NBA

Komplizierte Dreiecks-Beziehung

Von Max Marbeiter
Carmelo Anthony (M.) gelangen mit den Knicks bislang erst zwei Saisonsiege
© getty
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Jedenfalls bis zu dieser Saison. Momentan tut sich Melo nämlich ausgerechnet beim Scoring merklich schwer. Zwar gelangen ihm gegen die Jazz 46 Punkte, insgesamt fiel der Punkteschnitt des Forwards allerdings um 3,9 Zähler (23,5). Anthonys Player Efficiency Rating ist sogar erst zum vierten Mal in seiner Karriere unter 20 abgesackt (19,93). Kurz: Noch kommt Melo nicht wirklich mit der Triangle klar.

Dabei hatte sich Anthony nach anfänglicher Skepsis - noch im Frühjahr sprach er davon, mehr zu werfen, "sobald wir verlieren" - einiges von der Triangle versprochen. "Das neue System wird mein Spiel verbessern", erklärte Melo während der Offseason. "Es wird das Spiel meiner Teamkollegen verbessern. Wir werden als Ganzes erfolgreich sein." Das sind die Knicks momentan jedoch nicht. Von zehn Spielen haben sie zwei gewonnen. Die Triangle zu erlernen benötigt Zeit. Mitunter auch Überzeugungsarbeit.

So war Michael Jordan zu Beginn alles andere als angetan, als ihm Jackson eröffnete, er solle den Ball ab sofort doch bitte etwas häufiger mit seinen Teamkollegen teilen. Das Ende ist bekannt. Teilweise jedenfalls. Denn um die ganz großen Erfolge zu feiern, vertraute Jax dann doch auf Jordan, der während seiner Zeit unter dem Zen-Meister im Schnitt 23,4 Würfe nahm. Und auch Kobe drückte als Triangle-Laker 20,4 Mal pro Spiel ab.

Weniger Würfe? Eher nicht!

Melos ließ sich dennoch zur Vorhersage verleiten, er würde aufgrund des neuen Systems ab sofort seltener den eigenen Abschluss suchen. Nun ja, allzu groß ist der Unterschied zwischen den 21,3 Abschlüssen aus der vergangenen Saison und den 20,4 während der ersten zehn Spiele dieser Spielzeit nicht. Wurfwütiger als die Herren Jordan und Bryant ist Anthony allerdings ebenfalls nicht.

Das ist gleichzeitig jedoch der Punkt: Es geht nicht einzig darum, weniger zu werfen. Wichtig ist vor allem, weniger schlechte Würfe zu nehmen, das gesamte Team in die Offense zu integrieren, um weniger ausrechenbar zu sein. So traten auch MJ und Kobe meist als Closer auf, einfach, weil sie es am besten konnten. Nur nahmen sie eben nicht immer den erstbesten Wurf.

"Carmelo hat diverse Beispiele von Spielern, die in diesem System erfolgreich waren", sagt deshalb auch Fisher. "Michael ging neue Wege, um im System erfolgreich zu sein. Ich denke, Carmelo hat deshalb im Grunde einen Vorteil, weil er sich ein Beispiel an einigen der besten Spieler aller Zeiten nehmen kann."

Kontakt zu Kobe

Dass Melo durchaus gewillt ist, diesen Vorteil auch zu nutzen, bewies er, als er im Sommer Bryant kontaktierte, um sich von ihm das System erklären zu lassen. Auch mit Scottie Pippen hat er gesprochen. Alles wird sich Anthony allerdings nicht von seinen beiden quasi-Vorgängern abschauen können.

Denn wo sich Jordan und Bryant rein von den Anlagen her auf dem Court ähnlich waren, wie es zwei unterschiedliche Spieler nur sein können, ist Melo ein anderer Typ. Melo ist kein Guard, kein Ballhandler. Das wissen auch die Knicks. "Carmelo wird nicht die Angriffe einleiten", erklärt Jackson. "Er soll nach vorn gehen und unterschiedliche Positionen bekleiden. Andererseits wird seine Position relativ genau definiert sein. Ich denke, er wird sich in seiner jeweiligen Position wohl fühlen."

Heißt: Dank verbessertem Ballmovement und mehr Dynamik abseits des Balls sieht sich Melo nicht mehr ständig Double Teams gegenüber, soll einfacher Würfe bekommen, vielleicht sogar wieder ein wenig in die Rolle seiner Anfangstage in Denver schlüpfen. Dort ging einem Großteil von Anthonys erfolgreichen Würfen nämlich ein Assist voraus, erst bei den Knicks suchte der Forward vermehrt die Isolation.

Melo: Mehr Passing als gedacht

Theoretisch bietet die Triangle Melo also einige Vorteile. Allerdings fordert sie ihm auch einiges ab. Das Read-and-React-Prinzip kennt Anthony nicht. Früher machte er einfach. Er ließ die Defense auf ihn reagieren. Das genügt nun nicht mehr. Anthony ist nicht mehr nur als Scorer gefragt, er muss die Offense durch sein Passspiel am Laufen halten, Jackson - und damit Fisher - hasst auf dem Court schließlich nichts mehr als einen Ballhog, der den Spalding erst einmal ewig in seinen Händen hält und den offensiven Fluss damit zum Erliegen bringt.

Für den einen oder anderen mag das wie eine perfekt auf Anthony zugeschnittene Stellenanzeige klingen. Allerdings hat der Forward bereits bewiesen, dass unter "P" auch in seinem Duden "Passen" zu finden ist. Vergangene Saison spielte er beispielsweise 40,7 Pässe pro Spiel und damit mehr als Kevin Durant und "Playmaker" Lance Stephenson (beide 38,9).

Zudem versteht es Melo auch, den richtigen Pass zu spielen. So vollendeten seine Teamkollegen während der Spielzeit 2013/14 immerhin die Hälfte von Anthonys 484 Assist-Gelegenheit, gab ein anderer Spieler den Pass, waren es lediglich 47 Prozent.

In dieser Saison spielt Melo bislang die siebtmeisten Assists aller Small Forwards (3,7). Mit einer Assist Ratio von 12,8 liegt er positionsintern allerdings gerade einmal auf Rang 28. Ganz ist Anthony also noch nicht in der Triangle Offense angekommen. Wie das gesamte Team übrigens. Die Knicks zögern noch zu häufig beim cutten und passen, denken zu viel nach.

Wo bleibt die Effizienz?

In Sachen Offensive Efficiency liegen sie ligaweit so lediglich auf Rang 21. Was eigentlich die Effektivität fördern soll, hemmt sie. Derzeit jedenfalls. Inwieweit all diese Probleme schnell zu lösen sind, muss sich allerdings zeigen. Schließlich passt das Team noch nicht perfekt zum System. Abgesehen von - mit Abstrichen - Amar'e Stoudemire mangelt es an Präsenz im Post. Dazu fehlt Melo der zweite Star, ein Pippen, ein Shaq respektive - je nach Sichtweise - Kobe oder Gasol.

Das Team muss sich noch finden. Ewig Zeit wird es aber nicht bekommen. "An Thanksgiving, im Dezember, ist es Zeit, zu sagen, 'wenn du es bis jetzt noch nicht verstanden hast, müssen wir dich als Lerner oder eben nicht als Lerner sehen", erklärte Phil Jackson gegenüber der "New York Post". Was ein wenig kryptisch klingt, soll wahrscheinlich heißen, dass der Zen-Meister auszusieben gedenkt. Wer das System versteht, bleibt, wer nicht - eben nicht. Auch Jax hofft schließlich auf seinen zwölften Ring.

Seite 1: Die Grundidee der Triangle Offense

Seite 2: Melo und die Triangle

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