Theissen: "Es gibt nichts Besseres"

Von Interview: Alexander Mey
Mario Theissen (l.) interpretiert die Sparmaßnahmen anders als Flavio Briatore
© Imago

Die Formel 1 ist nach dem Rückzug von Honda in einer Sinnkrise. BMW-Motorsportchef und BMW-Sauber-Teamchef Mario Theissen bringt im Interview mit SPOX Licht ins Dunkel des sportlichen und finanziellen Umbruchs, in dem sich die Königsklasse befindet. Zudem wehrt er sich gegen den Vorwurf von Renault-Teamchef Flavio Briatore, BMW sei schuld daran, dass die Formel 1 die Kosten nicht schneller reduzieren kann.

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Angesprochen auf den Sinn der Einführung des Hybridantriebs KERS zur kommenden Saison, wetterte Briatore im Interview mit "Auto, Motor und Sport": "Es wäre besser gewesen, wir hätten die Einführung um ein Jahr verschoben. Alle waren dafür, nur BMW nicht. Ich verstehe nicht, warum. Jetzt ist jeder gezwungen, viel Geld zu investieren."

BMW, der Totengräber des Sparkurses der Formel 1? SPOX fragte bei Mario Theissen nach.

SPOX: Ist BMW schuld daran, dass die Formel 1 2009 teurer wird als nötig?

Mario Theissen: Nein, das sehen wir ganz anders. KERS ist seit längerem Bestandteil des technischen Reglements für 2009. Wir haben uns für ein Festhalten am Fahrplan ausgesprochen, weil ein Technikprojekt noch nie dadurch billiger geworden ist, dass man seinen Einsatz verschiebt.

SPOX: Briatore beschwert sich aber, dass durch die Einführung 2009 zusätzliche Kosten entstehen.

Theissen: Natürlich kostet die Einführung von KERS Geld, aber nicht annähernd so viel, wie wir in den Jahren zuvor eingespart haben. Außerdem ist es aus unserer Sicht gut investiertes Geld. Die Teams würden das System bei einer Verschiebung genauso weiterentwickeln, auch wenn wir es noch nicht einsetzen würden, also das gleiche Geld ausgeben, ohne damit 2009 Rennen zu fahren. Das wäre nun wirklich überhaupt nicht mehr Ziel führend.

SPOX: Wollte außer BMW wirklich niemand schon 2009 KERS?

Theissen: Es war sehr wohl der Fall, dass neben BMW auch andere Hersteller sehr stark mit einem KERS-Einsatz sympathisiert haben.

SPOX: Also ist Briatore nur neidisch, weil Magneti Marelli, der KERS-Lieferant von Renault und Ferrari, große Probleme hat.

Theissen: Das will ich nicht unterstellen. Aber Tatsache ist, dass jeder Testtag mit KERS kostbar ist. Umso mehr, da wir die Testkilometer für das kommende Jahr noch einmal auf rund 15.000 Kilometer halbiert haben.

SPOX: BMW und die anderen Teams, die schon beim ersten Test in Barcelona KERS verwendet haben, haben demnach einen Entwicklungsvorsprung.

Theissen: Die genaue Situation bei der Konkurrenz kenne ich nicht. Ich kann aber sagen, dass wir auf Kurs sind. Allerdings sind auch wir noch weit von der Rennreife entfernt. Das wird ein spannender Wettlauf mit der Zeit.

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SPOX: Wie viel Geld darf in Zukunft eine Formel-1-Saison kosten?

Theissen: Es ist klar, dass sie deutlich weniger kosten darf als jetzt. Mittelfristig sollten wir 50 Prozent einsparen, aber die Frage ist, wie schnell man das erreichen kann. Wir müssen aufpassen, dass dabei weder bestehende Strukturen in den Fabriken zerstört werden, noch durch eine Umstellung zum falschen Zeitpunkt zusätzliche Kosten entstehen. Dazu bedarf es einer guten Einführungsstrategie.

SPOX: Und BMW hat diese Strategie?

Theissen: BMW hat den Sparkurs übrigens schon vor einigen Jahren eingeschlagen. Wir geben in der Formel 1 im Moment 30 Prozent weniger Geld aus als 2005, obwohl wir damals nur Motorenpartner von Williams waren. Bei der Bildung des BMW-Sauber-Teams haben wir von Beginn an darauf geachtet, dass wir nicht zu den größten Rennställen gehören, sondern zu den effizientesten. Wir haben 430 Mitarbeiter in Hinwil. Es gibt sogar unabhängige Teams, die deutlich größer sind als wir.

SPOX: Wie lautete das Motto der Regel-Diskussionen der Team-Vereinigung in der vergangenen Woche - Einheitsmotor verhindern?

Theissen: Der Einheitsmotor ist nicht im Interesse von BMW. Wir müssen zu einem zukunftsträchtigen und kostengünstigen Motorenkonzept kommen, das sowohl dem unbestrittenen Ziel zur Kostensenkung gerecht wird, als auch den Herstellern die Möglichkeit gibt, ihr Know-How zu präsentieren.

SPOX: Macht es für einen Hersteller überhaupt noch Sinn, so viel Geld in die Formel 1 zu stecken?

Theissen: Wir haben im Konzern durchaus unser Formel-1-Engagement überdacht, das tun wir regelmäßig, wie dies bei anderen Projekten ebenfalls üblich ist. Wir haben alles analysiert: Die in den vergangenen Jahren deutlich gesunkenen Kosten, die wachsenden sportlichen Erfolge, den daraus resultierenden Marketing-Wert für die Marke BMW und natürlich auch den Technologietransfer in die Serie. Wenn wir all diese Faktoren zusammenzählen, ist die klare Aussage des Vorstands, dass das Formel-1-Projekt für BMW mehr als nützlich ist.

SPOX: Als reine Werbeplattform würde die Formel 1 aber keinen Sinn machen.

Theissen: Da muss ich widersprechen. Natürlich nutzen wir die Formel 1, um unsere Technologie-Kompetenz zu demonstrieren. Aber wenn man die weltweite Bekanntheit der Formel 1 betrachtet und die Zahlen, die die Marketing-Experten daraus generieren, dann gibt es nichts Besseres.

SPOX: Hat sich die Formel 1 jemals so grundlegend verändert wie in diesem Winter?

Theissen: Sicher nicht. Das gilt sowohl für die Technik als auch für die Maßnahmen, die Formel 1 für die nächsten zehn Jahre auszurichten.

SPOX: Offensichtlichste Veränderung ist, dass Sie laut Ihrem Testfahrer Christian Klien das "hässlichste Auto aller Zeiten" gebaut haben.

Theissen: Das ist mir egal, solange es schnell ist. Für mich hat es neben negativen sogar positive Aspekte. Das 2008er Auto wurde mit all seinen Flaps und Flügelchen ganz extrem von den Aerodynamik bestimmt. Das neue Auto wird einfach sauberer aussehen.

Welche Regeländerungen gibt es 2009? Der SPOX-Überblick

SPOX: Warum hat BMW-Sauber das alte Auto komplett auf die Aerodynamik für 2009 umgebaut?

Theissen: Wir wollten das Auto auf die neuen Regeln anpassen, um Daten zu sammeln, die wir auch verwenden können. Trotzdem sind alle Daten, die wir jetzt erhalten, nur Grundsatzerkenntnisse. Erst wenn wir das neue Auto auf der Strecke haben, gilt es.

SPOX: Überraschungen wird das neue Auto aber nicht parat haben.

Theissen: Es wird zumindest keine aerodynamischen Auswüchse geben. Die Entwicklung spielt sich eher unter der Haube ab.

SPOX: Warum haben Sie ein Interminsauto gebaut und andere Teams nicht?

Theissen: Für uns gehört ein Streckentest einfach zum Entwicklungsprogramm dazu. Ob uns das gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil bringt, werden wir sehen.

SPOX: Wie steht es mit den Vorteilen von KERS. Kann man das System auf Strecken, auf denen es nichts bringt, einfach ausbauen?

Theissen: Ja.

SPOX: Gut zu wissen. Wissen Sie auch schon, ob 2009 das Jahr der deutschen Hersteller werden kann?

Theissen: Schön wär's. Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen. Noch ist das Kräfteverhältnis gerade aufgrund der großen Veränderungen überhaupt nicht einzuschätzen. Das wird erst gehen, wenn alle Teams einige Wochen lang mit ihren neuen Autos gefahren sind.

SPOX: Mögen Sie eigentlich Olympia?

Theissen: Wieso?

SPOX: Laut Bernie Ecclestone werden Sie im kommenden Jahr auch um Medaillen kämpfen.

Theissen: Diese Aussage war etwas voreilig, denn zu diesem Zeitpunkt hatten die Teams den Vorschlag noch nicht einmal diskutiert. Dahinter steckt die durchaus gute Grundidee, den Sieg aufzuwerten. Die Kehrseite des Medaillen-Vorschlags wäre jedoch, dass am Ende der Saison eine Menge Teams mit leeren Händen dastehen würden. Ob das sinnvoll ist, darüber muss man noch einmal sprechen. Wir sind auf jeden Fall offen für Vorschläge.

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