Geisterjäger, Säufer & die Presswurst

Michael Edwards (l.) war eine der schrillsten Personen im Wintersport
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Matti Nykänen

"Grüße aus der Hölle!" Man hätte für das Buch über das Leben des Matti Nykänen keinen treffenderen Titel finden können. Der frühere finnische Skispringer war ein Pendler zwischen Genie und Wahnsinn. Auf der Schanze absolute Weltklasse, holte er vier Mal Olympia-Gold, sechs Mal WM-Gold, gewann zwei Mal die Vierschanzentournee und unglaubliche 46 Weltcupspringen.

Doch nach der Karriere ging es rapide bergab, der heute 52-Jährige wurde zum beinharten Alkoholiker. "Ich habe getrunken, weil ich nichts anderes zu tun hatte", erklärte er vor Jahren. Mal war er tagelang verschollen, dann tauchte er in irgendeiner Bar wieder auf.

Der beste Skispringer der 80er Jahre erlebte fünf Scheidungen, überlebte einen Herzinfarkt und trat als Popsänger zunächst in mehr oder weniger dubiosen Etablissements auf, ehe er sogar selbst blank zog und sich als Stripper versuchte.

Außerdem landete er mehrfach im Gefängnis. 2004 geriet Nykänen mit seiner Frau unter Verdacht des versuchten Totschlags. Ihnen wurde vorgeworfen, einen Freund im Alkoholrausch nach einem Streit ums Fingerhakeln niedergestochen zu haben.

"Die Hölle ist nicht so schlimm, wie es mein Leben war", bilanzierte Nykänen einmal, der auch durch eine Messerattacke auf seine Frau für Schlagzeilen sorgte. Heute scheint er sein Leben einigermaßen im Griff zu haben, verdient finnischen Medienberichten zufolge gutes Geld als Sänger.

Harri Olli

2007 in Sapporo wurde er mit dem hauchdünnen Rückstand von 0,2 Punkten auf Simon Ammann Vize-Weltmeister - sein größter Erfolg. Bleibenden Eindruck hinterließ Harri Olli allerdings vor allem durch seine Skandale, der finnische Skispringer schoss den Vogel gleich mehrfach ab.

Skiflug-WM 2008 in Oberstdorf: Olli holte mit der Mannschaft Silber. Anstatt mit dem Team zu feiern, ließ es der damals 22-Jährige mit einer Sex-Orgie in seinem Zimmer krachen. Als er Stunden später völlig betrunken zur Party der Kollegen zurückkehrte, erzählte er stolz, gleich zwei Frauen auf einmal verwöhnt zu haben. Bei der Heimkehr bezeichnete er gegenüber Journalisten den Trainer als "Wichser" und wurde suspendiert.

Juni 2008: Wenige Monate nach Oberstdorf wurde der Mathematik-Student mit 141 km/h in seinem Auto erwischt - bei erlaubten 80. Natürlich mit Alkohol im Blut, 0,65 Promille exakt.

2010 in Kuusamo: Olli musste nicht zwingend betrunken sein, um für Skandale zu sorgen. Nach einem Sprung auf den Vorbau fuhr er den Backen hinab und zeigte der verdutzten Jury den Mittelfinger, weil die trotz mieser Bedingungen den Sprung freigab.

August 2012: Olli attackierte wie schon so häufig zuvor eine Frau. Sein Auftritt vor Gericht sorgt in Finnland noch heute für Kopfschütteln. Er zeigte den anwesenden Journalisten den Stinkefinger und beschimpfte andere beteiligte Personen lautstark.

Sommer 2013: Olli, zwischenzeitlich vom Skispringen zurückgetreten, wollte es noch einmal wissen und peilte die Qualifikation für die Winterspiele in Sotschi an. Um sich richtig in Form zu bringen, reiste er nach Österreich ins Sommertrainingslager. Dazu nahm er sich als Trainer - festhalten - Matti Nykänen mit.

Was die beiden in Österreich trieben, ist nicht übermittelt. Von Olympia blieb Olli aber so weit entfernt wie die Erde vom Mond.

Philip Boit

Er war ein passabler Mittelstreckenläufer, für den großen Durchbruch reichte es aber nicht. Also nahm Philip Boit das Angebot von Nike an, Langläufer zu werden. Die ursprünglich als reiner Werbegag geplante Aktion nahm im Laufe der Jahre skurrile Züge an, so dass der Kenianer zu einer Legende unter den zahlreichen Wintersport-Exoten wurde.

Aber der Reihe nach. Boit wurde zum Training nach Finnland geflogen - und war entsetzt. Mit diesem Schnee, den er erstmals zu Gesicht bekam, konnte er rein gar nichts anfangen. Dass das weiße Zeugs auch noch kalt war, machte es ihm nicht sympathischer.

Trotzdem hielt Boit durch und nahm 1998 in Nagano tatsächlich am Zehn-Kilometer-Rennen teil. Nach 47 Minuten und 25 Sekunden erreichte er das Ziel - als Letzter und 20 Minuten nach dem Sieger Björn Dählie.

Weil er so lange unterwegs war, wurde sogar die Siegerehrung verschoben. Als der Exot endlich ins Ziel kam, wurde er schon erwartet - von niemand geringerem als dem frischgebackenen Olympiasieger. Der wollte Boit unbedingt gratulieren. Der Afrikaner war ob der Geste gerührt, einen seiner Söhne nannte er deshalb später Dählie Boit.

2002 und 2006 nahm Boit noch einmal bei Spielen teil. "Mein Ziel ist es, Weltmeister oder Olympiasieger zu werden. Ich träume davon, der erste Afrikaner zu werden, dem das gelingt. Ich werde es schaffen", sagte er. Das blieb ihm dann aber doch verwehrt.

Bruno Banani

Es schien eine Geschichte für Sport-Romantiker zu sein. Aus einem Informatikstudenten vom Südseeinselstaat Tonga war ein Rennrodler geworden. Doch dann der Schock: Bruno Banani heißt gar nicht Bruno Banani, sondern Fuahea Semi.

Der Name Fuahea Semi lässt sich nicht so gut zu Geld machen, dachte sich eine deutsche Marketing-Firma. Also wurde Semi ganz offiziell umbenannt, erhielt sogar eine neue Geburtsurkunde und heißt seither wie eine Unterhosen-Marke aus Chemnitz, von der er unterstützt wird.

Die Marketingindustrie hatte einmal mehr die Strahlkraft des Sports gnadenlos ausgenutzt. Obwohl es massive Kritik am Vorgehen gab, durfte der im Rahmen eines von der Prinzessin von Tonga veranstalteten Castings ausgewählte und von der deutschen Isabel Barschinski trainierte Bruno Banani weitermachen.

Schließlich schaffte er es tatsächlich zu den Spielen nach Sotschi. "Für mich ging ein Traum in Erfüllung", meinte der 27-Jährige - und seine Geschichte wurde im vergangenen Sommer im Dokumentarfilm "Being Bruno Banani" nacherzählt.

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