NFL

Ein Raubtier mit vielen Zähnen

Die Offense der Atlanta Falcons war die imt Abstand beste dieser Saison
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3. Das Running Game - Rotation in jeder Hinsicht

Viele der Dinge, die Atlanta im Passing Game macht, funktionieren allerdings auch deshalb so gut, weil die Falcons ihre Gegner auch im Running Game dominieren können. In der Regular Season verzeichnete Atlanta 4,6 Yards pro Run (ligaweit Platz 4), hatte 19 Runs von wenigstens 20 Yards (4.) sowie 20 Rushing-Touchdowns (geteilter dritter Platz).

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Dabei setzen die Falcons auf ein Zone-Run-Scheme. Bedeutet einfach zusammengefasst: Die O-Liner sind für einen Raum, nicht für einen konkreten Gegenspieler zuständig. Die O-Line bewegt sich dabei weitestgehend synchron, das Ziel ist es, einzelne Defensive Linemen mit Double Teams zu beschäftigen und dann auch dahinter Linebacker zu blocken. Dabei spielt, im Gegensatz zu einem Man-Blocking-Scheme, die Formation der Defense eine eher untergeordnete Rolle.

Rotation ist Trumpf:

Und auch hier dominiert die Vielfalt. Laut NFL GSIS Stats Tracking verteilten die Falcons ihre Runs extrem gut. Teilt man die Richtung der Runs von links nach rechts in sieben Bereiche auf, ist die maximale Diskrepanz: 44 Runs hinter dem Left Guard (Tiefstwert), 74 rechts außen am Tackle vorbei (Höchstwert). Alle anderen Zahlen (hinter den Guards, dem Center, den Tackles und außerhalb der Tackles) liegen dazwischen. Atlanta läuft also von links nach rechts durch die Bank weg mit äußerst ausgeglichener Frequenz.

Die Vielfalt gilt auch für das Personal. Devonta Freeman (227 Runs, 4,8 Yards pro Run, 11 TD) und Tevin Coleman (118 Runs, 4,4 Yards pro Run, 8 TD) sind ähnliche Running-Back-Typen, nicht selten stehen beide gleichzeitig auf dem Platz. Atlanta kann dann einen der beiden kurz vor dem Snap als Receiver aufstellen, und so Linebacker in Coverage zwingen.

Essentiell für das Zone Run Game ist der Center: Er ist bei Inside-Runs meistens in ein Double-Team involviert, und nicht selten liegt es dann an ihm, den Verteidiger voll an seinen eigenen Guard zu übergeben und noch einen Linebacker zu blocken - oder aber einen Defensive Lineman zu blocken, der versetzt zu ihm steht und potentiell schon vor dem Snap einen kleinen Vorsprung hat - ein sogenannter "Reach Block".

Hier hat sich für Atlanta die Verpflichtung von Alex Mack voll ausgezahlt. Mack kam vor der Saison aus Cleveland und kannte das Blocking-Scheme von Kyle Shanahan bereits. Er hilft seinen O-Line-Kollegen dabei, den Spielzug richtig umzusetzen und sorgt dafür, dass der Play-Call ankommt - und ist ganz nebenbei einer der besten Zone-Blocking-Center in der NFL. "Man hat sofort gesehen: Er weiß, was er tut", verriet Right Tackle Ryan Schraeder. "Er hat eine herausragende Balance und ist extrem gründlich in allem. Das färbt auf jeden hier ab."

Zusammenfassung

  • Atlantas Offense glänzt durch ihre Unberechenbarkeit. Der Pass zu Julio Jones wird - im Gegensatz zu vergangenen Jahren - nicht mehr erzwungen, vielmehr herrscht das Prinzip des kalkulierten Ball-Verteilens. Shanahans Scheme ermöglicht immer wieder unterschiedlichen Spielern Freiräume innerhalb ihrer Route, gleichzeitig kann Jones innerhalb des Schemes individuell jederzeit den Unterschied ausmachen. Die intensiv genutzte Play Action erschwert all das für die Defense zusätzlich.
  • Stichwort Scheme: Shanahans Design ist mitunter ein Kunstwerk. Die verschiedenen Routes der Receiver arbeiten harmonisch zusammen, jeder Laufweg ergibt einen Sinn für das große Ganze. Darüber hinaus bauen auch die Spielzüge aufeinander auf, etwa indem Shanahan drei Mal hintereinander die gleiche Formation aufbietet, und jeweils drei unterschiedliche Plays spielen lässt - oder indem er aus vermeintlichen Run-Formationen gezielt Downfield-Pässe werfen lässt, um eine aggressive Defense zu bestrafen.
  • All diese Punkte resultieren in einer enormen Vielfalt. Atlanta ist schematisch sowie individuell dafür ausgerüstet, jede Defense anzugreifen. Beste Beispiele: Gegen die Broncos attackierten die Falcons die Linebacker in Coverage, gegen Seattle überlud die Offense gezielt Seattles Cover-Zonen. Als Green Bay und die Seahawks in den Playoffs eine passivere Off-Coverage spielten, nutzten die Falcons das aus, um der Secondary mit Rub-Routes das Leben schwer und den Weg zum Receiver zusätzlich lang zu machen. Das führte dazu, dass Atlanta trotz eines sehr schwierigen Schedules enorme Zahlen auflegte.
  • Das Passspiel ist der Fokus, gleichzeitig aber funktioniert es Hand in Hand mit einem guten Zone-Running-Scheme. Hier hat Atlanta mit Tevin Coleman und Devonta Freeman zwei ähnliche sowie vielseitige Backs, für die es in der Offense durchaus auch gleichzeitig Platz auf dem Feld gibt. So gelangen Atlanta insgesamt 6,7 Yards pro Play, Ligahöchstwert.
  • Die größte Anfälligkeit ist dabei auf dem Papier die Pass-Protection, wo Atlantas Offensive Line laut Football Outsiders im unteren Liga-Drittel anzufinden ist. Die Frage wird jedoch sein: Kann New England, nicht gerade bekannt für einen dominanten Pass-Rush, daraus Kapital schlagen?

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