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Blogpokal 2009 / 10


Gründer: FabianPramel | Mitglieder: 59 | Beiträge: 13
22.10.2009 um 13:10 Uhr
Geschrieben von Voegi
Brunos Schrecksekunde
Endlich! Endlich greife ich wieder ins Blogduell-Geschehen ein und darf mich mit dem geschätzten Kollegen GeweihtenCoorp messen. Natürlich wird jetzt die Frage aufkommen, weshalb wir uns nicht des ultimativen Klassikers zwischen Fohlen und Geißböcken annehmen. Nun, keiner von uns beiden hätte es über sein rheinisches Herz gebracht, in diesen kritischen Zeiten – die heimatlichen Wurzeln leugnend – gegen den FC zu bloggen und eine Niederlage im prestigeträchtigen Derby zu prognostizieren. Vielleicht lag es auch daran, dass wir beide uns scheuten, sich mit einem Borussen-Blog gegen die schier unüberschaubare Zahl eingefleischter FC-Fans zu stellen. Mit der Wahrheit ist es eben doch wie bei Berti Vogts: Man schaut schon gern mal drüber weg.

So steht nun das absolute Spitzenspiel des 10. Spieltags zwischen Königsblau und Raute auf dem Programm. Mir fällt dabei die zweifellos leichtere Aufgabe zu, zu erklären, weshalb der HSV als Sieger aus diesem heißen Duell hervorgehen wird. Dabei erwartet man von mir wohl jetzt, dass ich meinen Gegner mit fiesen Verbalinjurien durchbashe, um dann eine wissenschaftlich unangreifbare Begründung des HSV-Siegs abzugeben. Doch daraus wird nichts. Nur zu gern würde ich Euch nach einem Blick in meine selbstgeblasene Glaskugel verraten, was sich am Sonntag auf Schalke zutragen wird. Allein ich kann es nicht. Ich bin kein Udo Lattek, der als selbstdefinierter Parameter einer komplexen Fußballmatrix jede Unbekannte zu errechnen vermag. Mal ehrlich: Fußball ist – außer für Udo Lattek – nicht kalkulierbar. Irgendwas kommt immer dazwischen und macht einem einen Strich durch die Rechnung. Eben das alte Phänomen, über das man Romane schreiben könnte. Und genau das habe ich getan. Einen Roman geschrieben. Einen kurzen zwar, aber immerhin:



Brunos Schrecksekunde

Schweißperlen durchzogen seine faltengequälte Stirn. Das grimmige Gesicht kündete von der niederschmetternden Wucht des unmittelbar bevorstehenden Unheils. Seit einer halben Stunde stand er nun da: Regungslos, die Fäuste geballt, den Unterkiefer fest auf die makellose obere Zahnreihe gepresst, erbrachte allein das ständige Reiben seiner Handflächen über die trockener werden Lippen den Beweis seines Fortlebens. Bruno war nervös. Er wusste, wie wichtig ein Sieg an diesem Nachmittag sein würde. Umso dankbarer war er, dass es seinen Jungs gelungen war, den frühen Rückstand auszugleichen.

Ja, es waren seine Jungs. Bruno, den seit je her die Aura eines Herbergsvaters umgab, machte aus seinem Beschützerinstinkt keinen Hehl. Umso mehr traf es ihn, als seine Jungs gleich nach drei Minuten einen Gegentreffer hinnehmen mussten. Einen harmlosen Westermann-Schuss fälschte sein Jerome so unglücklich ab, dass sein Frank dem mit der Behäbigkeit eines abperlenden Wassertropfens ins Tor kullernden Ball nur hinterher schauen konnte. Doch seine Jungs bewiesen Moral. Ganz so, wie es ihnen Bruno Tag für Tag mit der Eindringlichkeit eines wertebeschwörenden Priesters einzuimpfen versucht hatte . Und sie wurden in ihrem leidenschaftlichen Bemühen um Anerkennung belohnt. Eine Minute vor der Pause wuchtete Joris einen Kopfball in die Maschen. Sein Joris! Und als sein Zé nur kurze Zeit nach Wiederanpfiff den Ball aus 40 Metern am zu weit herausgeeilten Schalke-Torhüter vorbei ins Netz schlenzte, atmete Bruno ein wenig durch. Hoffnung keimte in ihm auf. Doch dann musste sein David den Platz verlassen. Schwalbe. Gelb-Rot! Bruno wollte es nicht wahrhaben. Seine Jungs ließen sich nicht fallen. Das war sicher. Bruno war entrüstet ob der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit, die ihn traf wie ein stählerner Hammer den schutzlosen Amboss. Eine Träne der Wut formte sich zu einem Tropfen der Bitterkeit. Bruno wischte ihn weg. Er durfte sich jetzt keine Schwäche erlauben. Doch die Empörung entschwand und machte einer kindlichen Vorfreude Platz. Wie die Minuten verrannen, so stieg die Zuversicht in Bruno, dass es reichen würde. Ja, alles sah so gut aus. Bis jetzt, nur noch wenige Sekunden, ehe der Unparteiische die Pfeife zum Munde führen würde, um zum finalen Pfiff zu blasen. Bis zu diesem unheilsamen Moment, in dem all die Mühen der Woche mit einem Schlag der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Warum auch konnte sein Frank den Ball nicht in hohem Bogen in die weite Ferne schießen? Wieso musste er ihn in seiner sächsischen Betulichkeit abwerfen und dem Gegenspieler wie einer Katze das Schälchen vor die Füße legen? Er würde den Ball ganz locker im Netz versenken. Daran gab es keinen Zweifel. Der Sieg würde ihnen buchstäblich in letzter Sekunde aus den Händen gerissen.

Bruno spürte, wie sich eine weitere Träne den Weg die Wange hinab bahnte. Diesmal wollte er sie laufen lassen. So sehr hatte er sich den Erfolg an diesem Tag gewünscht. Es wäre ein Meilenstein auf seinem ganz persönlichen Triumphzug gewesen. Wie sehr war er es leid, von aller Welt als Blender und Schönling verspottet zu werden. All diese schmierigen Scherze von wegen hochsterilisierter Problembär und Laber-Bier. Er war es alles so unendlich leid. Er wollte es allen beweisen – mit seinem ersten Meistertitel. Und dafür brauchte er dringend diesen Sieg, der ihm in der Winzigkeit eines Augenaufschlags entrissen werden würde. Bruno griff sich durch den feinfrisierten Schopf und schaute angewidert zu seinem Kollegen Felix, der sich, die Arme in die Luft reckend, aufmachte, den unerwarteten Treffer mit einem leichten Satz in die Höhe zu feiern. Doch plötzlich geschah es. Es war, als würden die im Stromsparmodus arbeitenden Synapsen für den Hauch eines Augenblicks ihre volle Funktionstätigkeit erreichen. Es machte Klick und Bruno schrie mit archimedischer Überzeugung sein persönliches Heureka hinaus: „Kuranyi!" Bruno erkannte den schweren Irrtum, dem er zuvor unterlegen war. Der Abwurf landete doch beim Schalker Scheinstürmer, der sein Oktober-Quoten-Tor schon vorige Woche erzielt hatte. Und wenn eines in der Welt sicher war, dann, dass er diese Vorlage nie und nimmer verwandeln würde. Mit juchzender Begierde wandte Bruno seinen Blick wieder dem Geschehen zu und sah mit an, was er längst schon wusste: Kuranyi hatte den missglückten Abwurf aufgenommen, den Ball einige Meter zum Tor herangeführt und setzte nun zum entscheidenden Abschluss an. Er holte aus, fokussierte die gesamte Energie der ihm verbliebenen Geisteskraft auf den Ball, zog ab und… säbelte mit E-jugendlicher Zielgenauigkeit mehrere Zentimeter am Ball vorbei. Frank nahm den Ball in einer Mischung aus Schadenfreunde und Mitleid auf und schlug ihn nun mit aller Gewalt weit in die gegnerische Hälfte, von wo er nicht mehr zu ihm zurückgelangte. Der Schiedsrichter beendete das Spiel mit einem herzhaften Pfiff. Der HSV gewann 2:1. Bruno verspürte auf seiner Wange erneut das klebrige Jucken einer Träne. Einer Träne der Freude. Freude über seine Jungs.
Aufrufe: 6650 | Kommentare: 108 | Bewertungen: 64 | Erstellt:22.10.2009
ø 7.6
KOMMENTARE
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Achmed_t_d_T
22.10.2009 | 14:05 Uhr
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22.10.2009 | 14:05 Uhr
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Starkes Ding.
Gefällt mir sehr gut.
Tolle Idee und gute Umsetzung.
Gibt von mir die vollen 10 Punkte.
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Colt
22.10.2009 | 14:01 Uhr
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Colt : 
22.10.2009 | 14:01 Uhr
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Colt : 
wie bereits unter dem Blog von Geweihtencoorps geschrieben, geht der Sieg an dich...10 zu 9, knapp aber verdient!

Sehr schön geschrieben und das KK die Chance vergibt war jedem klar
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Büchsenmacher
22.10.2009 | 13:43 Uhr
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Büchsenmacher : Wundervoll
22.10.2009 | 13:43 Uhr
-1
Büchsenmacher : Wundervoll
Das mag ich . Ohne Frage der beste Blog
im BP (nach meinem natürlich ) bisher.
Eine glatte 10 . Und eine Träne für
GC der auch einen schönen Blog geschrieben
hat .
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gartenzwerg
22.10.2009 | 13:41 Uhr
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22.10.2009 | 13:41 Uhr
-1
Nachtrag
10:8 für Dich geht das Ganze aus.....
Da Du den deutlich originelleren Blog geschrieben hast:
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midget
22.10.2009 | 13:31 Uhr
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midget : 
22.10.2009 | 13:31 Uhr
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midget : 
tja.
das ist halt der voegi. gute idee, wie immer ganz toll geschrieben.
mal weit weg vom üblichen. alleine die umsetzung kickt mich jetzt nicht so vollends. das mag auch daran liegen dass ich keine romane lese, die so sanft bürgerlich daherkommen. also so "schätzing" oder " dan brown" -mäßig.
bin mehr der, der es hardcore mag und von daher gebe ich dir "nur" 9 punkte.
für mich bist du aber dennoch der sieger dieses duells, weil du den mut hattest mal etwas anderes hier zu machen und weil mir der blog von GC nicht ganz so gut gefällt wie dieser hier.
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gartenzwerg
22.10.2009 | 13:23 Uhr
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0
22.10.2009 | 13:23 Uhr
0
Da hat es der Rost doch geschafft, den Ball zum einzig sicheren
Ort der Arena zu spielen.....
Großartig Voegi....
Nachdem Ze die Führung erzielt hat, wartet man nur noch
darauf wie KK das Ding versemmelt....
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Voegi
MODERATOR
22.10.2009 | 13:10 Uhr
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Voegi : 
22.10.2009 | 13:10 Uhr
0
Voegi : 
Geweihtencoorps Gegenblog findet Ihr hier .
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