Großbritannien verfällt in Murray-Mania

SID
Die Autogramme von Andy Murray sind nach dessen Finaleinzug begehrter denn je
© Getty

Selbst Queen Elizabeth II ließ ihren Sprecher erklären, warum sie nicht zum Wimbledon-Finale zwischen Andy Murray und Roger Federer kommen kann. Der Schotte soll eine lange Durststrecke beenden und setzt dabei auf die Unterstützung seiner Landsleute. Das allein wird jedoch nicht zum Sieg reichen: Federer spielt Rasentennis in Perfektion.

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Die Herzogin von Cambridge - besser bekannt als Kate, Frau von Prinz William - hat sich bereits angesagt. Auch Regierungschef David Cameron gibt sich die Ehre. Und auch wenn ein Sprecher des Buckingham-Palast erklärte, dass die Queen wegen privater Verpflichtungen nicht vorbeischauen könne, trägt dieser finale Sonntag der All England Championships Züge eines Nationalfeiertages.

Dank Andy Murray kommen die Briten nach 74 Jahren wieder über die Rolle des Gastgebers beim Männer-Endspiel hinaus. "Finally", titelten "Daily Mirror", "Times" und andere Blätter. Endlich hat nach Henry "Bunny" Austin wieder ein Brite das Finale erreicht. Dort wartet allerdings Roger Federer.

Als Andy Murray am Freitag im Halbfinale gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga, seinem vierten hintereinander in Wimbledon, die Bürde der Vergangenheit abgelegt und Geschichte geschrieben hatte, war er den Tränen nahe.

"Das ist mir bisher in einem Semifinale noch nie passiert", bekannte der 25-Jährige, der zweimal bei den Australian Open und einmal bei den US Open die letzte Stufe eines Grand-Slam-Turniers erreicht hatte, das jeweilige Finale allerdings jeweils verlor. "Offensichtlich hat mir das einiges bedeutet. Es war mir sehr, sehr wichtig", fügte Murray hinzu.

Respekt für den spröden Schotten

Nach dem bedeutungsschwangeren Vorstoß ins Endspiel, in dem Murray nach 76 Jahren Fred Perry als letzten britischen Wimbledonsieger ablösen kann, war er schnell wieder ganz der spröde Schotte. Murray redete über den größten Moment seiner Karriere mit jener Begeisterung, mit der Menschen vom Besuch beim Zahnarzt berichten.

Es ist seine Attitüde, die es den Engländern so schwer gemacht hat, mit Murray so warm zu werden wie früher mit Tim Henman. Er wird mehr respektiert als geliebt. Er denke zuerst an sich, dann an die Nation und zum Schluss an die Geschichte, äußerte der in Barcelona zum Tennisprofi ausgebildete Brite noch dieser Tage.

Dennoch hat er mit seinen Erfolgen eine Murray-Mania ausgelöst. Der Fernsehsender BBC rechnet damit, dass die 20 Jahre alte Final-Rekordquote überboten wird. Tickets für das Endspiel könnten laut "Times" mit bis zu 15.000 Euro gehandelt werden. 15.000 Menschen fasst der Centre Court.

Murray will Hilfe der Zuschauer

Murray setzt auf den Rückhalt durch die Landsleute. "Ich hoffe, dass die Zuschauer hinter mir stehen. Sie haben mir in den letzten Spielen in schwierigen Momenten geholfen, und ich brauche ihre Unterstützung am Sonntag definitiv wieder", sagte Murray.

Selbst wenn er sie gegen den sechsmaligen Wimbledonsieger und von den Briten ins Herz geschlossenen Roger Federer erhalten sollte, wird das allein nicht reichen.

Der Schweizer zelebrierte gegen Titelverteidiger Novak Djokovic Rasentennis in Perfektion und ließ keinen Zweifel daran, dass er wieder Geschichte schreiben will. "Ein Sieg über Roger in einem Grand-Slam-Finale ist eine massive Herausforderung", sagte Murray.

Zwei Gand-Slam-Endspiele gegen Federer verloren

Der Weltranglisten-Vierte weiß, wovon er spricht. In den direkten Duellen führt er zwar mit 8:7, zwei seiner drei Grand-Slam-Endspiele verlor er aber gegen Federer glatt in drei Sätzen. Wenn er sein allerbestes Tennis spiele und seine Nerven zusammenhalte, "kann ich gewinnen. Ich traue es mir zu", sagte Murray.

Das letzte Mal, dass Großbritannien einen Wimbledonsieg bejubelte, war 1977 der Triumph von Virginia Wade. Jene Britin, von der Murray noch vor fünf Wochen bei den French Open als "Drama-Queen" kritisiert worden war.

Vor 35 Jahren hatte es sich Elisabeth II. nicht nehmen lassen, im Jahr ihres silbernen Thronjubiläums die Trophäe an Miss Wade selbst zu überreichen. 2012 feiert das Königreich 60 Jahre Regentschaft Ihrer Majestät. "Ich bin nicht sicher, ob sie am Sonntag hier sein wird, aber es wäre schön", meinte Murray. Der Mann, dessen Halbfinalsieg 15.000 Zuschauer von den Sitzen riss außer seinem stoischen Coach Ivan Lendl, ist doch ein echter Brite.

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