Große Kaliber am "Manic Monday"

Angelique Kerber ist ein kleiner Stein vom Herzen gefallen
© getty

Die zwei besten Deutschen haben es in die zweite Woche von Wimbledon geschafft - Alexander Zverev souverän, Angelique Kerber mit Mühe. Nun warten die ersten richtig harten Aufgaben.

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Von Jörg Allmeroth aus London

Es war eine Zitterpartie, eine Achterbahnfahrt mit allen emotionalen Höhen und Tiefen, ein wildes Schwanken. Und erst mit einem energischen Schluss-Spurt vermied Angelique Kerber im Tennisreich von Wimbledon ein neues Krisenszenario in diesem so schwierigen Tennisjahr 2017: "Es ist ein schönes Gefühl jetzt, so ein Match noch gedreht zu haben", sagte die Weltranglistenerste nach ihrem turbulenten 4:6, 7:6 (7:2), 6:4-Sieg über die Amerikanerin Shelby Rogers, mit dem sie sich doch noch, nach erheblichen Zweifeln selbst bei ihren eisernsten Parteigängern, das Ticket für die prickelnde zweite Wimbledon-Woche sicherte.

Am "Manic Monday", dem Achtelfinaltag bei Herren und Damen, trifft die 29-jährige nun auf Angstgegnerin Garbine Muguruza (Spanien). Gegen die French Open-Gewinnerin des Jahres 2016 hat Kerber die letzten vier Partien ausnahmslos verloren, auch vor zwei Jahren hier im All England Club. "Aber ich gehe jetzt gestärkt in diese Partie, nach dem Tag heute", sagte Kerber sichtlich erleichtert.

Zweiter Vertreter

Kerber vertritt nicht allein die deutschen Farben in der zweiten Woche der Internationalen Englischen Meisterschaften des Jahres 2017: Denn zum ersten Mal, und nun auch ausgerechnet am prominentesten Schauplatz der Welt, erreichte Alexander Zverev das Achtelfinale bei einem der vier Grand Slam-Turniere. Der 20-jährige Hamburger, als kommende Nummer eins der Branche gehandelt und inzwischen auch schon in der engeren Weltspitze angekommen, gewann mit einer abgeklärten, routiniert wirkenden Vorstellung 6:4, 6:4 und 6:2 gegen den österreichischen Überraschungsmann Sebastian Ofner.

Nun wartet in der Runde der letzten Sechzehn allerdings ein anderes Kaliber als der steirische Sensationsdarsteller mit der Falco-Frisur: Gegner Zverevs wird dann der letztjährige Finalist Milos Raonic sein, der kanadische Ballermann mit dem unerbittlichen Aufschlag. Raonic hatte 2016 auf dem Heiligen Rasen im Halbfinale die Titelhoffnungen von Roger Federer beendet. Im persönlichen Vergleich führt Zverev allerdings 1:0, die einzige Partie gewann der jüngere der beiden Zverev-Brüder kürzlich bei seinem begeisternden Titellauf in Rom im Viertelfinale.

Fester Glaube

Wie knapp und spannungsgeladen es bei Kerbers Drittrunden-Partie gegen die wuchtige Rogers zuging, wurde allein beim Blick auf die Matchstatistik deutlich - erst der verwandelte Matchball sicherte der Deutschen bei den insgesamt gewonnenen Punkten den hauchdünnen Vorsprung: 110 zu 109. Zwischenzeitlich lag die Deutsche aber deutlich im roten Bereich, hinter Rogers, die bei einer 6:4, 4:2-Führung und einem Breakball zum 5:2 schon entschlossen auf die Ziellinie zumarschierte.

Doch auch wenn Kerber spielerisch wenig Überzeugendes zu bieten hatte an diesem sonnigen Sommertag, eins besaß sie immer noch: Kampfgeist und den Glauben, in dieser verfahrenen Situation die Dinge noch wenden zu können. "Ich sagte mir: Jetzt oder gar nicht", befand sie später, "und dann kam auch das Selbstvertrauen zurück." Kerber drehte den zweiten Satz, gewann ihn im Tie-Break, und dann hielt sie auch Kurs im dritten, schwer umkämpften Akt. "Es war ein Sieg mit Herz und Leidenschaft. Auch, weil Angie am Ende eine positivere Ausstrahlung hatte", meinte Bundestrainerin Barbara Rittner. Zudem hielt die Kielerin die Zahl ihrer Irrtümer gering: In der gesamten Partie leistete sie sich nur 14 der sogenannten vermeidbaren Fehler.

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