NBA

Die verzweifelte Suche der Mavericks

Von Haruka Gruber
Zwei Freunde - bald wieder vereint? Dirk Nowitzki und Steve Nash beim All-Star-Game 2012
© Getty

Nach Deron Williams' Absage droht Dallas die Bedeutungslosigkeit. Wer soll die Mavericks zukünftig dirigieren und Dirk Nowitzki Assists auflegen? Es gibt einige Kandidaten - mit Vorzügen, aber auch einem Hinkefuß.

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Steve Nash (38, Phoenix Suns)

Konkurrenten: Toronto Raptors, New York Knicks, Los Angeles Lakers

Das spricht für Nash: Zunächst das Wesentliche: Nach 8 Saisons hintereinander und insgesamt 10 Jahren in Phoenix wird Nash die Suns verlassen. Die Franchise draftete an Platz 13 mit Kendall Marshall einen klassischen Point Guard, der zum Nachfolger aufgebaut wird. Außerdem besteht Interesse an Goran Dragic. Nach einem Gespräch mit dem Front Office ist Nash zur Erkenntnis gelangt, dass sich die Suns neu orientieren wollen: "Mitten in der abgelaufenen Saison oder im Jahr davor hätte ich gedacht, dass ich womöglich für immer in Phoenix bleibe. Aber jetzt muss ich der Realität ins Auge blicken."

Wohin es ihn zieht, mochte er noch nicht verraten, doch überraschend deutlich stellte er klar, dass er gegenüber Mavs-Besitzer Mark Cuban nicht nachtragend sei. Nash über die unschöne Trennung von Dallas 2004: "Es liegt so lange zurück, das spielt keine Rolle. Dallas ist eine großartige Stadt, mit der ich historisch vieles verbinde. Es ist eine Alternative zu Toronto, die aufregend ist und viele Vorzüge mitbringt."

Einer der Vorzüge dürfte Dirk Nowitzki heißen, seit über einem Jahrzehnt Nashs bester Freund. Sie ergänzten sich auch auf dem Court nahezu perfekt, vor allem das Pick'N'Roll der beiden war kaum zu stoppen und bescherte Nowitzki viele offene Würfe. Das basketballerische Verständnis dürfte sich nach einer Eingewöhnung schnell wieder einstellen - zumal Nash, entgegen Cubans damaliger Vermutung, auch im hohen Alter erstaunlich effizient spielt.

Sein Punkteschnitt ging vergangene Saison zwar etwas zurück (von 14,7 auf 12,5), wobei er weniger Würfe nahm, die er hochprozentiger traf (53,2 Prozent). Seit Jahren erstaunlich konstant: seine Dreierquote (zuletzt 39 Prozent) und die Assistquote (10,7). Und: Angesichts des zu erwartenden Jason-Kidd-Weggangs (New York?) gibt es kaum einen besseren neuen Lehrmeister für die Guards, die Anleitung brauchen, weil sie zu jung sind (Cunningham, Jones) oder stagnieren (Beaubois).

Das spricht gegen Nash: Überspitzt formuliert: Für Dallas spricht Nowitzki, für Toronto aber das Geld und für New York der Lifestyle. Toronto will mit fast allen Mitteln den besten Basketballer der kanadischen Geschichte zur Rückkehr bewegen und bietet ihm einen Drei-Jahres-Vertrag über angeblich 36 Millionen Dollar. Treibende Kraft hinter der Offerte ist Raptors-Präsident Bryan Colangelo, der bereits 2004 Nash von Dallas nach Phoenix lockte.

New York wiederum ist der Lebensmittelpunkt von Nash. Dort ist er verwurzelt, dort lebt er in der Basketball-freien Zeit - und dort könnte Bedarf für einen neuen Point Guard bestehen, wenn Jeremy Lin die Knicks verlässt. Dallas wiederum muss sich eine Grundsatzfrage stellen: So romantisch ein Wiedersehen mit Nash wäre - ist es sinnvoll, einem 38-Jährigen mit bekannter Defense-Schwäche für mindestens zwei Jahre ein zweistelliges Millionengehalt zu zahlen? Und sich damit selbst der Handlungsfreiheit im Sommer 2013 zu berauben, wenn Chris Paul, James Harden und womöglich Dwight Howard zu Free Agents werden?

Nur zur Illustration: Es ist durchaus möglich, dass Dallas stattdessen mit dem Kern aus Nowitzki (dann 35), Nash (39), Vince Carter (36), Shawn Marion (35) und/oder Brendan Haywood (33) in die Saison 2013/14 geht.

Jeremy Lin (23, New York Knicks)

Konkurrenten: New York, Houston, Toronto, Los Angeles Lakers

Das spricht für Lin: Als Restricted Free Agent darf sein vorheriger Klub New York jedes Angebot mitgehen, dass für Lin abgegeben wird. Eine per se schlechte Ausgangslage für Dallas - wären nur nicht die finanziellen Restriktionen, denen die Knicks unterworfen sind. Da bereits drei Spieler (Amare Stoudemire, Carmelo Anthony, Tyson Chandler) langfristig und hochdotiert gebunden sind, kann es sich NY nicht leisten, einem vierten ähnlich viel zu zahlen.

Im Gespräch ist ein Vier-Jahres-Angebot über 24,5 Millionen Dollar - zu wenig für Lin, dessen Marktwert für die gleiche Zeitspanne eher bei 40 Millionen Dollar liegt. Die Chance für Dallas?

Dallas-Präsident Donnie Nelson ist ein Anhänger des letztjährigen Shootingstars und begleitet dessen Entwicklung wohlwollend. 2010 spielte Lin für die Mavs in der Summer League und verdiente sich nach starken Leistungen (u.a. gegen Nummer-1-Pick John Wall) einen Ein-Jahres-Vertrag, den er aber ablehnte, weil er in Golden State eine bessere Perspektive sah. Ein Irrtum, den er erst in New York korrigieren konnte: Als Niemand gelangen ihm in seinen ersten fünf Spielen als Starter jeweils 20 Punkte und 7 Assists oder mehr. Einmalig in der NBA-Geschichte.

"Donnie Nelson hat sich unglaublich um mich gekümmert. Ich sage das nicht nur so. Ich bin ihm sehr dankbar. Er sieht die Dinge etwas anders als die meisten Leute und er hat bei mir irgendwas gesehen, was ihm gefallen hat", sagt Lin.

Jetzt könnte es ähnlich wie bei Nash zu einem Wiedersehen kommen. Was Lin für Dallas begehrenswert macht: Er hat ebenfalls seine Stärken im Pick'N'Roll, wovon Nowitzki profitiert. Außerdem spielt er mit Auge für den Mitspieler, verfügt über eine gute Penetration und verbesserte den Dreier merklich.

Jeremy Lin im Porträt: New Yorks neuer Basketball-Held

Das spricht gegen Lin: So phänomenal Lins Werdegang in der vergangenen Saison verlief - ist er tatsächlich 10 Millionen Dollar pro Jahr wert? Bisher fehlt schlichtweg der Umfang der Stichproben, um eine valide Antwort geben zu können. Nach seinem Durchbruch hatte er nur noch 25 Spiele bestritten, bevor er verletzt die Saison vorzeitig beendete.

Hinzukommen die Zweifel ob seiner Entwicklungsmöglichkeiten: Waren die gezeigten Leistungen nur ein Vorbote weiterer Wundertaten - oder bewegte er sich bereits am Maximum? Seine Turnover-Anfälligkeit (5,0 Ballverluste im Breakout-Monat Januar) geben zumindest Anlass zu etwas Skepsis.

Goran Dragic (26, Houston Rockets)

Konkurrenten: Phoenix, Houston

Das spricht für Dragic: Neben Lin eine der Cinderella-Storys der vergangenen Saison: Vormals nur einer unter vielen Europa-Legionären am hinteren Ende der Rotation in Phoenix und Houston, brach es aus Dragic urplötzlich heraus. Begünstigt von der Verletzung des Konkurrenten Kyle Lowry, lieferte er nach dem All-Star-Break 16,3 Punkte und 7,3 Assists. Erstaunlich die Beständigkeit: In 27 der letzten 28 Partien erzielte er 10 Zähler oder mehr.

Seine Stärken: Der Slowene attackiert fortwährend den gegnerischen Korb, ist dank seiner Schnelligkeit auch in der Transition gefährlich, vergisst dabei aber nicht den Pass und trifft akzeptabel oft von der Dreier-Linie (36,4 Prozent in der Karriere).

Das spricht gegen Dragic: Die Blaupause zu Lin: Sagen Dragic' All-Star-Stats etwas aus, obwohl er sich nur eine halbe Saison auf hohem Niveau bewährte? Laut "ESPN" hat Dallas noch nicht abschließend über Dragic befunden.

Wie es heißt, erwartet er trotzdem ein Jahresgehalt von mindestens 10 Millionen Dollar. Eine Forderung, die den bisherigen Klub Houston abschreckte und zum Abbruch der Verhandlungen führte. Seine vorherige Station Phoenix hingegen sieht Dragic offenbar als wertvoller an und scheint mehr an einer Verpflichtung von ihm interessiert als an einen Verbleib von Nash.

Brandon Roy (27, ohne Vertrag)

Konkurrenten: Minnesota, Golden State, Chicago, Indiana, Cleveland

Das spricht für Roy: Seine beiden Knie schmerzten dermaßen, dass er mit 27 vom aktiven Sport zurücktrat. Doch nach einem halben Jahr Bedenken meldet sich Roy zurück und will ein Comeback. Die Schar der Interessenten neben Dallas ist ein Indiz dafür, dass ihm das zugetraut wird. Mit 27 sollte er die körperlichen Defizite eher aufholen können als jemand jenseits der 30.

Was ihn so interessant macht: Zu seinen Hochzeiten gehörte Roy zu den besten fünf Guards der Welt, entsprechend wäre er selbst bei nur 70 bis 80 Prozent Leistungsfähigkeit für zahlreiche Teams eine Bereicherung.

Was ihn besonders für Dallas interessant macht: Zwar ist Roy gelernter Shooting Guard, doch dank seiner Vielseitigkeit wäre es eine Variante, ihm Minuten auf der Eins zu geben. Er bewies in Portland, dass er nicht nur gut wirft und penetriert, sondern auch die Übersicht und die Uneigennützigkeit eines Spielmachers mitbringt.

Das spricht gegen Roy: Das rechte Knie und das linke Knie. Aus medizinischer Sicht können beide Knie kaum kaputter sein wie bei Roy - weswegen Golden State, bisher als Favorit gehandelt, das Zweifeln an einer Verpflichtung anfängt. Ob Roy in einem kürzlich erfolgten Gespräch Warriors-GM Bob Myers beruhigen konnte, ist nicht bekannt.

Ein spezifisches Argument gegen Roy, dass auf Dallas zutrifft: Mit Beaubois, Jones und Cunningham hat Dallas bereits drei ähnliche Spielertypen unter Vertrag, außerdem wird voraussichtlich mit Delonte West verlängert. Heißt: Sollte Roy hinzukommen, würden die Mavs über fünf Combo-Guards verfügen. Sie sind alle verschieden einsetzbar - aber keiner von ihnen wäre ein echter Spielmacher.

Mögliche Backup-Kandidaten

Acie Law (27, Olympiakos Piräus): War am Euroleague-Triumph sowie der griechischen Meisterschaft von Olympiakos beteiligt. Überzeugte vor allem in der Euroleague-Vorrunde (12,7 Punkte, 3,4 Assists) und soll die Mavs neugierig gemacht haben. Beim Final Four blieb er aber unauffällig.

Petteri Koponen (24, Khimki Moskau): Wurde 2007 an 30. Stelle von Philadelphia gedraftet, wartete aber vergeblich auf einen NBA-Einsatz und ging nach Europa. 2011 der Trade seiner Draftrechte nach Dallas für einen Zweitrunden-Pick. Er selbst kündigte zuletzt im Mai an, dass er das Gespräch mit den Mavs suchen wolle: "Wenn sie einen Platz für mich haben, gehe ich in die NBA." Unterschrieb nach einer guten Saison in Bologna (14,3 Punkte in der italienischen Liga) beim russischen Topklub Khimki.

Nick Calathes (23, Lokomotiv Kuban): US-Grieche, 2009 von Minnesota an 45 gedraftet und 2010 für einen Zweitrunden-Pick an Dallas weitergereicht. Stand im Sommer mit den Mavs in Kontakt, um über einen nicht-garantierten Vertrag zu sprechen. Erinnert von der Größe und der Spielweise an J.J. Barea und war im Sommer von vielen europäischen Klubs umworben, nachdem der Vertrag bei Panathinaikos auslief.

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