassung von Kovac

"Ich erwarte absolute Hingabe, Leidenschaft und Disziplin. Der Druck auf die Spieler muss erhöht werden. Jeder spielt auch um seine Existenz", sagte Niko Kovac zu Amtsantritt bei einer vom Abstieg bedrohten Eintracht. Monate später steht er in der Spitzengruppe: "Alle träumen - ich nicht. Alle müssen vernünftig bleiben und nicht anfangen zu fliegen."

Galt es am Anfang noch, zu Höchstleistungen anzutreiben, geht es im Erfolg darum, diese zu erhalten und auszubauen. Lothar Linz, Mentalcoach der Hockeynationalmannschaft, erklärt in seinem Buch Erfolgreiches Teamcoaching ein Mittel, um Mannschaften vor vermeintlich einfachen Spielen auf den Boden zu holen.

Der eigenen Mannschaft sagen, dass sie ohnehin gewinnen wird und keine besondere Vorbereitung benötigt. Protestiert das Team, geht die Einstellung in die richtige Richtung. Nimmt die Mannschaft das einfach hin, ist der Trainer gefragt, diese Stimmung zu hinterfragen.

Der Faktor Umwelt

Bliebe ein allerletzter Faktor, der allgemein im Sport entscheidend ist. Umwelt sind in diesem Fall Fans, Vereinsführung, die Ansetzung oder der Wettbewerb. Simeone könnte bei der TSG 1899 Hoffenheim keine Arbeit machen, wie er sie bei Atletico Madrid macht.

Das liegt zum einen am Schnitt von 25.000 Zuschauern pro Heimspiel, zum anderen aber auch schlicht daran, dass Simeone eine Vereinslegende ist. Ähnlich wie Zinedine Zidane bringt ihm das von vorherein enormen Respekt und Anerkennung sowie eine größere Freiheit in seiner Gestaltung ein.

Simeone hat die Rojiblancos komplett umgekrempelt, das geht weit über die erste Mannschaft hinaus. Ähnlich ist es bei Torsten Frings in Darmstadt. Aus Tradtion anders, sagt man dort gerne. Beim FC Bayern könnte Frings im Abschlussspiel wohl nur schwerlich selbst mitkicken.

Das Tussi-Leibchen

Für die Lilien mag das aber genau richtig sein. Es ist eine Frage der Umgebung, in der sich der Trainer bewegt. Dirk Schuster überzeugte mit seinem rosa Tussi-Leibchen, das einem Spieler nach Leistung zugeteilt wurde. Andernorts hätte man wohl Sexismus gerufen (7. Kommentar).

Oftmals gibt der Verein einen Korridor vor, in dem sich Spieler und Trainer bewegen dürfen. Diesen gestaltet letztlich jedoch auch der Trainer selbst mit. Luis Enrique schuf beim FC Barcelona einen enorm strengen Strafenkatalog und scheut sich nicht, Spieler mehr oder weniger komplett aus dem Kader auszuschließen. Auch das spielt mit hinein in den Faktor Umwelt.

Hinzu kommen Rituale, Symbole und Umgangsformen, die sich in der Gegend oder im Klub etabliert haben. Nicht nur Profivereine bringen inzwischen ihre eigene Identität auf den Markt, diese muss auch der Trainer aufnehmen, um im Gesamtbild zu glänzen.

Führung ist...

Aus vier Faktoren ergibt sich somit eine schier unüberblickbare Spannweite an verschiedenen Führungsstilen. Völlig einordnen kann man keinen der Trainer in eine Schublade und sollte man auch gar nicht erst versuchen. Letztlich ist nur wichtig zu wissen, worauf Führung aufbaut.

Führung ist Vertrauen. Führung ist Kompetenz. Führung ist vor allem Konstanz. Eine Mannschaft muss zu ihrem Trainer aufsehen, sich bei ihm gut fühlen und von seinem Wissen überzeugt werden, nicht von seinen Belohnungen und Strafen. Ist der Trainer sprunghaft in seiner Darstellung, ist alles umsonst.

Formen der Führung finden sich beinahe überall. Deshalb zum Abschluss eine Denkaufgabe aus dem aktuellen Geschehen: Warum hat Thomas Tuchel die Kapitänsfrage im Trainingslager Borussia Dortmunds neu eröffnet?

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