Gefährliche Reise ins Ungewisse

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel startet beim Australien-GP 2011 von der Pole-Position
© Getty

Sebastian Vettel geht nach dem überragenden Qualifying als haushoher Favorit in den Australien-GP (So., 7.45 Uhr im LIVE-TICKER). Trotzdem ist ein Sieg ungewisser denn je. Alles hängt ab von Reifen, Boxenstopps und einem möglichen KERS-Problem.

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1:23,529 Minuten - Rundenrekord! So schnell wie Sebastian Vettel war in einem Qualifying in Melbourne noch nie ein Fahrer. Und das ohne Doppel-Diffusor, ohne F-Schacht, ohne 850-PS-Motor, ohne 20.000 Umdrehungen pro Minute, ohne die bekannten Bridgestone-Reifen. Ja nicht einmal mit KERS.

Vettel war in seinem Red Bull derart überlegen, dass er wohl aus Sicherheitsgründen auf den Einsatz der 82 Zusatz-PS verzichten konnte und trotzdem acht Zehntel schneller war als alle anderen. "Mit KERS wären wir 1,3 Sekunden zurück gewesen. Das ist nicht normal", rechnete der Zweite Lewis Hamilton vor.

Vettel ein sicherer Sieger - oder?

Also ein sicherer Sieg für Vettel am Sonntag, vor allem, wenn man bedenkt, dass sein Team den ganzen Winter über keinerlei Probleme mit technischen Defekten hatte. Oder?

"Das wird eine Fahrt ins Ungewisse", sagte Vettel mit Blick auf ein Rennen, das alle Voraussetzungen hat, um eines der turbulentesten der letzten Jahre zu werden.

Fällt Hamilton mit KERS über Vettel her?

Da ist zunächst KERS. Laut Informationen des Fachmagazins "auto, motor und sport" ist es nicht sicher, ob Red Bull das System im Rennen einsetzen wird. Im Qualifying sind weder Vettel noch Webber damit gefahren. Aus den Gründen dafür macht man ein Geheimnis.

Ohne KERS wäre Vettel zwar immer noch klar der schnellste Mann im Feld, sollte er annähernd seinen Speed auf die Distanz halten können. Aber eben nur, wenn er nach der ersten Kurve noch vorne liegt.

2009 hat man gesehen, wie groß am Start der Unterschied zwischen KERS und nicht KERS ist. Hamilton könnte an Vettel vorbeigehen, auch wenn der Sprint zur ersten Kurve nicht allzu lang ist. "Ich denke, dass ich das Rennen gewinnen kann", lautete Hamiltons Kampfansage. "Ich werde Vettel auf jeden Fall das Rennen seines Lebens liefern."

Reifen: "Zwischen zwei und vier Boxenstopps"

Das hätte Vettel in der Tat vor sich, wenn er sich nach dem Start erst wieder am schnellen und extrem schwer zu überholenden Hamilton vorbei kämpfen müsste.

Es sei denn, der wahrscheinlich entscheidende Faktor des Rennens verschafft ihm einen Vorteil: die Reifen. Denn an den Pirelli-Pneus wird sich Wohl und Wehe eines jeden Fahrers entscheiden, egal, von wo aus er startet.

"Zwischen zwei und vier Boxenstopps sind möglich", sagte Jenson Button. Auch Vettel weiß: "Wir können uns zwar vorstellen, wie sich die Reifen verhalten werden, aber wirklich sehen werden wir es erst im Rennen."

Red Bull und Ferrari sollten Reifen schonen

Die Tests und auch das Training am Freitag machten Red Bull Mut. Vettel konnte einen Long-Run von 22 Runden absolvieren und auch auf den weichen Reifen geht mehr als nur eine schnelle Runde. Möglich also, dass Vettel und Webber mit zwei Stopps auskommen können.

Gleiches gilt für Ferrari. Der rote Renner hat sich bei den Tests den Ruf als Reifenflüsterer erarbeitet. Im Rennen sollten Fernando Alonso und Felipe Massa sehr stark sein, während im Qualifying bei kühlem Wetter die Pneus nicht auf Temperatur kamen. "Wir wollen aufs Podium fahren", stellte Alonso klar und betonte, dass Ferrari trotz des großen Rückstands auf Red Bull keine riskante Strategie wählen wird.

Mercedes setzt auf Aufholjagd durch Reifenvorteil

Bei Mercedes könnte man eventuell darüber nachdenken. Denn die Startplätze sieben und elf waren für das Team ein Schock. Sie haben sich selbst viel weiter vorne gesehen. Allerdings kehrte nach dem ersten Schreck schon wieder Zuversicht ein.

"Im Rennen ist noch viel machbar", sagte der Siebte Nico Rosberg, der wie Michael Schumacher am ganzen Wochenende mit zahlreichen technischen Problemen zu kämpfen hatte.

Auf dem Weg nach vorne sollen es vor allem die Reifen richten. "Wir haben noch viele frische Reifen für Michael und Nico und glauben, dass das im Rennen ein Faktor sein wird", sagte Teamchef Ross Brawn. Dadurch, dass Schumacher Q3 verpasst hat, hat er sogar noch einen brandneuen Satz weiche Reifen, ein Vorteil gegenüber den Top Ten.

Wer sich verpokert, ist abgeschlagen

Laut Brawn hält ein frischer Satz weicher Reifen maximal 16 Runden, der harte fünf Runden länger. Würde Schumacher also mit weichen Reifen beginnen, dann könnte er mit zwei Wechseln auf die härteren Pneus rein rechnerisch durchkommen. Vorausgesetzt, er verschleißt seine Reifen nicht zu sehr in Zweikämpfen.

Da die bereits angefahrenen weichen Reifen, mit denen die Top Ten starten müssen, wahrscheinlich keine 16 Runden lang halten, könnte sich Schumacher nach vorne arbeiten und zudem hoffen, dass einige der Fahrer vor ihm einen dritten Stopp einlegen müssen.

Viel graue Theorie, die aber schon andeutet, wie turbulent und taktisch anspruchsvoll das erste Rennen der Pirelli-Ära werden kann. Wer zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen trifft, kann weit nach vorne kommen. Wer sich verpokert, ist ganz schnell abgeschlagen.

Kein Start: Gnadengesuch von HRT abgelehnt

So besteht sogar noch für Adrian Sutil und Nick Heidfeld auf den Startplätzen 16 und 18 eine realistische Hoffnung, in die Punkte zu fahren.

Nur für HRT nicht. Beide Autos scheiterten nämlich an der 107-Prozent-Hürde und dürfen trotz Bettelns bei der Rennleitung um eine Ausnahmegenehmigung nicht starten. Ist vielleicht besser so, denn rein rechnerisch wäre Narain Karthikeyan mit seinen zehn Sekunden Rückstand im Qualifying sechs Mal von Vettel überrundet worden.

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