Mehr Augenhöhe geht nicht

Der Krieg der Sterne von Lewis Hamilton und Nico Rosberg kumuliert in Abu Dhabi
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Das elektrisierendste teaminterne Duell in der Formel 1 seit den Tagen von Alain Prost und Ayrton Senna findet beim Saisonfinale in Abu Dhabi (alle Sessions im LIVE-TICKER) seinen verdienten Höhepunkt. Noch ist rechnerisch alles möglich. Ein kleiner Fehler reicht und Nico Rosberg nimmt Lewis Hamilton die Weltmeisterschaft im letzten Moment ab. Doch wäre das überhaupt verdient? SPOX macht den Head-to-Head-Vergleich zwischen den beiden Fahrern.

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Runde 1, Aufstieg: Immer wieder führt Hamilton als Argument an, er habe die härtere Kindheit gehabt und sich trotz armem Elternhaus nach oben gekämpft. Ein Ammenmärchen. Auch der begabteste Rennfahrer schafft es nicht, ohne riesige finanzielle Unterstützung in die Formel 1 zu kommen. Hamilton wurde von McLaren subventioniert. Ron Dennis' Truppe stattete ihn mit dem nötigen Budget aus und ließ ihn nach langer Reise schließlich direkt in eines der besten F1-Autos einsteigen.

Auch Rosberg durchlief diese Ausbildung. Und auch wenn er ein halbes Jahr jünger ist als Hamilton, wurde er schon ein Jahr früher GP2-Champion, während der Engländer noch Formel 3 fuhr. Die guten Kontakte seines Vaters sicherten ihm neben seinem Talent die finanzielle Unterstützung von Mercedes, nicht umsonst fuhren beide Piloten im gleichen MBM-Kart-Team, bevor sie ihre Formel-Karriere begannen und Rosberg als Erster bei Williams in die Formel 1 einstieg und Mittelfelderfahrung sammelte.

Wertung: Unentschieden - 1:1

Runde 2, Erfahrung: Dass Rosberg ein Jahr länger in der Formel 1 fährt, macht keinen Unterschied. Stattdessen spielt im Kampf um die WM vor allem der Umgang mit dem Druck des Teamkollegen eine entscheidende Rolle. Hamilton ist die besten Fahrer gewohnt: Fernando Alonso und Jenson Button waren neben dem eher enttäuschenden Heikki Kovalainen seine Teamkollegen.

Rosberg schlug sich derweil mit Mark Webber, Alex Wurz und Kazuki Nakajima herum, bevor er von Ross Brawn für den späteren Mercedes-Rennstall verpflichtet wurde und es mit Rekordweltmeister Michael Schumacher aufnahm.

Dauerhaft mit den größeren Namen hat also Hamilton gekämpft. Zudem saß er seit 2007 in jedem Jahr in einem siegfähigen Auto und kämpfte schon mehrmals um die WM. Aus seinen Fehlern beim Debüt lernte der mittlerweile 29-Jährige. Mittelfeldkampf wird in Abu Dhabi kaum gefordert. Deshalb fällt diese Wertung zu seinen Gunsten aus.

Wertung: Punktsieg Hamilton - 2:1

Runde 3, Druck: 17 Punkte. In der Formel 1 war das bisher eine Vorentscheidung. Mit dem Reglement der Saison 2013 hätte Hamilton bei einem Rosberg-Sieg im letzten Rennen maximal den siebten Platz belegen dürfen, damit der Deutsche seinen ersten Weltmeistertitel feiern darf. Dank der doppelten Punktezahl für alle Fahrer würde es nun ausreichen, wenn ein einziger Fahrer sich zwischen die beiden Mercedes-Fahrer schiebt. Rosberg kann also entspannt sein. Er muss gewinnen, alles andere liegt nicht in seiner Hand.

Und Hamilton? Was passiert, wenn der Mercedes-Antrieb plötzlich komische Geräusche macht? Während seiner McLaren-Zeit fiel er bei zwei von vier Rennen mit technischen Problemen aus. Beim ersten Duell mit gleichem Material im Vorjahr kam Rosberg mit vier Plätzen Vorsprung ins Ziel. Rosberg hat den geringeren Druck, er kann alles wie immer machen. Hamilton dagegen wird das Risiko dosieren und mehr nachdenken müssen als gewöhnlich. Das kann sich auch negativ auswirken.

Wertung: Punktsieg Rosberg - 2:2

Runde 4, Ehrgeiz: Jeder Formel-1-Pilot träumt davon, einmal Weltmeister zu werden - erst recht, wenn der eigene Vater das geschafft hat. Rosbergs Motivation war schon als Teenager, besser zu sein als Keke. Dass er ihn bei den Rennsiegen übertrumpft hat, reicht dafür nicht. Er braucht zwingend den Titel. Hamilton hat dieses Ziel zwar schon erreicht, er will aber mehr.

Der bekannteste Formel-1-Fahrer weltweit kann nicht bei einer Weltmeisterschaft aufhören. Die Veränderungen, die er in den letzten Jahren durchlaufen hat, verfolgen alle ein Ziel: Das gottgegebene Talent in den größtmöglichen Erfolg umzuwandeln. Beide Mercedes-Piloten wollen den Titel unbedingt.

Wertung: Unentschieden - 3:3

Runde 5, Rennintelligenz: Lewis Hamilton hat die Begabung, aus seinem Auto mehr herauszuholen als andere gute Fahrer. Das zeigte er schon in den Nachwuchsklassen - etwa, als er in der Formel 3 trotz einer Zeitstrafe auf dem Nürburgring einen famosen Sieg einfuhr.

Doch was er in der Saison 2014 vollführte, ist ein neues Level. Hamilton fühlt, wann er aufs Gas drücken muss, um Druck aufzubauen. Da stört selbst ein gegenteiliger Rat des Teams wie etwa beim Italien-GP nicht. Er legt sich seine Gegner zurecht. Wenn sie nicht von selbst einen Fehler machen, dann findet er mit größtmöglichem Einsatz einen Weg vorbei. In dieser Kategorie kann ihm Rosberg nicht das Wasser reichen.

Wertung: Punktsieg Hamilton - 4:3

Runde 6, Technisches Verständnis: Während sein Teamkollege auf der Strecke fast unbezwingbar scheint, hat Rosberg ein anderes Plus auf seiner Seite. "Achten Sie mal darauf, wie gut das Team in sich arbeitet. Der eine, Lewis, hat das Talent. Der andere ist zwar schnell, aber eher der Denker und Entwickler des Autos", erklärte der frühere Kart-Teamchef der Beiden, Dino Chiesa, der "Bild am Sonntag" im Juni: "Lewis schneidet sich am Ende dann gerne ein Stück von Nicos Kuchen ab und verkauft es als seines."

Hamiltons überragende Grundschnelligkeit macht Rosberg auch in dieser Saison an fast jedem Wochenende wett. Am Freitag setzt Hamilton die Bestzeiten in den Freien Trainings, am Samstag fährt Rosberg auf seinem Niveau und überflügelt ihn mit Regelmäßigkeit. 11:7 führt Rosberg in den teaminternen Quali-Duellen, selbst Hamiltons technische Probleme am Samstag drehen die Rechnung nicht um, obwohl er als Qualifying-Weltmeister gilt.

Wertung: Punktsieg Rosberg - 4:4

Seite 1: Rosberg nutzt das technische Verständnis

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