Edition: Suche...
Freunde
Gruppen
Videos
Favoriten
Von: der_10er
30.06.2013 | 21714 Aufrufe | 12 Kommentare | 14 Bewertungen Ø 6.1
Das Transfer-Novum des Robert Lewandowski:
Die Lose-Lose-Lose-Situation
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte nicht zwangsläufig. Ein Resümee der Egoismen und Eitelkeiten.

Welch grandioses Bühnenstück! Selten fühlte ich mich derart betroffen und unterhalten zugleich, kaum je sah ich Figuren, die derart authentisch und inbrünstig eine mitreißend-lebensnahe Krisis ausfechten. Hier stimmt wirklich alles: das Setting reich an Kontrasten, zwischen Ruhrpottmoloch und Neuschwanstein, der Spannungsbogen nervenzehrend, die verwickelten Intrigen undurchschaubar. Das, meine Damen und Herren, ist der Stoff, aus dem Telenovelas sind! Ich sehe die Bildschirmadaption schon vor mir und höre bereits im Vorspann den Sprecher mit aufgewühlter Rauchstimme und legitimen Pathos künden: Basierend auf realen Ereignissen. Nachahmung nicht empfohlen.


Nein, mal im Ernst. Es verging ja zuletzt kaum ein Tag im sonnigen Fußballdeutschland ohne frische Schlagzeilen und Scharmützel von der westfälisch-bajuwarischen Front, an der forthin um die Gunst des polnischen Kronprinzen gerungen wird. Vieles ward geschrieben in den hiesigen Gazetten und Klatschspalten über das eigentümliche Gebaren des Robert Lewandowski. Und vielerorts munkelte man schon, er sei nur die Strohpuppe eines ominösen, machtbesessenen Schemen, dem sogenannten Berater, der hinter dem Vorhang zu jedem Winkelzug fähig scheint. Was in dieser verworrenen Schlammschlacht tatsächlich der Wahrheit entspricht, was Gehalt besitzt und was nicht, ist von außen nur schwer zu beurteilen. Doch worum es bei diesem Ränkespiel im Kern geht, ist für jedermann nur zu offensichtlich: Geld, Ruhm und Macht - die goldene Trias der Unvernunft, wie so oft.


Was dabei aber womöglich auf der Strecke bleibt, scheint für die Beteiligten, immerhin seriös geführte Champions League-Finalisten und ein Weltstar mit Idolfunktion, vollkommen uninteressant. Man kann vielleicht aus Erfahrung konstatieren, dass ein solcher Premium-Transfer nicht ohne pedantisch-zähe Verhandlungen und gewisse Verstimmungen bei der einen oder anderen Partei vonstattengeht. Aber dass sich hochdekorierte Funktionäre beiderseits öffentlich diskreditieren, dass die Reputation ganzer Berufsstände - sowohl die des Fußballprofis als auch die des Spielerberaters - in Mitleidenschaft gezogen wird, dass dabei ganze Vereinsphilosophien, und alle Gebote des Anstands sowieso, mit Füßen getreten werden, das ist neu und herzlich ungeschickt. Doch leiden darunter nicht nur Ansehen und Glaubwürdigkeit der Streitenden, sondern früher oder später auch jene Komponente, um die es ursprünglich gehen sollte: der sportliche Erfolg. Letzten Endes, so prognostiziere ich frei heraus, werden sich alle Akteure dieses affektierten Dramas nur gegenseitig schaden, weswegen ich rechtzeitig dafür plädieren möchte, ein entsprechendes Analogon zur oft beschrienen Win-Win-Situation zu schaffen. Dass es dabei durchaus mehr als zwei Verlierer geben kann, sei nachfolgend kurz aufgezeigt.


Loser #1: Borussia Dortmund


Dem augenscheinlichste Verlierer gebührt an dieser Stelle natürlich die Pole Position. Für die Borussia aus Dortmund stellt sich das Szenario - egal wie man sich auch ferner verhalten mag - alles andere als rosig dar. Entweder lässt man einen der besten Stürmer des Kontinents zum direkten Langzeitkonkurrenten ziehen und erhält dafür eine Ablösesumme, die bei einem Jahr Restvertrag und gemessen an den Summen, die von betuchten Mäzenen europaweit verschleudert werden, gelinde gesagt als dürftig bezeichnet werden kann. Gleichwertigen Ersatz wird man für die paar Groschen jedenfalls nicht auftreiben können und die erhoffte Planungssicherheit bleibt mittlerweile auch aus. Oder, wie zuletzt von oberster Stelle bevorzugt und unterstrichen wurde, man verzichtet auf weitere revitalisierende Millionen, pocht auf bestehende Verträge und muss sich dann eine Spielzeit lang mit einem mürrischen Lewandowski herumschlagen, der zumindest nicht den Eindruck macht, als ließe er sich zeitnah das BVB-Emblem auf den Hinterkopf tätowieren. Und am Ende zieht er trotzdem von dannen und so wird die unvermeidliche Kräfteverschiebung nur verzögert, nicht verhindert.

Davon abgesehen, haben sich die Dortmunder Offiziellen bereits derart in widersprüchliche bis vulgäre Aussagen zu dieser Causa verstrickt, dass ein diplomatisches Einvernehmen mit Spieler, Berater und den Bayern nicht mehr realistisch erscheint. Man hat sich, was die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit anbelangt, ganz wunderbar blamiert und das über Jahre errichtete Image vom geläuterten, demütigen Rekonvaleszenten empfindlich gestört. Ob es das wert ist?


Loser #2: Robert Lewandowski (mitsamt seiner Berater)


Spinnen wir das Gedankenspiel noch etwas weiter. Lewandowski selbst darf - Stand jetzt - nicht in dieser Transferperiode zu seinem Traumverein wechseln, was ihm gewiss bitter aufstoßen wird. Wie verhält er sich nun in dieser Situation? Professionell, indem er seinen Vertrag pflichtbewusst erfüllt und den BVB versöhnlich und mit bestem Gewissen 2014 verlässt? Nun, gibt es jemanden, der nach den charakterlichen Offenbarungen der letzten Wochen noch daran glaubt? Schließlich setzt er mit Hilfe seiner Berater alles daran, den Wechsel sofort zu erzwingen und kann scheinbar nur schlecht mit Abweisung umgehen. Da erscheint mir selbst komplette Arbeitsverweigerung, einhergehend mit Disziplinarverfahren und Albert-Streit-Gedenkplatz auf der Tribüne, weitaus wahrscheinlicher. Das wiederum, sollte er sich zuvor gut überlegen, denn jedwede Motivationskrise auf diesem sportlichen Niveau wirkt sich bekanntermaßen sehr kontraproduktiv auf die Performance von Spieler und Team aus. So gefestigt, wie Lewandowski vielleicht glaubt, ist seine Position in der Eliteriege allerdings noch lange nicht und eine Saison mit mittelprächtiger Quote und Boulevardgezeter kann er sich freilich nicht leisten, ohne beträchtlich an Marktwert und Begehrlichkeiten einzubüßen. Bliebe also nur noch der prompte Wechsel ins Ausland, den er sich natürlich auch hübsch vergolden lassen könnte. Doch bekäme er dann seinen Willen nicht, den er bisher so stur inszeniert, und schürte zudem nur größere Zweifel an seiner Integrität, wenn er besagten Traumverein nach allem Vorgeplänkel und ohne moralische Regung versetzen würde. Wie schnell einem Fußballprofi eine gewisse Söldnermentalität attestiert wird, bezeugen zahlreich abgestürzte Karrieren bereits hinreichend.


Loser #3: Bayern München


Doch damit nicht genug. Eigentlich müsste man meinen, die Bayern könnten sich entspannt zurücklehnen und das ganze Spektakel vom hoheitlichen Diwan aus still observieren, bis es denn irgendwann nach dem Sommerloch verpufft - ihre Verhandlungsposition erscheint ja recht komfortabel. Der Spieler will zum Verein, der Verein den Spieler. Der Zeitpunkt: irrelevant. Ob man die Ablöse nun zahlt oder einspart, das Festgeldkonto juckt das nur marginal. Und obendrein schädigt man die direkte Konkurrenz noch und nöcher, egal wie es auch kommt. Wo liegt also das Problem? Eben darin, dass der BVB nicht (mehr) vor den Muskelspielchen der Bayern zurückweichen mag und dem Alpha-Tier die Stirn bietet, auch wenn die Zeit dafür womöglich noch nicht reif ist. Infolgedessen sehen sich die Bayern den Dortmunder Provokationen ausgesetzt, die sie, von kolossalen Egos und maßlosem Stolz getragen, sofort zurückschleudern und so einen Rosenkrieg vom Zaun brechen, der die so wichtige Contenance im Bayern-Umfeld aufzehrt. Die Ära des FC Hollywood ist den allermeisten ja noch im Gedächtnis. Ferner ist nach wie vor unklar, ob und wann der Wunschspieler Lewandowski nun kommt (oder eben nicht) und wie man für das eine oder das andere Szenario planen soll. Stattet man ihn mit einem Vorvertrag aus und nimmt ihn garantiert 2014 in Empfang, jedoch ohne zu wissen, wie er sich kommende Spielzeit in Dortmund präsentiert? Ob er seine Leistungen bestätigen kann, ob er unversehrt und physisch fit bleibt? Ein riskantes Unterfangen, besonders da man nun Gewissheit besitzt, einen schwierigen Charakter an Bord zu holen. Oder wartet man ab und verhandelt nach der Saison nochmals mit dem Spieler? Das heißt, wenn man ihn dann noch benötigt. Zumindest nimmt selbst ein gestandener Knipser wie Mario Gomez bereits jetzt die Beine in die Hand, in Anbetracht des aufziehenden Schattens. Auch jener will erst mal ersetzt werden. Und so führt eine Unausgewogenheit in der Kaderplanung zur nächsten, unter den Sturmalternativen macht sich Unruhe breit und niemand kennt seine Perspektive im Verein - am wenigsten Lewandowski selbst. Dabei waren gerade Zuverlässigkeit und die kollektive Wir-Mentalität ausschlaggebend für die sagenhaften Erfolge der letzten Saison.


Summa summarum also eine höchst brisante Angelegenheit, die keiner Partei auch nur irgendeinen sportlichen Erfolg garantiert. Im Gegenteil, läuft es besonders unglücklich, wäre gar folgender Ausgang möglich: Borussia Dortmund hält Lewandowski trotz Vorvertrag bei den Bayern bis 2014, worauf dieser nur noch durch Lustlosigkeit auf dem Rasen glänzt. In der Winterpause kauft man Ersatz für den scheidenden Polen und damit dieser sich auch akklimatisiert, findet sich Lewandowski auf der Bank wieder. Dortmund zahlt indes ein enormes Gehalt für mäßiges Engagement und erhält keine Ablöse, die man für den Neuen hätte gut gebrauchen können. Die Bayern hingegen spielen derweil mit falscher Neun eine sensationelle Runde, wollen Lewandowski plötzlich nicht mehr und ergehen sich in einem halb öffentlich, halb juristisch ausgetragenen Gefecht mit dem Wechselwilligen. Die beiden Marios aus dem ehemaligen Bayern-Sturm sind bis dahin ein Fall für die Vereinschronik und treffen anderswo nach Belieben. Am Ende einigt man sich alles andere als gütlich: Lewandowski sahnt dank des Vorvertrags ab und verdient seine Brötchen bei seinem neuen Traumverein - ob Bayern oder AS, Hauptsache Monaco. Dort beginnt ein langsamer, trauriger Abstieg.


Klar. Das ist soweit nur ein Hirngespinst meinerseits. Aber seien wir mal ehrlich, im Business Profifußball durchaus plausibel. Ich wollte hiermit auch nur eines dargelegt haben:

Jeder in diesem Geschäft denkt in erster Linie nur an sich, was ja durchaus legitim ist, aber das auf eine erschreckend kurzsichtige Weise. Ob der rasante Aufstieg ohne Fallstricke und um jeden Preis für einen bestimmten Spielertypus (und somit auch Menschentypus) der richtige Weg ist, muss im Zuge der individuellen Karriereplanung zwangsläufig hinterfragt werden. Auch die Vereine tragen hier eine immense Verantwortung, wenn sie für den sofortigen Erfolg jedes funktionierende Gefüge, jede vorausschauende Strategie zu opfern bereit sind, zumal sie auch den deutschen Fußball nach außen repräsentieren. Das Egoismen und Machtspielchen außerhalb des Spielfelds aufstrebende Spieler und sogar etablierte Klub-Großmächte in handfeste Krisen stürzen können, ist ein alter Hut; man frage einfach mal nach in Madrid, Mailand oder London. Aber wozu in die Ferne schweifen. Ein Blick auf die eigenen Fehltritte der letzten Dekaden und ihre Ursachen lohnt auch in Dortmund oder München.


Wie wird diese Seifenoper also ausgehen? Wer vermählt sich am Ende mit dem treffsicheren Junggesellen? Wird es ein Happy End geben, sei es sportlich oder finanziell? Oder endet diese schnulzige Tragödie nie (es soll ja derartige Serien geben)? Die jüngsten Cliffhanger machen zumindest Lust auf mehr - zumindest wenn man das Ganze als Außenstehender und zum bloßen Amüsement verfolgen kann. Allen anderen lege ich aufrichtiges Kopfschütteln sowie die Fernbedienung nahe und nicht zuletzt die Hoffnung, dass irgendwann die Integrität zurück in den Profifußball findet.

KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
FcBmAx
04.07.2013 | 14:37 Uhr
0
0
FcBmAx : 
04.07.2013 | 14:37 Uhr
0
FcBmAx : 
Für mich ist alles recht konstruiert und die ganze Thematik dem Sommerloch geschuldet.
Ein Spieler will gerne aus seinem Vertrag raus - geht so nicht - noch zwei Mal "ich will aber" hinterher, danach immer das "nein" vom Watzke - fertich.
Der FCB war öffentlich gar nicht aktiv.

Und in der letzten Zeit hört man immer wieder, dass der BVB und FCB miteinander reden auf Management-Ebene.

Ich denke, der ganze Konflikt ist aufgeblasen.

Sobald Dortmund das neue Team stehen hat, wird Lewa noch wechseln - vermutlich sogar zum FCB.
Solange aber die Fans/Medien keinen Neuzugang zu bejubeln haben, wird das nicht verkündet.

Eigentlich alles ganz normal, wenn man will, kann man das ganze ein Pokerspiel nennen, mehr nicht.
0
diego666
04.07.2013 | 20:00 Uhr
1
0
diego666 : Naja, kann man so sehen...
04.07.2013 | 20:00 Uhr
0
diego666 : Naja, kann man so sehen...
muss man aber nicht.
Fakt ist, Dortmund hat mit bayern gesprochen, die haben aber kein offizielles Angebot unterbreitet. Warum auch, sie können ein Jahr warten und irgendwo hab ich sogar mal gelesen, dass Pep gar nicht so die treibende Kraft bei einem solchen Transfer gewesen wäre.
Bayern wird aus der Sache ganz sicher nicht als Verlierer rausgehen.
Bin BVB Fan, aber die Gefahr liegt hier klar bei Lewa und/oder Dortmund.
Geht er für einen mickrigen Vertrag, ist es für Dortmund so oder so schlecht. Dann müssen zwei Schlüsselspieler ersetzt werden, anstatt zwei, was am Ende auch noch die CL Teilnahme kosten könnte.
Bleibt er und ist lustlos, ist es für Dortmund scheiße, aber unter Umständen auch für Lewa. Auch, wenn ihm Bayern die Zusage gab, wenn er sich charakterlich schlecht verhält, kann jeder bayern verstehen, wenn sie ihn nicht mehr wollen.

Ich denke, Lewa wird das nicht riskieren wollen und sooo schlecht gings und gehts ihm mit der Gehaltsaufstockung in Dortmund ja nun wirklich nicht. Glaube der Hauptstress kommt auch von seinen Beratern.
1
COMMUNITY LOGIN
Du bist nicht angemeldet. Willst Du das ändern?
Benutzername:
Passwort:
 

Wir aktualisieren unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzrichtlinie. Wir haben neue Community-Richtlinien zur Inhaltsnutzung - Verhaltenskodex eingeführt und mehr Informationen darüber bereitgestellt, wie wir Ihre Daten erheben und nutzen. Indem Sie unsere Website und unsere Dienste weiterhin nutzen, stimmen Sie diesen Aktualisierungen zu.
Neueste Kommentare
Baddy
Artikel:
Also ich habe mich noch nie so sehr auf ein CL KO Spiel gefreut wie auf das
04.05.2024, 19:03 Uhr - 576 Kommentare
MensHealth
Artikel:
@jimimadrid Bin auch enttäuscht das Güler nicht durchspielen durfte, aber i
04.05.2024, 19:02 Uhr - 3 Kommentare
der_sack
Artikel:
Ich fänd 1-2 Jahre in der zweiten Liga ideal, und als Nummer zwei holt man d
04.05.2024, 19:02 Uhr - 23 Kommentare
Nudlaug
Artikel:
Wenn er nicht will, nehmt halt Augenthaler. Sieht wenigstens aus wie Schmidt
04.05.2024, 19:00 Uhr - 9 Kommentare
CaptainMunich
Artikel:
Finde es auch völlig befremdlich, dass Eberl so gechillt wirkt. Von einem Ba
04.05.2024, 18:53 Uhr - 15 Kommentare
Penalty
Artikel:
Freund und Eberl arbeiten lassen, Dreesen und Hainer auf ihre Posten verweis
04.05.2024, 18:52 Uhr - 12 Kommentare
Wendalord
Artikel:
Warum müssen die immer irgendwelche Kinder in Großaufnahme zeigen?
04.05.2024, 18:47 Uhr - 1 Kommentare
DinoDrill17
Artikel:
Reyna war vor seinen Verletzungen ein Topspieler mit super Anlagen. Braucht
04.05.2024, 18:46 Uhr - 210 Kommentare
Dallas04
Artikel:
Ganz großes Kino heute von Schachmann! Freut mich nach seinen Seuchenjahren,
04.05.2024, 18:42 Uhr - 0 Kommentare
Johnson32
Artikel:
Babo, ja gut;-) Das schönste Doppelkinn der NBA soll wenigstens nicht so oft
04.05.2024, 18:42 Uhr - 98 Kommentare