Happy-End nach dem Krisenjahr?

Angelique Kerber - Titelverteidigerin an einem besonderen Ort
© getty

Für ihre Anhänger in den sozialen Netzwerken hatte Angelique Kerber dieser Tage nicht bloß eine alte, weise Erkenntnis parat.

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"Jede Reise ist ein neuer Anfang", stand unter einem Foto zu lesen, das Kerber zeigte, wie sie etwas verträumt aus dem Flugzeugfenster in ein Wolkengebirge blickt, auf dem Weg nach New York. Kerber hat es gewiss auch als dringenden Wunsch, als heiße Hoffnung formuliert.

Einen Neuanfang, eine Wende in diesem verfluchten Jahr 2017 kann sie gut gebrauchen bei den anstehenden US Open, beim letzten der vier schillernden Grand Slam-Turniere, bisher war die Saison eine Aneinanderreihung von Pechmomenten, von Pannen und Paukenschlägen der schlechteren, schiefen Sorte. Fast immer war sie in den letzten Monaten im Krisenmodus, unter Druck von ehrgeizigen Kolleginnen, von Medien. Und vor allem auch von sich selbst. "Es war keine leichte Zeit. Aber ich schaue nicht mehr zurück. Ich hoffe, New York hat wieder Magie für mich", sagt Kerber, die, man könnte es glatt vergessen haben, als Titelverteidigerin in den Big Apple gereist ist.

"Fühlte sich oft wie ein Traum an"

Dort erlebte sie im letzten Jahr die Krönung ihres jahrelangen Aufstiegs in die Weltspitze, sie gewann nicht nur diese herausfordernde Grand Slam-Strapaze im Finale gegen die Tschechin Karolina Pliskova, sie eroberte zuvor auch schon Platz 1 in der Weltrangliste. Alles passte märchenhaft zusammen, es war das dickste Ausrufezeichen eines Jahres 2016, das schon in Australien mit einem Grand Slam-Triumph begonnen hatte. "Es fühlte sich oft alles wie ein Traum an. Zu schön, um wahr zu sein", sagt Kerber.

Sie war fortan dann die Gejagte, sie war die Spielerin, die man schlagen musste, um selbst in die Schlagzeilen zu geraten. Sie war aber auch das neue Vorzeigegesicht des Damentennis, und das ist keineswegs nur eine angenehme Angelegenheit, die darin besteht, bei Feierlichkeiten und Sponsorenterminen in die Kameras zu lächeln und ein strahlendes Gesicht auf roten Teppichen zu machen. Es bedeutet auch, das Leben im Wanderzirkus neu zu justieren, zwischen all den vielen Extraterminen, zwischen immer neuen Pressegesprächen mit den ewig alten Fragen. Kerber brauchte lange, um sich in diesem Irrgarten halbwegs zu recht zu finden, der schon andere vor eine harte Prüfung stellte.

Prognose wäre ein Lotteriespiel

Kerber startete nicht optimal austrainiert, einfach nicht frisch genug in die laufende Saison, das war frühzeitig erkennbar. Es war auch verständlich, nach den mörderisch schweren, anspruchsvollen Jahren zuvor, in denen sie stets zu den Spielerinnen mit den meisten Matches gehört hatte. Im modernen Damentennis ist es kaum noch möglich, mehrere Jahre hintereinander auf allerhöchstem Niveau durchzuspielen, konstant am Leistungslimit - schließlich ist die Intensität der Matches, die physische Belastung jüngst massiv gewachsen. Und mit ihr übrigens auch die Verletzungsgefahr und -häufigkeit. Auch Kerber plagte sich in den letzten Monaten mit allerlei Wehwehchen herum, nun geht sie als Nummer 6 der Weltrangliste ins Grand Slam-Abenteuer von New York (Runde eins gegen die Japanerin Naomi Osaka).

Es wäre ein Lotteriespiel, zu prognostizieren, was die leicht am Ellenbogen verletzte Kerber schaffen kann bei diesem Grand Slam, nicht nur bei ihr: In der aktuellen Unübersichtlichkeit des Damentennis - ohne klare Hackordnung und Hierarchie - kann alles passieren. Jede der Top 20-Spielerinnen kann in der ersten Runde ausscheiden. Oder den Titel gewinnen. In Kerbers Fall soll auch ihr ehemaliger Coach Benjamin Ebrahimzadeh als Impulsgeber wirken, der Chefausbilder in der französischen Mouratouglu-Akademie war zuletzt auch als neuer Fed Cup-Coach im Gespräch gewesen, winkte aber offenbar bei der Jobofferte ab. "Er ist jetzt mal eine andere Stimme, ein belebender Einfluss vielleicht", sagt Kerber.

Das Einzel-Tableau der Damen im Überblick

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