Bosman-Urteil für TV-Sportrechte droht

SID
Mit Bildern wie diesem verdient die Premier League im Ausland massig Geld. Hat das bald ein Ende?
© Getty

Eine raffinierte Kneipenwirtin aus England könnte im Bereich der Fußball-Fernsehrechte für ein Urteil von Bosman-Dimension sorgen. Um Gebühren zu sparen, besorgte sie sich einen Decoder eines griechischen Senders mit Premier-League-Rechten. Jetzt hat sie eine Klage am Hals - und den Fußball-TV-Rechten steht vielleicht eine Revolution bevor.

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Karen Murphy steht im Red, White and Blue und zapft fleißig Lagerbier. Auf der Karte stehen geröstete Schweinehaut und Kartoffelchips mit Scampi-Geschmack, auf dem Werbeschild über der Eck-Kneipe in Southsea weht der Union Jack.

Karen Murphy ist über Nacht eine extrem begehrte Gesprächspartnerin geworden, denn ihr Fall könnte eine Revolution im Bereich der Fußball-TV-Rechte auslösen. Experten sprechen schon von einem Bosman-Urteil für Sportlizenzen - mit womöglich erdrutschartigen Folgen.

Keine Lust auf Gebühren

Frau Murphy hat in England, wo die Wirtin Landlady genannt wird, eine Klage am Hals. Sie hat in ihrem Pub, der nur fünf Minuten vom Stadion des FC Portsmouth entfernt liegt, Premier-League-Spiele live gezeigt.

Allerdings hatte sie keine Lust, dafür wie üblich einige Tausend britische Pfund zu zahlen. No!, sagte Mrs. Murphy, besorgte sich Decoder und Karte des griechischen Senders mit Premier-League-Rechten ("Nova") - und sparte umgerechnet mehr als 6000 Euro.

Selbst der High Court hat Zweifel

Irgendwann hatte Juliane Kokott den Fall auf ihrem Tisch liegen. Denn der High Court, oberster Gerichtshof in England, war sich nicht sicher. Kokott ist eine Vorzeige-Karrierefrau, hat sechs Kinder und ist zudem Generalanwältin beim Gerichtshof der Europäischen Union.

Sie hatte nun im Schlussantrag für den EuGH eine Einschätzung abzugeben, was die bisherige Praxis der Lizenzvergabe angeht. Sie stellt fest: "Solche Lizenzvereinbarungen sind dazu gedacht, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken und zu verzerren. Daher sind sie unvereinbar mit Artikel 101(1) des EU-Vertrags."

Karen Murphy kann zupacken, ihre Sprache ist die Sprache der Kunden. Einfacher ist es deshalb, ihr einmal zuzuhören, als die Hieroglyphen der Gesetzestexte zu entziffern. "Wenn ich ein Auto kaufen will", sagt Murphy, "dann kann ich zu jedem Händler in Europa gehen. Will ich Fußball sehen, kann ich nur zum Sky-Händler und muss dort zehnmal mehr bezahlen als jeder andere in Europa. Das ist nicht fair!"

Urteil hätte Folgen für deutschen Fußball

Mitte des Jahres könnte die Revolution ihren Lauf nehmen, denn meist folgen die EuGH-Richter dem Schlussantrag. Was droht, könnte man sagen, ist Murphys Gesetz.

Für die Deutsche Fußball Liga hätte ein solches Urteil erhebliche Folgen. Da es laut Generalanwältin Kokott "kein spezifisches Recht gibt, in jedem Mitgliedsstaat andere Preise für eine Leistung zu verlangen", wären nur noch schwerlich Lizenzeinnahmen im EU-Ausland zu erlösen.

Die Auslandsrechte bringen den Vereinen derzeit 35 Millionen Euro ein, für die Deutschland-Rechte zahlt der Pay-TV-Sender Sky im Jahr rund 240 Millionen Euro. Rechte im Ausland zu verscherbeln, um Werbung für die Liga zu betreiben, könnte künftig aber zum Bumerang werden.

DFL bleibt gelassen

"Wir haben das Thema von Beginn an aufmerksam verfolgt", kommentiert Christian Pfennig, Mediendirektor der DFL. "Hierbei handelt es sich zunächst um die Stellungnahme der Generalanwältin. An diese ist der Europäische Gerichtshof nicht gebunden, wie andere Fälle gezeigt haben."

Das ist korrekt, Insider verweisen aber darauf, dass dem Schlussantrag in über 70 Prozent der Fälle gefolgt wird. Wird es also eine Sonderstellung, eine Lex Fußball geben? Glaubt man Kokott, wird es das nicht: "Die Vermarktung von Senderechten auf der Grundlage territorialer Exklusivität liefe darauf hinaus, aus der Ausschaltung des Binnenmarktes Gewinn zu erzielen."

Parallelen zum Bosman-Urteil

Die DFL kann das relativ gelassen sehen. In England herrscht dagegen die Panik. Die Premier League erlöst im Ausland das Zehnfache; und deshalb hat der Vermarkter der Premier League Karen Murphy vor den Kadi gezerrt. Der TV-Sender "BSkyB" hat für den Fall, dass die territoriale Exklusivität wegfällt, schon eine "finanzielle Vertragsanpassung" gefordert. Auf gut Deutsch: Sie wollen weniger zahlen. Billige Konkurrenz aus dem Ausland gefährdet die Vermarktungschance für die immens teuren Rechte - das gilt auch für die DFL.

Der Fall erinnert an den belgischen Profi Jean-Marc Bosman, der einst mit seiner Klage - übrigens vor dem EuGH - das Ablösesystem im Fußball kippte. Die Klubs können seitdem Spieler nach Vertragsablauf ablösefrei verpflichten, die Spieler verdienen sich mit Handgeldern eine goldene Nase.

Bosman bekam danach im Profi-Geschäft keinen Fuß mehr auf den Boden und verarmte. Das wird Karen Murphy nicht passieren. Sie hat ja noch ihren Pub.

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