Ein Tag im August. Um halb acht bin ich verabredet mit Andy. Zwei Stunden Anfahrt bedeuteten für mich früh aufstehen. Ich bin müde, rolle über die Autobahn und kämpfe mit Kaffee gegen den Morgen. Ich erreiche das Autobahnkreuz Koblenz. Auf der A48 geht es weiter und plötzlich bin ich hellwach. Das hügelige, dicht bewaldete Eifelland lächelt mir entgegen. Die Autobahn windet sich durchs Relief und Adrenalin fordert meine Glieder zu Ungehorsam auf. Kurz runter in den Vierten und einen Sprint auf 220km/h...das wäre schön. Nein, Tempolimit 120km/h, nichts riskieren. Ich erreiche die B258 und vor mir taucht die neue Nürburgring Erlebniswelt auf. Mein Herz hüpft. Ich habe meine Liebe erreicht. Kurz auftanken und dann fahre ich auf den Parkplatz. Andy wartet schon. Es ist viertel vor acht.
Wir gehen zusammen in den Laden und kaufen Fünfertickets. Nach einem weiteren Kaffee gehen wir zu den Autos. Einsteigen und genießen. Ich wechsle die Schuhe, ziehe den Helm an und stülpe mir meine Handschuhe über. Liebevoll umfasse ich das Leder und das kleine Pferdchen auf goldenem Untergrund lächelt mich an. Ich lege den Gurt an und drehe den Zündschlüssel um. 415 Pferdchen brabbeln sanft und machen sich bereit los zu galoppieren. Die Drehzahlanzeige wirkt nervös. Ich lasse sie kurz ausschlagen. Licht an. Langsam folge ich dem weißen M3 Richtung Einfahrt. Die Schranke geht hoch und ich zirkle mein Baby behutsam um die Pylonen.

Die Nordschleife. Tief einatmen und die Endorphine entfalten ihre Wirkung. Ehrfurcht. Freude. Angst. Motivation. Spaß.

Mein rechter Fuß drückt das Pedal bis zum Anschlag. 5000, 6000, 7000 shift! 3000, 4000, 5000, 6000, 7000 und shift! Der große Zeiger in der mittleren Anzeige schnellt von links nach rechts. Es ist nebelig heute. Unter der Antoniusbrücke fliege ich mit 160km/h hindurch. Andy ist schon unten im Tiergarten. Vorsichtig bremse ich in die Hohenrain-Schikane. Die Stahlbremsen quitschen leise, während sie langsam auf Betriebstempertur kommen. Ich biege rechts ab, heute gibt's nur die Schleife, keinen GP-Kurs. Ich spurte hinunter zur Hatzenbach. Dritter Gang, vierter Gang dann vor der Rechts voll in die Eisen. Mit über 200km/h schafft man die Hocheichen-Kurve nicht mit dem Serienmodell. Im folgenden Linksknick innen bleiben und dann nach außen tragen lassen. Fünfter Gang, 200km/h, dann hart bremsen für die Links-Rechts-Schikane. In der Bremsphase auf die Bodenwelle achten und sauber ohne Randstein durch das Geschlängel. Vor der letzten Hatzenbach-Links lange warten mit dem Einlenken, die Kurve fällt nach innen ab, aber den Curb zu nehmen kostet Zeit. Vollgas. Die sechs Zylinder schöpfen die 3,6 Liter Hubraum aus und katapultieren mich in die Senke vor dem Flugplatz. Die Kompression presst mich in meine Sitzschale und verlangt mir einiges ab. Unglaublich! An der Qiddelbacher Höhe muss das Auto gerade stehen. Bremsen, rechts und dann Vollgas! Fünfter Gang, sechster Gang, runter zum Schwedenkreuz. Andy ist schon außer Sichtweite. Ich blicke auf den Tacho: 278km/h. Schöner Topspeed, aber früher bremsen, die Reifen sind noch nicht warm. Kurz vor der Kurve kommt dann dieser fiese Hubbel, der im Renntempo brenzlig ist. Beim 5-Km-Schild lenke ich ein und steige wieder behutsam aufs Gas damit das Auto auf Zug bleibt und nicht das ganze Gewicht auf der Vorderachse liegt. Innenbleiben und links platzieren für Aremberg. Bei der Ausfahrt trägt es mich weit, bis auf die Randsteine raus. Langsam nähere ich mich dem Limit. Fuchsröhre, mein Lieblingsabschnitt. Mit Vollgas jage ich durch die Gänge und rein in die Kompression hoch zum Adenauer Forst. Kurz anbremsen, runter in den fünften und hart links einlenken.
Im Adenauer Forst gibt es zwei Linien: die für Profis und die für Touristen. Die Schikane fährt man mittig an, das ist am schnellsten. Nach der Rechts das Auto schnell wieder positionieren für die starke Bremsphase. Ich bleibe links am Kerb steuere dann aber auf die Leitplanke zu und hole weit aus für die enge Links. Hier kann man nicht überholen. Ich beschleunige heraus und bleibe links. Dort ist am meisten Grip. Wo ist eigentlich Andy? Das kann ich mir nicht bieten lassen!
Ich bleibe links und bremse hart für die Metzgesfeld-Links, runter in den dritten. Beim beschleunigen bin ich ein bisschen zu früh, das Heck wird leicht und ich stehe quer. Leichte Korrektur und runter zur Kallenhard. Den Scheitelpunkt erwischen, dann weit raustragen lassen über den Kerb. Dann durch die Links-Rechts. Ich bleibe auf dem Gas stehen, das Auto zickt aber ich bleibe der Herr. Die ewige Rechts mit drei Scheitelpunkten geht nur mit einem Wechselspiel aus bremsen, lupfen, gasen! Mit knapp 200 fliege ich durch den Leitplankentunnel der Wehrseifen-Kehre entgegen. Im zweiten Gang geht's bis 70km/h runter. Vorsichtig beschleunige ich heraus, schalte schon früh in den Dritten, dann geht der Rechtsknick fast voll. Vorbei am Campingplatz Breitscheid der Brücke entgegen. Hier ist bei den Rennen immer viel los neben der Strecke. Eine der stimmungsvollsten Stellen um Rennen zu verfolgen. Aber die Mauer ist hart, das durfte ich schon erfahren. Also Konzentration beim bremsen! Wehrseifen ist an diesem Tag in einen lieblichen Nebel gehüllt. Blind geht es dann Ex-Mühle hoch. Hier kann man nicht genug Traktion haben. Vor der Lauda Links kurz lupfen und Ausgang Bergwerk früh aufs Gas. Hier kann man viel Zeit verlieren für den folgenen Vollgasabschnitt. Der Abschnitt Kesselchen kommt einem an manchen Tagen unendlich vor.



Fünfter Gang, der Tacho zeigt 250km/h. Vor mir taucht die Angstkurve auf. Name ist Programm. Voll am Limit fahre ich mit gut 200 durch den Linksknick. Quitschende Reifen machen mich auf die Haftgrenzen aufmerksam. Klostertal geht fast voll und vor der Steilstreckenkurve packen meine Bremsen voll zu. Ich bin heiß, mir ist heiß, das Auto ist heiß. Hoch zum Karussell. Ich bremse auf circa 85km/h ab, bleibe lange oben und lasse mich dann behutsam in die Steilkurve fallen. Ich halte das Lenkrad ganz fest, die Betonplatten schütteln mich durch. Ich lasse das Auto mit ziemlich genau 90km/h durch die Kurve rollen und gebe erst Gas, wenn die Strecke wieder flach wird. Am Posten 147 sehe ich gerade noch den weißen M3 verschwinden und denke mir: "Aufgeholt! Jetzt hole ich dich!".


Die Aufholjagd