NBA

Des Königs treuer Jumper

Von Thorben Rybarczik
Clevelands Offense steht und fällt mit dem Wurf von LeBron James
© getty

Um den Erfolg aus Spiel 5 zu wiederholen, sind die Cleveland Cavaliers auf den Jumper von LeBron James angewiesen - während der Heimvorteil gar nicht so wichtig scheint. Bei den Golden State Warriors brennt Draymond Green auf Wiedergutmachung und steht dabei unter Sonderbeobachtung. Durch den Ausfall von Andrew Bogut ist er wichtiger denn je.

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Glaubt man den Worten von Draymond Green, dann würde es Game 6 Finals 2016 gar nicht geben, wenn er in Game 5 dabei gewesen wäre. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit mir gewonnen hätten", so der Rüpel, der die Partie nicht mal in der Arena verfolgen durfte. "Das war vielleicht der merkwürdigste Tag meines Lebens."

Green fehlte den Dubs an allen Ecken und Enden, besonders in der Helpside - nun ist er wieder dabei und brennt darauf, seine Abwesenheit am Dienstag auszubügeln. "Die Suspendierung liegt hinter mir. Jetzt haben wir die Möglichkeit, etwas zu erreichen, wovon ich nicht weiß, ob das überhaupt schon mal jemand geschafft hat." Das hat es - und zwar die Boston Celtics 1968 und 1969 gegen die Lakers. Die Rede ist von dem Kunststück, Back-to-Back auf demselben, fremden Court die Championship einzufahren.

LeBron James dürfte es bei dem Gedanken daran grauen. Schließlich weiß er, wie es sich anfühlt, dem Gegner im eigenen Wohnzimmer beim Jubeln zuzuschauen. Zweimal die Spurs, einmal die Mavs, letztes Jahr die Warriors - der König ist ein beliebter Gastgeber, wenn es darum geht, in seinem Revier die Larry O'Brien Trophy in die Höhe recken zu dürfen.

Heimvorteil? Egal

Überhaupt scheint der Heimvorteil in den Finals nicht mehr so entscheidend zu sein, wie zuvor angenommen. Die Cavs, bis dato ohne Niederlage in der Quicken Loans Arena durch die Postseason gerauscht, kassierten in Spiel 4 ihre erste Pleite - nur um den Warriors anschließend deren erst vierte Heimniederlage der kompletten Saison zuzufügen. "Beiden Teams haben in der Serie gezeigt, dass sie auswärts gewinnen können", so James. "Ich denke also, der Spielort ist nicht ganz so wichtig."

Viel wichtiger erscheint ihm das Mythen umrankte Momentum: "Es hat sich schon in der ganzen Postseason gezeigt, dass das entscheidend sein kann." Nur irgendwie steht nicht so ganz fest, auf wessen Seite das Momentum eigentlich steht. Für die Warriors spricht die Rückkehr von Green und die Tatsache, dass sie trotz einer eher mäßigen Leistung und trotz eines außerirdischen Auftritts von Kyrie Irving und James zuletzt alles andere als chancenlos waren.

Kyrie Irving: Der Fluch des Unclew Drew

Für die Cavs wiederum spricht genau dieser Auftritt der Big Two (sorry, Kevin) - und der Fakt, dass sie im Prinzip seit dem 1-3-Rückstand nichts mehr zu verlieren haben. Bleibt die Frage, ob LeBron und "Uncle Drew" in der Nacht auf Freitag einen ähnlichen Kraftakt hinlegen können - und ob beim Erstgenannten der Wurf von draußen fällt.

Die Welt schaut auf den Jumper

Denn die Offense der Cavaliers steht und fällt mit dem Jumper von James. Dieser ist der einzige Weg, um Kettenhund Andre Iguodala abzuschütteln, der besonders die Drives seines Gegenübers hervorragend im Griff hat. Gegen einen von draußen werfenden (und treffenden) LBJ ist aber auch der Finals MVP aus dem Vorjahr machtlos - mit verheerenden Auswirkungen für den Titelverteidiger.

Eine Beleg dafür haben die Statistiker von ESPN geliefert. Bei den beiden Siegen der Cavs streute James 29 Punkte von außerhalb der Zone ein, bei den drei Niederlagen insgesamt nur 14. Bei den Siegen waren es von dort 12 von 26 Treffer, bei den Niederlagen 5 von 20 (Dreier: 5/10 gegenüber 4/14).

Was das für Auswirkungen auf den Erfolg von Iggys Defense hat, zeigt ein anderes Zahlenspiel auf beeindruckende Weise. Bei den Dubs-Siegen legte James 0,63 Punkte pro Play gegen Iguodala auf, bei den Cavs-Siegen 1,07. Auch bei der Wurfquote zeigt sich diese Diskrepanz: 56,6 Prozent FG gegenüber 29,6.

"Werden Bogut schmerzlich vermissen"

Bei all dem berechtigten Hype um die Leistung von Irving steht also weiterhin außer Frage, wer der mit Abstand wichtigste Spieler im Team von Head Coach Tyronn Lue ist. Das Problem: Mit der Rückkehr von Green wird sich Iguodala vermutlich erlauben, den einen oder anderen Zentimeter näher an James heranzurücken, da die Helpside-Defense wieder elitär sein wird.

Apropos Helpside-Defense. Zu dieser wird Shotblocker Andrew Bogut nichts beitragen können. Nach seinem Sturz auf das Knie wird er nicht mehr in die Finals eingreifen. Besonders in den Anfangsminuten eines Spiels war er häufig ein wichtiger Faktor und startete die eine oder andere Blockparty. "Sein Ausfall schadet natürlich dem Team. Gerade in den ersten Spielen hatte er großen Einfluss auf unsere Defense. Wir werden seine Minuten schmerzlich vermissen", erklärte Head Coach Steve Kerr.

Da seine Einsatzzeit zuletzt etwas nach unten wanderte, sollte er Ausfall des Centers aber nicht so schwer wiegen, wie zuletzt der von Green: Durchschnittlich 12 Minuten, 3,2 Punkte und 2 Blocks stehen in der Finals-Statistik von Bogut. Trotzdem wird Kerr seine Starting Five anpassen müssen: Aller Voraussicht nach wird Iguodala beginnen und Green dafür direkt auf die Fünf rücken. Im Verlauf der Serie kristallisierte sich dieses Lineup ohnehin als das effizienteste für die Warriors heraus.

Die zwei schönsten Wörter der Welt

Bei seiner Rückkehr muss Green derweil aufpassen, dass er sich im Griff hat. Denn ein weiteres Flagrant Foul würde eine weitere, automatische Sperre nach sich ziehen - vor einem möglichen siebten Spiel natürlich der absolute Super-GAU. Da Green von den Cavs-Fans wahrscheinlich ähnlich "nett" behandelt wird wie zuletzt James in der Bay Area, wird er sein Temperament doppelt zügeln müssen. Das Vertrauen von Kerr hat er: "Er ist sich dieser Lage sehr gut bewusst. Ich bin mir sicher, dass er sich in keinster Weise dem Risiko einer erneuten Sperre aussetzen wird."

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Ungewöhnlich ruhig ist es indes um die Splash Brothers geworden, trotz der spektakulären ersten Halbzeit von Klay Thompson in Spiel 5. Stephen Curry blieb erneut blass - erinnert sich aber ohnehin viel weiter zurück als nur vier Tage: "Vor einem Jahr waren wir in der gleichen Situation: mit einer 3-2-Führung in dieser Arena. Wenn man im Hinterkopf behält, dass man das schon einmal alles gemeistert hat, hilft das", so der MVP, der sein einziges starkes Spiel in den Finals auswärts hingelegt hatte.

Auf der anderen Seite hat LeBron James etwas ganz anderes im Hinterkopf: "Wir haben die großartige Möglichkeit, unseren Homecourt zu verteidigen und dann die zwei schönsten Wörter aller Zeiten zu erleben: Game 7."

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