Nach der Sensations-WM im eigenen Land schloss das DEB-Team ein großes Eishockey-Jahr mit der erfolgreichen Titelverteidigung beim Deutschland Cup perfekt ab. Und das, obwohl nur acht WM-Helden dabei waren und acht Spieler ihr Debüt feierten. Dennoch gibt es ein großes Problem: Bundestrainer Uwe Krupp wechselt nach der WM 2011 in der Slowakei zu den Kölner Haien. SPOX erklärt, warum Krupps Weggang für den DEB ganz bitter ist.
Coach Uwe Krupp: Nach der miserablen WM in der Schweiz 2009 stand Uwe Krupp ganz dicht vor dem Aus als DEB-Coach. Es wäre ein kapitaler Fehler des Verbands gewesen, wenn man sich damals von Krupp getrennt hätte. Es ist fast ausschließlich das Verdienst des Bundestrainers, dass das deutsche Eishockey aktuell so gut dasteht wie lange nicht. Wie vielleicht noch nie. Eine Mannschaft nimmt irgendwann den Charakter ihres Trainers an. Sagt man. Und im Falle des DEB-Teams ist das absolut richtig.
Krupps Handschrift ist klar zu erkennen. Sein Team spielt und kämpft mit Leidenschaft und Herz, fast immer 60 Minuten an der Leistungsgrenze. Krupp spricht gerne selbst von einer "guten Show", die sein Team bietet. Und es stimmt. War Deutschland vor Jahren vor allem schlittschuhtechnisch den großen Nationen noch unglaublich unterlegen, kann man jetzt fast mit jedem auf ähnlichem Niveau "mitlaufen".
Ein weiterer wichtiger Faktor: Krupp begreift sich nicht nur als Coach der A-Nationalmannschaft. Er ist auch bei allen Junioren-Teams ständig involviert, scoutet den Nachwuchs und kennt die Talente folgerichtig schon lange, bevor sie Kandidaten für das A-Team werden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Dass Krupp nach der WM als Bundestrainer aufhört und als General Manager zu den Kölner Haien wechselt, ist aus seiner Sicht sicher nachvollziehbar und ein logischer Schritt, aber für den DEB ist es eine ziemliche Katastrophe. Die Frage aller Fragen: Wer soll den eingeschlagenen Weg auf diese Art und Weise fortführen? Im Prinzip fällt einem kein Kandidat ein.
Ralph Krueger, der ehemalige Schweizer Nationaltrainer, wäre ein geeigneter Mann, aber Krueger ist inzwischen im Trainerstab bei den Edmonton Oilers in der NHL. Ob er diesen Job für den DEB aufgeben würde, ist mehr als fraglich. Krupps Assistent Ernst Höfner ist ein ausgewiesener Fachmann, aber ihm fehlt Krupps Ausstrahlung. Ach ja, Hans Zach wäre frei...
Tor: Wenn Deutschland auf einer Position keine Probleme hat, dann im Tor. Ob das im Fußball, Handball oder eben im Eishockey ist, spielt keine Rolle. Wahrscheinlich wird das auch immer so bleiben. Die aktuelle Torwart-Situation beim DEB ist denkbar einfach. WM-MVP Dennis Endras ist mittlerweile mit völliger Selbstverständlichkeit die eindeutige Nummer eins.
Neben Endras ist Eisbären-Goalie Rob Zepp bei Krupp gesetzt - plangemäß wird Endras im Februar 2011 beim Slovakia-Cup eine Pause bekommen, dann ist Zepp die Nummer eins. Um den dritten Platz im WM-Kader kämpfen in erster Linie Patrick Ehelechner, Dimitri Pätzold und Jochen Reimer.
Die Wildcard heißt Thomas Greiss. Dessen Qualitäten sind unbestritten enorm hoch, aber nach seiner Ausleihe von den San Jose Sharks in die schwedische Liga zu Brynäs Gävle ist Greiss etwas in Vergessenheit geraten. Wie gut die Goalie-Situation in Deutschland ist, zeigt die Tatsache, dass Hannover mit zwei 18-Jährigen (Jonas Langmann, Lukas Steinhauer) im Kasten die DEL-Tabellenspitze inne hat.
Verteidigung: Mit Nicolai Goc, Frank Hördler und Justin Krueger standen beim Deutschland Cup nur drei Abwehrspieler im Aufgebot, die auch bei der WM dabei waren.
Krueger bildete mit Rainer Köttstorfer eine Art deutsches Shutdown-Paar. Wann immer es brenzlig wurde, vertraute Krupp diesem Duo.
Köttstorfer ist ein interessanter Fall. Kein Jungspund mehr, mit 29 Jahren aber für Nicht-DEL-Kenner wohl immer noch ein absoluter Nobody.
Beim Deutschland Cup machte der 1,98-Meter-Riese einen starken Job. Seine größte Stärke: Er strahlt eine enorme Ruhe aus. Hat sich definitiv für weitere Einsätze im DEB-Dress empfohlen.
Das gleiche gilt für Benedikt Kohl und Florian Kettemer. Das Augsburger Rookie-Duo spielte ein exzellentes Turnier (beide mit einer Plus-Minus-Bilanz von +3) und bewies, dass es auf internationalem Eis mithalten kann. Vor allem Rechtsschütze Kohl könnte in Zukunft eine tragende Rolle zukommen.
In Augsburg darf der 22-Jährige nicht umsonst mitunter sogar den Powerplay-Quarterback geben. Qualitäten, die er auch in München einbrachte. Wichtige Erkenntnis für Krupp: Egal, ob die USA-Cracks wie Dennis Seidenberg, Christian Ehrhoff, Alexander Sulzer oder Korbinian Holzer bei der WM zur Verfügung stehen werden, wird er genug Möglichkeiten haben, um eine solide Defensive zusammenzustellen.
Die Analyse des Sturms und das Fazit
Sturm: Die Zuschauer in der Olympiahalle mussten wohl ab und zu mehrfach hinschauen, um zu sehen, wer da gerade für Deutschland stürmt. Mit Captain Michael Wolf, Kai Hospelt, Patrick Hager und Philip Gogulla standen nur vier WM-Helden im Kader. Gerade den etablierten Kräften gebührt ein Sonderlob. Auch wenn viele Youngster überzeugten, hießen die besten deutschen Spieler Wolf und Hospelt (3 Tore).
Es ist bekannt, dass Wolf vielleicht der Lieblingsspieler von Krupp schlechthin ist, aber wer den Iserlohner wirbeln sieht, der kann diese "Liebe" schon verstehen. Es gibt kaum einen Torjäger, der so mannschaftsdienlich spielt und so hart arbeitet wie Wolf. Selbst wenn er nicht scort, hilft er der Mannschaft. Ein größeres Kompliment gibt es eigentlich nicht.
Kurios: Der Deutsch-Kanadier war am Ende des Turniers neben Jerome Flaake, der nur ein Spiel machen durfte, der einzige Stürmer, der ohne einen einzigen Scorerpunkt blieb. Er war aber trotzdem einer der absolut besten Spieler. Olver harmonierte prächtig mit Patrick Reimer und strahlte aufgrund seiner individuellen Klasse und großartigen Übersicht bei vielen Shifts Gefahr aus.
Krupp wollte sehen, wie sich Olver auf internationaler Bühne schlägt - er hat es gesehen. Olver sollte sich fix ins WM-Team gespielt haben. Was insgesamt positiv auffiel: Deutschland besitzt auch im Sturm inzwischen eine Tiefe, die es vor Jahren noch nicht mal im Ansatz hatte. Bezeichnenderweise war es die nominell vierte Reihe um die starken Daniel Pietta und Simon Danner, die das Spiel gegen die Schweiz nach Rückstand drehte und so die Titelverteidigung sicherte.
Pietta gehört zu den Topscorern der DEL, spielt in Krefeld in der Top-Reihe - hat sich aber erst jetzt zum ersten Mal im Nationaltrikot beweisen dürfen. Das sagt einiges über die neu gewonnene Qualität im deutschen Eishockey aus. Krupp muss sich keine Sorgen machen, bei der WM 2011 vier schlagkräftige Linien aufbieten zu können.
Ein Florian Busch in Topform würde dem Team zwar gut zu Gesicht stehen, aber dessen aberwitzige Deutschland-Cup-Absage ("panische Angst" gegen die Anti-Doping-Meldeauflagen zu verstoßen) kann Krupp inzwischen gelassen hinnehmen. Kommt eben ein anderer zum Zug.
Fazit: Es waren 17 unvergessene Tage im Mai. 17 Tage, die mit einem Weltrekord begannen und einer Sensation endeten. 17 Tage, die ganz Eishockey-Deutschland begeisterten. So wird aktuell für die WM-DVD geworben. Deutschlands Halbfinaleinzug, der Fast-Coup gegen das große Russland - die Bilder werden wohl jedem Eishockey-Fan immer in Erinnerung bleiben.
Nun ist die WM aber längst Geschichte und der DEB muss nach vorne schauen. Die Titelverteidigung beim Deutschland Cup war ein erster wichtiger Schritt. Um es ganz klarzustellen: Der Gedanke, dass Deutschland mit dem Sieg beim Deutschland Cup den vierten Platz bei der WM auch nur in irgendeiner Form bestätigt haben könnte, ist völliger Unsinn.
Deutschland traf in München auf eine kanadische DEL-Auswahl, die mit mittelmäßigem Interesse zu Werke ging, auf eine bessere Schweizer Junioren-Mannschaft, und auf die Slowakei, die schon länger nicht mehr die Klasse von früher hat. Ja, der Sieg ist schön und wichtig für die Außenwirkung, aber sportlich heißt er so gut wie nichts.
Bei der WM in der Slowakei trifft Deutschland in der Gruppe auf den Gastgeber, Russland und Slowenien. Es gilt, Slowenien zu schlagen und die Abstiegsrunde zu vermeiden. Sonst nichts. Dennoch kann man mit einem guten Gefühl in die Zukunft blicken. Die Nachwuchsprogramme tragen erste Früchte, die Nationalmannschaft hat ein klares Gesicht.
Allzu große Sorgen, dass man Slowenien nicht schlagen kann, muss man sich deshalb nicht machen. Mit etwas Glück und guter Tagesform ist auch das Viertelfinale möglich. Die Top 8 sind wieder viel näher, als sie es vor einigen Jahren waren. Und diese Erkenntnis ist schon verdammt viel wert.
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