NFL

Nichts als eine Illusion?

Von Pascal De Marco
Die Tampa Bay Buccaneers stellen eine der statistisch besten Passing Offenses der Liga. Siege sind hingegen Mangelware
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Jameis Winston: Mal wie ein Favre, mal wie ein Cutler

Abgesehen vom Playbook aber spielt auch derjenige, der bei jedem Play den Ball berührt, zu unkonstant. Winston hat seit seiner Ankunft in der Liga 39 Interceptions geworfen. Nur Philip Rivers hat in diesem Zeitraum einen Pick mehr. In der aktuellen Saison sind es bislang sechs. Immerhin haben neun Quarterbacks mehr.

Winston bewegt sich auf einem schmalen Grad zwischen einem abgebrühten, listigen Playcaller und einem sorglosen. Er hat seine Completion-Percentage seit der Rookie-Saison kontinuierlich steigern können (2015 = 58,3 Prozent, 2016 = 60,8 Prozent, 2017 = 61,8 Prozent) und arbeitete neben der Präzision am Bewusstsein in der Pocket, sowie dem Vermeiden von Hits. Dinge, die die Interception-Zahlen herunterschrauben sollten.

Und doch sind die Fehler nicht von der Hand zu weisen. Er übersieht einfache Completions und starrt stattdessen seinen auserkorenen Receiver zu lange an. Er hat Probleme bei langen Pässen und gibt Receivern zu selten die Chance auf Yards nach dem Catch. Winston wird zu gierig und versucht Dinge zu forcieren. Er denkt manchmal zu viel über den möglichen Ertrag als über den möglichen Verlust nach.

In der Kabine genießt Winston für seine Leadership-Fähigkeiten Hochachtung. Motivationsansprachen, wie jene im Preseason-Spiel gegen die Jaguars, machen ihn zu einem Anführer, den sich jedes Team in seinen Reihen wünscht. Der 23-Jährige stellt eigentlich das Komplettpaket dar, bringt sich und das Team aber zu häufig selbst in Gefahr.

Buccaneers verhindern Big Plays - zu einem hohen Preis

Das allerdings sind nur die Probleme auf der einen Seite des Balles. Auf der defensiven Seite nämlich lassen nur drei Teams mehr Yards pro Partie zu als Tampa Bay. Die Passverteidigung ist die zweitschlechteste der Liga. Gegen den Lauf ließ man in Week 2 gegen die Bears gerade einmal 20 Yards zu, gegen die Cardinals waren es in Week 6 plötzlich 160 und gegen die Bills eine Woche später 173.

Die größte Problematik ist aber, dass die Bucs keinen Druck auf den gegnerischen Quarterback ausüben können. Mit sieben Sacks ist man abgeschlagen Letzter. Cam Newton hat zuletzt bei 32 Dropbacks nicht einen einzigen Hit durch den Bucs-Pass-Rush hinnehmen müssen. Bei Winston auf der Gegenseite waren es beispielsweise sieben. Leidtragender vom mangelnden Druck ist in erster Linie die junge Secondary.

Die wurde darauf getrimmt, sogenannte "Explosive Plays" zu verhindern. Diese wurden bei den Bucs als Pässe von mindestens 16 Yards und Runs für mindestens zwölf Yards kategorisiert. Letztes Jahr haben die Bucs sechs Plays für 50 Yards oder weiteren Raumgewinn abgegeben. Der fünftschlechteste Wert der Liga. In diesem Jahr gab es nur ein solches Play gegen sich - Ligabestwert. Das klingt zunächst nach einer Besserung, kommt allerdings zu einem hohen Preis.

Die Bucs spielen mit ihren Safeties häufig eine sogenannte Cover-2-Shell-Formation, in der Cornerbacks und Safeties für je ein Viertel des Feldes verantwortlich sind. Die Safeties positionieren sich dabei auf derselben Höhe, um den Quarterback zu verwirren und sich die Optionen offen zu halten, tief zu fallen und dem Cornerback auszuhelfen oder die sogenannte "Robber"-Rolle in der Zone zu übernehmen.

Dies resultiert darin, dass sich die jungen Cornerbacks in Vernon Hargreaves und Ryan Smith nicht darauf verlassen können, dass sie Hilfe von einem Safety bekommen, weil sie solange nicht wissen, wer die "Robber"-Rolle übernimmt, bis es dann eben passiert. Ohne die Gewissheit der Safety-Unterstützung müssen sie das komplette Geschehen vor sich behalten und können deshalb weitaus weniger aggressiv spielen. Das Resultat sind viele einfache Completions im Bereich von 10 bis 20 Yards.

Kicker-Debakel, Polemik und Hurricane Irma - Kommt die Kehrtwende?

Alles in allem ist bei den Bucs in diesem Jahr bislang nahezu alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Die Kicker-Problematik, mit den Entlassungen von Roberto Aguayo und Nick Folk. Letzterer kostete mindestens einen Sieg. Die Unzufriedenheit von Neuzugängen, wie den Veteranen Chris Baker (DT) und Super-Bowl-Champion T.J. Ward (S), die mit ihren Rotations-Rollen unzufrieden sind und dies öffentlich äußerten. Und womöglich trägt auch Hurrikan Irma, der den Bucs eine Saison mit 16 Spielen in Folge ohne Bye Week beschert hat, eine Rolle.

Von einer Kehrtwende, wie man sie im letzten Jahr zustande gebracht hat, hört man derzeit nur in den obligatorischen Kabinen-Interviews mit den Spielern. Aber was sollten diese auch anderes sagen?

Was sind mögliche Lösungen in der misslichen Situation? Wie kommt eine Offense, die in der ersten Halbzeit durchschnittlich nur sieben Punkte erzielt, aber so großes Potenzial hat, endlich in die Gänge? Sollte Dirk Koetter das Playcalling abgeben, wie es Giants-Head-Coach Ben McAdoo zuletzt getan hat? Wo bekommen die Bucs eine defensive Identität her, wie jene, die sie letztes Jahr zu einem tollen Endspurt getragen hat? Oder basierte jegliche Erwartungshaltung nach der Offseason tatsächlich auf nichts anderem als einer Illusion?

Den Bucs steht als nächstes ein Duell mit einem der heißesten Teams der Liga an. Gelingt es der Defense erneut nicht, Druck auf den Quarterback auszuüben, so wird Drew Brees und seine Saints-Offense vermutlich für ein aus Buccaneers-Sicht bitteres Spektakel sorgen. Und dann sollte die so talentierte Offense lieber einen Weg finden, ihr Potenzial endlich auszuschöpfen - und das am Besten vom ersten Drive an!

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