VdV: Jeder vierte Profi am Karriere-Ende pleite

SID
Ulf Baranowsky rät den Fußballprofis zu Bodenständigkeit - Viele seien pleite am Karriereende
© Getty

Die Spielergewerkschaft VdV schlägt Alarm: 20 bis 25 Prozent der Fußball-Profis seien am Ende ihrer Karriere pleite oder überschuldet. Nur auf die Karte Fußball zu setzen, erweist sich oft als schwerwiegender Fehler. Viele Klubs steuern der Entwicklung entgegen.

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Das derzeit berühmteste Möbelstück Deutschlands ist verwaist. Heisenberg-Gymnasium Gladbeck, Klassenraum, Jahrgangsstufe 11, erste Reihe, 3. Tisch, links außen: Ein schnöder Holzstuhl mit Metallrahmen. Hier würde Julian Draxler sitzen, wenn der Schalker Jungstar nicht die Schule geschmissen hätte - auf Anraten seines Trainers Felix Magath.

Nun ist Julian Draxler sicherlich nicht geeignet, um Horroszenarien von Hartz IV und einem langen Leben auf Muttis Schoß zu zeichnen. Draxler ist ein kluger Junge, hat die Mittlere Reife und noch viel, viel Zeit. Dennoch schlägt die Spielergewerkschaft VdV Alarm. "20 bis 25 Prozent der Spieler sind nach der Karriere pleite oder überschuldet", sagt VdV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky am Mittwoch: "Sie wissen, dass sie auf eine Wand zurasen. Aber sie bremsen nicht."

"Keine teuren Autos, sondern lieber Bildung"

Am Ende seien die Spieler von Staatsleistungen oder ihrer Frau abhängig: "Deshalb raten wir: Keine teuren Autos, sondern lieber Bildung". Viele Klubs schließen sich der Forderung an, fördern ihre Jungprofis in Partnerschulen und Eliteschulen des Fußballs. Auch der FC Bayern, den zudem auszeichnet, dass er gescheiterten ehemaligen Stars wieder auf die Beine hilft. Gerd Müller ist das beste Beispiel.

Das Münchner Theodolinden-Gymnasium ist nur einen Steinwurf vom Bayern-Trainingsgelände entfernt. Michael Rensing hat dort Abitur gemacht, Georg Niedermeier vom VfB Stuttgart auch. "Bei uns geht es erst um die Schule, dann erst um den Sport", sagt Horst Schmidbauer, der die "Leistungssportklassen Fußball" koordiniert: "Es gibt ein Leben nach dem Fußball - und das ist länger als die Karriere."

Baranowsky formuliert es anders: "Irgendwann kommt der Tag X. Jeder weiß, dass jedes Foul den Tag X bedeuten kann." Einige Ex-Profis haben ganz bittere Erfahrungen gemacht. Der frühere Dortmunder Bundesliga-Spieler Günter Breitzke wartet seit 1999 auf Arbeit, die einzige Ausbildung war eine abgebrochene Lehre als Lackierer.

Sein Wechsel zu Fortuna Düsseldorf (1992) "war mein Untergang", sagt er. Jeder Tag fühlt sich nun an wie eine Woche. Es sei denn, es wird mal wieder Fußball gespielt - mit den Alten Herren. Häufig, erklärt Baranowsky, muss in solchen Fällen auch ein Psychologe eingreifen. "Wer alles ausblendet und keine Rücklagen hat, steht irgendwann vor dem Nichts. Da gibt es ein ganz, ganz böses Erwachen." Studien zufolge haben nur zehn Prozent der Profis am Karriere-Ende ausgesorgt.

Gündogang macht Abi

Ilkay Gündogan besucht keine der derzeit bundesweit 29 zertifizierten Eliteschulen des Fußballs. Der Mittelfeldspieler vom 1. FC Nürnberg macht sein Abitur am Langwasser-Gymnasium. Nicht nur, um irgendwann ein zweites Standbein zu haben, er sieht Unterricht auch als "schöne Abwechslung zum Sport. Das macht Spaß, ich sehe meine Freunde und kann auch einmal abschalten." Der FCN reagiert flexibel und verlegt das Training, wenn für Gündogan eine Prüfung ansteht.

Mats Hummels hat einen anderen Weg gewählt. Er wollte unbedingt den Schulabschluss schaffen, aber in der 12. Klasse wurde es zuviel. Selbst in Sport war er schlecht - in einer Klausur bekam er null Punkte, denn er war in Gedanken bei einem Fußball-Turnier, für das er nach der ersten Stunde abgeholt wurde. Momentan immerhin geht Hummels' Rechnung auf: Er wird wohl mit Borussia Dortmund deutscher Meister werden. 2007 sagte er in einem Interview, die Schule verlangsame seine fußballerische Entwicklung.

Horst Schmidbauer ist das egal. "Selbstverständlich wollen alle jungen Spieler ihre Ranzen in die Ecke schmeißen und kicken", sagt der Lehrer aus München, und fügt an: "Wir Erwachsenen sind es, die sie leiten müssen. Viele Eltern sind aber vereinsblind." Baranowsky bestätigt das: "Alle Eltern denken, ausgerechnet ihr Junge wird der Superstar. Das ist naiv."

Mats Hummels hat in besagtem Interview, als er noch für die Bayern-Reserve spielte, viele kluge Sätze gesagt. Er klang sogar konservativ und wollte jedem raten, in die Schule zu gehen. Allerdings dachte er auch selbst noch, er würde auf jeden Fall Abitur machen, egal wie. Er sagte aber auch diesen entlarvenden Satz: "Außer, dass es im Steckbrief gut aussieht, bringt mir das Abi als Profi nichts mehr." Zu kurz gedacht?

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