Vives les Bulls! Vergne vor Vettel

Von Alexander Maack
Der entspannte Sieger des Driver-Rankings von Montreal: Jean-Eric "JEV" Vergne. Datteln gefällig?
© getty

Auch in der Formel-1-Saison 2013 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Maack nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 7: Kanada-GP.

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"Kanada, Red-Bull-Land" ist zwar eine deutlich übertriebene Formulierung angesichts der Geschichte des Weltmeisterteams, im Driver-Ranking für das Rennen auf dem Circuit Gilles Villeneuve gibt es 2013 dennoch einen Doppelsieg für den Brausekonzern. Der überraschende Ausgang: Sebastian Vettel reiht sich nur auf Platz zwei ein. Unterdessen senst am Ende des Klassements der niederländische Rasenmäher die Konkurrenz ohne Konsequenzen nieder.

Platz 1, Jean-Eric Vergne: Bonjours Mesdames et Messieurs! Passend zum Wochenende im französischsprachigen Teil Kanadas hat sich der Toro-Rosso-Pilot in Bestform gebracht. Mit seinem siebten Startplatz und den Zeiten in allen drei Abschnitten lag er deutlichst vor Teamkollege Daniel Ricciardo. Im Rennen deklassierte Vergne seinen australischen Teamkollegen abermals.

Der Franzose überholte Valtteri Bottas in Turn 1 auf der Außenbahn sowie später Kimi Räikkönen vor dessen Boxenstopp mustergültig und fuhr dann fehlerfrei Rang sechs nach Hause. Dass ein Toro-Rosso-Fahrer unter Normalbedingungen die Top-Teams nicht attackieren kann, dürfte klar sein. Vergnes sechster Platz war das beste Resultat für das Red-Bull-Juniorteam nach Sebastian Vettels Abschied nach der Saison 2008. Wie souverän Vergne Rang eins hinter den finanziell besser ausgestatteten Rennställen sicherte, hat mich immens beeindruckt.

Platz 2, Sebastian Vettel: Der Dreifachweltmeister war in Kanada nach seinem bravourösen Qualifying so überlegen, dass er gegen Ende des Rennens etwas leichtsinnig wurde. Renningenieur Guillaume Rocquelin ermahnte ihn in der letzten Runde über Funk mit den Worten "Monaco, 1988, Senna". Die brasilianische Formel-1-Legende hatte damals über 30 Sekunden Vorsprung und schied nach einem Abflug in die Leitplanken kurz vor dem Ziel aus. Die Jagd auf die schnellste Rennrunde brach Vettel daraufhin ab.

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Der Heppenheimer hat erstmals in seiner Karriere den Kanada-Grand-Prix gewonnen. Dasselbe gilt für sein Team: Lediglich der Pokal für den US-GP fehlt Red Bull aus dem aktuellen F1-Kalender noch in der Sammlung. Der Nordamerika-Fluch ist damit besiegt. Trotzdem ist Vettel nur Zweiter im Ranking. Er ging ähnlich wie Vergne ans Limit, allerdings auch mehrmals darüber hinaus. Der Anschlag an der Mauer ausgangs Turn 4 und sein Ausritt in der ersten Kurve führen zu Punktabzügen.

Platz 3, Lewis Hamilton: Am 20. Juni tagt endlich das FIA-Tribunal über die Mercedes-Testfahrten. Bis eine Entscheidung gefallen ist, fährt der Brite einfach seine Rennen und nutzt dabei die Erfahrung im Umgang mit den Pirelli-Slicks. Im Gegensatz zu Monaco blieb Hamilton in Montreal am Sonntag fehlerfrei.

Dafür schmiss der 28-Jährige am Samstag die Pole-Position im letzten Moment weg, als er von der Strecke rutschte. Ein Sieg wäre mit der Ausgangslage zwar unwahrscheinlich, Rang zwei aber mit etwas Glück zu verteidigen gewesen. Hamilton muss endlich seine Probleme mit den Mercedes-Bremsen abstellen, um die Vorschusslorbeeren im Duell mit Teamkollege Nico Rosberg zu bestätigen.

Platz 4, Fernando Alonso: Schon oft habe ich den Asturier für seine guten Starts gelobt. Auch beim Großen Preis von Kanada kam er ordentlich weg und überholte den Finnen Bottas schnell. Auch wenn der Ferrari im Qualifying mehr Probleme bereitet als ein Red Bull, ziehe ich Alonso für seine Leistung am Samstag in dieser Woche einige Prozente ab.

Das Setup seines F138 schien mir zu sehr auf die erwartete Trockenheit am Sonntag ausgerichtet zu sein. So konnte der Doppelweltmeister seine Qualitäten auf nasser Fahrbahn nicht wirklich ausspielen. Mit einem größeren Kompromiss wäre vielleicht eine Attacke auf Vettel drin gewesen.

Platz 5, Paul di Resta: Der Sprung aufs Podest war das erklärte Ziel beim 100. Grand Prix von Force India. Di Restas Chancen, die Vorgabe umzusetzen, waren schon nach Q1 dahin. Auf Startplatz 17 folgte eine unnötige Standpauke für das eigene Team. Hier wäre etwas mehr Teamfähigkeit angebracht gewesen.

Im Rennen aber begeisterte di Resta. Er hielt sich aus sämtlichen Scherereien raus, arbeitete sich mit harten Reifen bis auf Platz sieben vor und kam erst nach 57 Runden an die Box. Das erinnerte zwar an Bridgestone-Zeiten, war aber eine gelungene Abwechslung zum Chaos des Saisonbeginns. Mehr davon!

Platz 6, Valtteri Bottas: Die Williams-Wundertüte konnte im Rennen leider seinen überraschenden dritten Startplatz nicht verteidigen. Ich frage mich seit Samstagabend, ob sein Team nach dem enttäuschenden Saisonauftakt nur die Sponsoren beruhigen wollte und Bottas deshalb ein reines Regen-Setup verpasst hat.

Die Leistung am Sonntag und die ziemlich langsame Höchstgeschwindigkeit deuten daraufhin. Für seinen vollkommen unerwarteten Ritt auf Startplatz drei bekommt der noch unerfahrene Bottas trotzdem seine ersten Punkte im SPOX-Driver-Ranking von mir.

Platz 7, Mark Webber: Den Großteil des Wochenendes über war der Australier in Schlagweite zu Red-Bull-Kollege Vettel. In Q3 fehlten dann aber acht Zehntelsekunden auf den Weltmeister. Im Rennen mit einer guten Leistung. Die Berührung beim Überrunden von Giedo van der Garde könnte ihm den Podestplatz gekostet haben. Es war dennoch eines von Webbers besseren Wochenenden in diesem Jahr.

Platz 8, Nico Rosberg: Der gebürtige Wiesbadener konnte nicht mit Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton mithalten. Es waren vor allem technische Probleme, die ein besseres Abschneiden verhinderten. Im Qualifying lief Rosberg auf Räikkönen auf, weil sein Funk ausgefallen war. Damit hatte der Monaco-Sieger eine Runde weniger für seine Zeitenjagd.

Was ich mich immer noch frage: Warum fuhr Rosberg die ersten beiden Stints auf den supersoften Slicks? Hamilton bekam schon beim ersten Reifenwechsel Mediums aufgeschraubt. Dass dies die bessere Wahl war, hatte sich schon vor dem Boxenstopp abgezeichnet. Eine Planänderung des Teams wäre angebracht gewesen. Dass Rosberg schließlich seinen letzten Reifensatz tauschen musste, weil er sich einen Bremsplatten eingefahren hatte, komplettierte das etwas unbefriedigende, aber immer noch ordentliche Wochenende.

Platz 9, Felipe Massa: Im Qualifying noch Härtefall, im Rennen Aufholstar Nummer zwei nach Paul di Resta. Der Brasilianer bekommt zwar einen deutlichen Punktabzug für seinen vermeidbaren Fehler in Q2, machte diesen im Rennen aber fast komplett wieder gut. Unterhaltsam war derweil, wie Massa rundenlang hinter Adrian Sutil festhing. Dabei hatte die Scuderia Massa informiert, dass er wegen dessen defekten Heckflügels ganz einfach vorbeifahren könnte...

Platz 10, Kimi Räikkönen: Extrem aufgedrängt hat sich der Iceman in Kanada auf den ersten Blick nicht. Startplatz zehn wegen seiner Strafversetzung und im Rennen ging es trotz Ein-Stopp-Strategie auch nur einen Platz weiter nach vorne. Räikkönen hatte mal wieder Probleme, die Reifen seines Lotus am auf Betriebstemperatur zu bringen.

Dass der Iceman das an diesem Wochenende unterlegene Auto überhaupt auf der Strecke hielt, ist bei näherer Betrachtung schon verwunderlich. Übersteuern, Untersteuern - ein ständiges Schlingern. Dafür gebührt Räikkönen Respekt. Zusatzpunkte gibt es für den eingestellten Schumacher-Rekord von 24 aufeinanderfolgenden Rennen in den Punkten.

Härtefall, Adrian Sutil: "Durchwachsen" mag an der Fleischtheke ganz beliebt sein, für einen Formel-1-Fahrer ist das Wort aber der sichere Sturz aus den Top Ten. Sutil erlebte ein solches Rennen. Der Gräfelfinger wollte Vergnes Überholmanöver gegen Bottas ausnutzen und in Runde sechs gleich hinterherschlüpfen. Die Umsetzung: mehr als dürftig.

Nach dem selbstverschuldeten Dreher rauschte ihm Pastor Maldonado ins Heck. Der hintere Flügel verlor etwa 15 Prozent Abtrieb, das Rennen war eigentlich gelaufen. Dennoch blockierte er dank des nun überragenden Topspeeds Felipe Massa. Dass Sutil im Kampf gegen Räikkönen schließlich Hamilton und Alonso aufhielt, war ein Leichtsinnsfehler, der das Rennen vollends vernichtete.

Untauglich, Giedo van der Garde: Der Niederländer hat durch seine häufigen Ausflüge ins Gras schon länger den redaktionsinternen Spitznamen "Rasenmäher" inne. In Montreal rasierte der Caterham-Pilot statt der Wiesen lieber die Gegner. Mark Webber und Nico Hülkenberg hatten ihre liebe Mühe, den Rookie zu überrunden. Zwei Kollisionen führten zu einem defekten Frontflügel und einem Komplettausfall. Die Konsequenz: Stop-and-Go-Strafe und Ausfall in Montreal, Fünf-Plätze-Strafversetzung beim nächsten Rennen. Drücken wir die Daumen, dass van der Garde dafür weit genug vorne steht...

Meine Punkte für das Montreal-Wochenende:

Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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