Das Ina-Deter-Prinzip

Haruka Gruber
22. Januar 201315:47
Das jährliche All-Star-Game der BBL fand 2013 in Nürnberg stattImago
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Es ist kein Boom - dennoch holt die BBL zur europäischen Spitze auf. Plötzlich hat die Liga neue Stars und ein Profil. Doch auf dem Weg nach oben droht ein Zerwürfnis mit dem DBB. Am Rande des All-Star-Games in Nürnberg lud BBL-Geschäftsführer Jan Pommer zu einem Hintergrundgespräch.

1. Wie weit ist die BBL bei der "Vision 2020"?

Kein Abrücken, kein Zweifeln: BBL-Commissioner Jan Pommer ist auch zwei Jahre nach dem erstmaligen Verfassen der "Vision 2020" von deren Erfolgsaussicht überzeugt, dass Deutschland zum Ende der Dekade die führende Liga Europas sein wird. Ungeduldige, denen 2020 allzu weit entfernt liegt und die von Pommer schnellere und vor allem messbare Ergebnisse erwarten, entgegnet dieser mit einem Verweis auf die Traumfrau seiner Jugendzeit.

BBL-Geschäftsführer Jan PommerImago

"Ina Deter sang den Song 'Frauen kommen langsam - aber gewaltig'. Genau dieses Motto passt zur BBL", sagt Pommer und proklamiert den Weg des moderaten und doch stetigen Aufschwungs. Dies belegt er mit Zahlen, die zwar nicht euphorisch stimmen, dennoch respektabel sind angesichts der Wirtschaftskrise und dem Stillstand oder Rückschritt anderer europäischer Ligen.

So stagniert zwar die Zuschauerzahl (0,3 Prozent mehr als im Vorjahr), trotzdem erwartet Pommer einen "deutlichen Anstieg" des BBL-Umsatzes (Vorjahr: 77 Millionen Euro). Die Erklärung: "Vereinfacht gesprochen setzen sich die Einnahmen der Liga so zusammen: Ein Drittel sind Spieltagserlöse, zwei Drittel sind Sponsoringerlöse. Durch die vertretbare Erhöhung der Ticketpreise und höheren Sponsoringabschlüssen wächst der Gesamtumsatz", sagt Pommer.

In den nächsten Jahren sei es zudem gewährleistet, dass sich die Zuschauerzahlen positiv entwickeln werden, weil mit Oldenburg und Würzburg zwei weitere Klubs nach dem Ulmer Vorbild eine neue Arena bauen, wodurch das Fassungsvermögen jeweils fast verdoppelt wird (auf jeweils rund 6000 Zuschauer). Pommer: "Und die Bayern werden angesichts ihrer Ambitionen ebenfalls langfristig an eine neue Halle denken, die mehr Menschen fasst."

Damit die Arenen auch gefüllt werden, sei es eine der wichtigsten Aufgaben, vorhandene Marktpotenziale zu erkennen und diese gezielt zu wecken. "Uns ist es noch nicht gelungen, mehr Menschen zu mobilisieren", sagt Pommer und verweist auf eine Umfrage, wonach in Deutschland 12 Millionen Menschen eine grundlegende Affinität für Basketball hätten. Doch nur drei Millionen Menschen bezeichnen sich als stark interessiert. "Diese Schere ist größer als im Fußball, Handball und Eishockey. Daran müssen wir ansetzen."

Um aus der Nische der Experten-Sportart zu einer Liga der Massen zu werden, wären weitere Projekte wie das der FC Bayern für Pommer wünschenswert. Die Gespräche mit anderen Fußball-Bundesligisten wie Schalke und Dortmund waren aber "nur exploratorisch", wie er sagt. "Wir wollten den Verantwortlichen erklären, wie es bei den Bayern funktioniert und wie durch Basketball ein Klub die Marketing-Plattform verlängern kann." Eine weitere Intensivierung der Kontakte ist angesichts der verhaltenen Reaktion aus dem Fußball offenbar nicht geplant.

Bleibt Hamburg als eine der einzigen möglichen Großstädte, in die die BBL expandieren könnte. Der Unternehmer Wolfgang Sahm und Ex-Nationalspieler Pascal Roller planen die Gründung eines Klubs unter dem Arbeitsnamen "Hamburg Towers". "Es ist nicht mehr die Frage, ob Hamburg ein Basketball-Bundesligateam bekommt, sondern nur noch, wann", sagt Roller. Wobei Pommer wesentlich skeptischer klingt: "Wir finden das gut. Allerdings ist die Finanzbeschaffung in einem so dicht besetzten Sportmarkt wie Hamburg eine extrem anspruchsvolle Aufgabe."

1. Wie weit ist die BBL bei der "Vision 2020"?

2. Welche Auswirkungen hat das Financial Fair Play?

3. Wie ist die TV-Situation?

4. Warum droht dem deutschen Basketball ein Zerwürfnis?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

2. Welche Auswirkungen hat das Financial Fair Play?

Die Entwicklung der BBL mag nicht rasant sein - aber im gesamt-europäischen Kontext gewinnt sie an Wertigkeit. Die Budgets der früher so wohlhabenden Ligen in Spanien, Griechenland und Italien sind zwar weiterhin höher, doch die Maßlosigkeit früherer Tage ist ob der Wirtschaftskrise vorbei. Nur Russland und Türkei geben weiter Geld aus, als ob es kein Morgen - oder besser: kein Financial Fair Play -, geben würde.

Zur Verdeutlichung: Der Etat von ZSKA Moskau beträgt 44 Millionen Euro, der von FC Bayern, Bamberg und Berlin jeweils zwischen 8,5 und 7 Millionen Euro. Aber während die deutschen Klubs im Grunde kostendeckend wirtschaften, ist das Gebaren aller europäischen Topklubs geprägt von einer Attitüde des Laissez-faire. So sollen die Einnahmen von Moskau, Real Madrid oder FC Barcelona durch Tickets, TV-Erlöse und klassisches Sponsoring nicht viel höher sein als die eines BBL-Spitzenvereins wie die Bayern. Nur mit dem Unterschied, dass die Etats vier- bis sechsmal so hoch sind.

Dennoch sind bereits jetzt erste Auswirkungen des Financial Fair Plays spürbar, von deren endgültigem Inkrafttreten insbesondere die BBL profitieren dürfte. Nach dem Vorbild der UEFA entwickelte die Euroleague unter dem Vorsitz von Pommer ein Lizensierungsverfahren, welches sich an das der BBL orientiert und woran sich alle Teams spätestens ab der Saison 2015/16 verbindlichen halten müssen.

"Es könnte von Vorteil für die deutschen Klubs sein, weil sie seit Jahren daran gewöhnt sind", sagt Pommer.

Wie wertvoll das solide Haushalten der meisten BBL-Vereine im internationalen Vergleich ist, zeigt sich in dieser Saison: Mit Bostjan Nachbar (Bamberg), Yotam Halperin (Bayern), Ryan Gomes (Artland) oder Allan Ray (Ulm) wechselten ungewöhnlich viele namhafte Spieler nach Deutschland.

Und auch die nackten Ergebnisse sind Zeugen dessen, wie sehr die BBL vor allem zu den mittelstarken Klubs in Europa aufgeholt hat. Gleich fünf Bundesligisten stehen in den Zwischenrunden der drei europäischen Wettbewerbe, darunter mit Bamberg und Berlin sogar zwei Klubs in der Top 16 der Euroleague. Ulm besiegte zuletzt im Eurocup, dem Pendant zur Fußball-Europa-League, die stark besetzten Russen von Unics Kazan. "Von solchen Ergebnissen haben wir vor fünf Jahren geträumt. Das ist das beste Zwischenergebnis aller Zeiten", sagt Pommer.

1. Wie weit ist die BBL bei der "Vision 2020"?

2. Welche Auswirkungen hat das Financial Fair Play?

3. Wie ist die TV-Situation?

4. Warum droht dem deutschen Basketball ein Zerwürfnis?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

3 . Wie ist die TV-Situation?

Bei allen Erfreulichkeit: Die BBL ist kein Hort des fortwährenden Erfolgs. Neben dem Dauerthema Gießen, das durch dreimaliger Vergabe von Wild Cards sich in der Bundesliga hielt und jetzt dennoch vor dem Konkurs steht, ist die TV-Situation das größte Übel. Während die Fußball-Bundesliga mit dem neuen Fernsehvertrag 2,5 Milliarden Euro in fünf Jahren verdient, muss sich die BBL fast schon glücklich schätzen, überhaupt Präsenz im Free-TV zu bekommen.

Ein kräftiger Wachstum der Liga ist allerdings nur denkbar, wenn sich mittelfristig neben dem Sponsoring und Ticketing auch aus dem Rechteverkauf Erlöse erzielen lassen. Nur: In dieser Saison schauen 130.000 Menschen im Schnitt ein BBL-Live-Spiel. Eine für die Werbeindustrie fast irrelevante Größe - aber immerhin: Zum Vorjahr stieg das Interesse um rund 25 Prozent. Zumal die generelle Quote vom BBL-Sender "Sport1" im Absinken begriffen ist und die anderen Sportarten des Senders wie die Handball-Bundesliga mit schwachen Marktanteilen zu kämpfen haben.

Trotzdem sind auf Dauer 130.000 Menschen zu wenig für die BBL - und deren wichtigsten Protagonisten, dem FC Bayern. SPOX

Es ist bekannt, dass Präsident Uli Hoeneß verärgert war von der Art und Weise, wie "kabel eins" nach nur einem Spiel (!) wegen zu geringer Quoten die Bayern-Spiele ins Internet abschob. Es passe eben nicht zum Selbstverständnis eines Weltvereins, im TV nur noch bei "Sport1" stattzufinden.

Entsprechend offen äußerte sich Pommer über einen möglichen Senderwechsel 2014, wenn der Zweijahres-Vertrag mit "Sport1" endet. "Die Frage stellt sich im Herbst 2013", sagt Pommer und brachte selbst neben "SKY" die Option "ServusTV" ins Gespräch. Der österreichische Privat-Sender von Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz, in Deutschland ebenfalls empfangbar, kaufte zuletzt die Rechte an der DEL. Pommer: "Sie geben richtig Geld aus. Die Eishockey-Übertragungen von Servus TV sind exzellent. Klar ist, dass der Basketball wie Red Bull für Adrenalin steht."

1. Wie weit ist die BBL bei der "Vision 2020"?

2. Welche Auswirkungen hat das Financial Fair Play?

3. Wie ist die TV-Situation?

4. Warum droht dem deutschen Basketball ein Zerwürfnis?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

4. Warum droht dem deutschen Basketball ein Zerwürfnis?

Eine Entfremdung in weniger als drei Monaten: Im Bestreben, die BBL zu stärken, geht Pommer deutlich auf Distanz zum DBB und deren Präsidenten Ingo Weiss. Anstoß nimmt sich der Liga-Geschäftsführer an der im November vom Weltverband FIBA verabschiedeten Reform, wonach ab 2017 wie im Fußball Länderspiele während einer laufenden Saison gespielt werden. Bis heute ist im Basketball der Terminkalender zweigeteilt: Die Zeit von Oktober bis Mai/Juni gehört den Klubs, der Spätsommer/Frühherbst gehört den nationalen Verbänden wie dem DBB.

Um den Verbänden und sich selbst ganzjährlich Erlöse durch TV-Rechteverkäufe und Ticketing zu ermöglichen, will die FIBA nun in die Souveränität des Klub-Basketballs eingreifen und beansprucht zwischen Oktober und Mai/Juni Zeitffester für Länderspiele. Und das mit der expliziten Zustimmung des DBB-Präsidenten, der eigens eine Pressemitteilung formulieren ließ mit der Überschrift: "Weiss begrüßt Änderungen im FIBA-Kalender."

Ein Vorgang, der Pommer höchst verärgert: "Wir haben eine Konfliktlinie mit einer enormen Relevanz. Die FIBA-Reform ist so, als ob sie uns die Haustür eintreten. Ich bin fassungslos. Wir, die Klubs, tragen immer noch das wirtschaftliche Risiko und sollen jetzt das ganze Jahr die Spieler kostenfrei abstellen, damit die Verbände eigenes Geld scheffeln können?"

In Richtung DBB und Weiss gibt er eine deutliche Warnung mit: "Wir müssen überlegen, was das für unsere Vereinbarung mit dem Verband bedeutet. Herr Weiss und ich sind uns einig, dass wir uns gar nicht einig sind." Selbst das Extremszenario benannte Pommer: "Zur Not weigern wir uns, die deutschen Nationalspieler abzustellen, wenn die Saison läuft. Dann kann der DBB schauen, wo er bleibt."

1. Wie weit ist die BBL bei der "Vision 2020"?

2. Welche Auswirkungen hat das Financial Fair Play?

3. Wie ist die TV-Situation?

4. Warum droht dem deutschen Basketball ein Zerwürfnis?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?

Pommers Ankündigung, im Worst Case den deutschen Nationalspielern die Freigabe für Länderspiele während einer Saison zu verweigern, dient wohl mehr der Abschreckung als dass es tatsächlich ein realistisches Szenario ist. Der BBL-Geschäftsführer weiß selbst nur zu gut, wie wertvoll die Nationalmannschaft ist, um deutsche Gesichter zu inszenieren - wovon wiederum die Liga profitiert. Ein Heiko Schaffartzik wurde nicht wegen den Auftritten in Berlin, sondern als Leistungsträger des DBB-Teams zum beliebtesten Spieler der BBL.

Daher sagt Pommer: "Ich kann im Grundsatz verstehen, dass dem DBB die Präsenz im Spätsommer/Frühherbst zu punktuell ist. Und dass sie die deutschen Jungs ganzjährig promoten wollen. Das wollen wir auch. Wir wollen nur nicht, dass uns etwas vorgesetzt wird." Vermutlich wird sich auf ein Kompromiss geeinigt, wonach statt wie von der FIBA geplant drei sondern ein oder zwei Zeitfenster für Länderspiele geschaffen werden.

"Wir von der BBL unterstützen doch die Nationalmannschaft. Wir finden das großartig, deswegen stellen wir in unserer Kommunkation ebenfalls Spieler wie Heiko, Per Günther oder Daniel Theis in den Vordergrund", sagt Pommer. Entsprechend arbeiten die BBL und der DBB gemeinschaftlich an der deutschen Talenteförderung und teilen sich die Aufwendungen für die erfolgreich arbeitenden Jugend-Bundesligen NBBL sowie JBBL. Dazu gewann man nach "kinder" (kinder+Sport basketball Academy) mit "Allianz" den zweiten namhaften Sponsor für den Nachwuchsbereich.

Ein Gesamtkonstrukt, dass offensichtlich funktioniert: Im Vergleich zum Vorjahr prägt nicht nur Schaffartzik die BBL.

Per Günther besitzt den Charme und die sportliche Qualität eines Stars, Lucca Staiger und Philipp Schwethelm zeigen sich in neuer Umgebung stark verbessert, Robin Benzing erinnet unter dem neuen Bayern-Trainer Svetislav Pesic wieder an das Super-Talent vergangener Tage, Maik Zirbes beerbte Tibor Pleiß in Bamberg und behauptet sich in der Euroleague, Dennis Schröder gehört zu den begnadetesten Point Guards in Europa. Alles deutsche Gesichter, die der BBL ein Profil geben.

1. Wie weit ist die BBL bei der "Vision 2020"?

2. Welche Auswirkungen hat das Financial Fair Play?

3. Wie ist die TV-Situation?

4. Warum droht dem deutschen Basketball ein Zerwürfnis?

5. Welchen Impuls geben die deutschen Talente?