Zunächst einmal: Ja ich bin Werder-Fan. Und ja, auch nachdem ich gestern Abend dann doch noch ein paar Stunden schlafen konnte, schreibe ich diesen Text aus einer gewissen Emotionalität heraus. Es ist also davon auszugehen, dass die folgenden Worte nicht ganz als journalistisch objektiv eingestuft werden können sollen sie auch gar nicht.

Viel wird heute nach der Schwalbe von Arturo Vidal über Moral im Fußball gesprochen. In diversen Internetforen ist vom Bayern-Bonus die Rede (den Forscher der Frankfurt School of Business jetzt offenbar empirisch belegt haben), wieder andere nennen es Cleverness. Für mich persönlich ist das, was Vidal gestern gemacht hat, stellvertretend für vieles was im (Profi-) Fußball ganz falsch läuft. `"Erst der Pokal dann die Moral" titelt heute Sport1. Und genau das ist der Punkt. Die Schwalbe von Vidal reiht sich ein in eine lange Liste von Zeitschindereien, Vortäuschen von Verletzungen um den Spielfluss zu unterbrechen, Belagerungen von Schiedsrichtern bei fast allen Entscheidungen, noch mehr Schwalben, und und und.

Neben Aktionen, bei denen Gegenspieler verletzt werden können, sind es für mich diese unsportlichen Szenen, die einem den Spaß am Zusehen verderben. Wer sagt, dass Vidal seine Chance in der Situation clever genutzt hat, hat diesen Sport nicht verstanden. Allen, die jetzt argumentieren, dass der Profi-Fußball doch längst reines Geschäft und kein Sport mehr ist, sei gesagt: auch im Geschäftsleben ist es nicht erlaubt zu betrügen (auch wenn es mit der Moral dort wohl noch schwieriger ist). Und wer behauptet, dass die Schwalbe ohnehin unwichtig war, weil Bayern auch so gewonnen hätte, sollte zumindest anerkennen, dass Werder in der Phase des Spiels mindestens gleichwertig war, und, dass Vidal einen bis dahin spannenden und richtig guten Fußballabend kaputt gemacht hat. Dass es auch anders geht, hat Aaron Hunt vor zwei Jahren gegen Nürnberg gezeigt. Das war zwar kein Pokalhalbfinale, aber es ging um nicht weniger als Werders Verbleib in der Bundesliga.

Versteht mich nicht falsch, mir ist durchaus bewusst, dass Werder in diesem Jahr so weit vom Fairplay-Preis weg ist, wie von der Champions-League-Qualifikation. Es ist für mich aber völlig unverständlich, dass der DFB bei derartigen Szenen nicht nachträglich ermittelt Tatsachenentscheidung hin oder her. Das entspricht wohl dem aktuellen Regelwerk, ist aber nicht nachzuvollziehen wenn man bedenkt, dass in jüngster Vergangenheit gleich drei Bremer Spieler (Fritz, Junuzovic, Djilobodji) nachträglich für Aktionen bestraft wurden, die weder entscheidenden Einfluss auf das Spiel genommen, noch irgendjemandem weh getan haben.

Ich wünsche mir an dieser Stelle ein Umdenken im Fußball. Ich wünsche mir, dass dieses unsportliche Verhalten auch nachträglich so hart bestraft wird, dass es sehr bald nicht mehr vorkommt. Zum Beispiel durch Rote Karten, Sperren und Geldstrafen. Und ich wünsche mir eine Fanszene wie in England, die diesen Spielern ganz deutlich vermittelt, dass ihr Verhalten nicht zu akzeptieren ist. Ich hätte mir gewünscht, dass Arturo Vidal mindestens das Pokalfinale nicht spielen darf. Aber vielleicht bin ich auch nur zu sehr Fußballromantiker, der nicht wahrhaben will, dass sein Lieblingssport genau das nicht mehr ist. Und vielleicht helfen mir diese Zeilen auch nur, meinen immer noch tief sitzenden Frust zu bewältigen dann wären sie immerhin nicht ganz umsonst.