Lisicki: "Ich liebe dieses Gefühl"

Von Interview: Florian Regelmann
Sabine Lisickis beste Weltranglistenplatzierung war bis jetzt Rang 21
© Getty

Sabine Lisicki hat sich mit ihrer Halbfinal-Teilnahme in Wimbledon wieder in der Weltspitze etabliert und ist bei den anstehenden US Open in New York neben Andrea Petkovic und Julia Görges die große deutsche Hoffnungsträgerin. Die 21-Jährige über ihren Drang auf die große Bühne, den steinigen Weg zurück an die Spitze, das Ballkind-Problem und die Geschichte, wie sie American Football lieben lernte.

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SPOX: Wer an Sabine Lisicki denkt, denkt in erster Linie an eine Spielerin, die das Rampenlicht liebt. Je größer die Bühne, desto besser spielen Sie. Wimbledon war in diesem Jahr schon wieder das beste Beispiel. Können Sie erklären, was in Ihnen vorgeht, wenn Sie auf dem Centre Court spielen?

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Sabine Lisicki: Ich liebe es einfach. Ich liebe es, vor Publikum zu spielen. Das war schon immer so. Ich habe die große Bühne nie gescheut. Als ich klein war, habe ich es schon gemocht, wenn viele Leute zugeschaut haben. Und als ich verletzt war, habe ich gemerkt, wie sehr es mir fehlt, auf den größten Plätzen der Welt zu stehen und die Energie des Publikums zu fühlen. Deshalb schätze ich auch meine Fans so sehr. Weil sie mir so viel Kraft geben. In Wimbledon war das nicht anders. Es hat super viel Spaß gemacht und war ein unbeschreibliches Gefühl, auf dem Centre Court zu stehen und 15.000 Menschen im Rücken zu haben. Ich liebe dieses Gefühl.

SPOX: Wie bereiten Sie sich denn auf Ihre Matches vor? Gibt es Rituale?

Lisicki: Neben dem normalen Aufwärmen und Einschlagen höre ich vor allem Musik. Zuletzt habe ich mich mit "Not afraid" von Eminem und "Just can't get enough" von den Black Eyed Peas eingestimmt. Dann geht es raus auf den Platz und sobald ich da bin, bin ich fokussiert und möchte gewinnen, egal wer auf der anderen Seite steht.

SPOX: Sie waren durch Ihre Verletzungsprobleme in der Weltrangliste weit zurückgefallen, sogar aus den Top 200. Was sagen Ihnen Shrewsbury, Torhout, Midland, Nassau oder die Bronx?

Lisicki: Das waren alles kleinere Turniere, die ich in den letzten beiden Jahren spielen musste. Es war echt eine sehr, sehr schwere Zeit. Vor allem deshalb, weil ich mich vor drei, vier Jahren ja genau aus diesem Level herausgekämpft hatte. Ich war so glücklich, als ich erst die Top 200 und dann vor allem die Top 100 geknackt hatte. Als ich mich dann verletzt habe, stand ich auf Platz 24 der Welt und war bei den Grand Slams gesetzt. Und dann kommst du zurück und musst überall Quali spielen. Du musst sogar bangen, überhaupt in der Quali drin zu sein. Das war zwar nicht neu, aber es war kein so tolles Gefühl.

SPOX: Was geht einem da durch den Kopf?

Lisicki: Warum ich? Das darf man zwar gar nicht denken, aber am Anfang hatte ich das mal im Kopf. Ich hätte mir auch nicht gedacht, dass es so schwer ist, wieder an die Spitze zurückzukommen. Ich habe mir dann gesagt, dass ich es mir leichter mache, je schneller ich mich an den Gedanken gewöhne, ein paar kleinere Turniere spielen zu müssen. Von diesem Zeitpunkt an ging es dann besser.

SPOX: Was sind denn so die Annehmlichkeiten, an die man sich vielleicht gewöhnt hat, die es aber bei kleineren Events plötzlich nicht mehr gibt?

Lisicki: Es ist zum Beispiel schwer, keine Ballkinder mehr zu haben. Das hört sich vielleicht komisch an, aber wenn man nur einen Ball nimmt und den Aufschlag dann ins Netz haut... Das war eine Sache, die ich drei Jahre nicht mehr gemacht hatte. So was bringt einen total aus dem Rhythmus. Daran musste ich mich erst wieder gewöhnen und das hat ein wenig gedauert. Ich wusste aber immer, dass ich zurückkommen werde. Ich hatte nie Zweifel.

SPOX: Zweifel vielleicht nicht, aber der Frust war zwischendurch sicher groß. Sie haben auf Ihrem Twitter-Account geschrieben, dass Sie noch nie einen Schläger zerhackt haben. Ist das wirklich wahr?

Lisicki: Ja, das ist so.

SPOX: Was muss denn passieren, damit Sie mal komplett ausrasten?

Lisicki: (lacht) Keine Ahnung, so schnell bringt mich auf jeden Fall nichts aus der Fassung.

SPOX: Gibt es Sportler, die Sie inspiriert haben oder noch inspirieren? Sie haben erzählt, dass Sie die Autobiografie von Lance Armstrong gelesen haben.

Lisicki: Mehrmals sogar. Das war immer wieder sehr motivierend. Ansonsten habe ich auch ein Buch von Drew Brees (Quarterback-Superstar der New Orleans Saints, Anm. d. Red.) gelesen. Er hat beschrieben, wie nach seiner Schulterverletzung alle schon gesagt haben, dass seine Karriere vorbei ist. In seiner Schulter war alles Mögliche kaputt, aber er ist stärker zurückgekommen. Er hat wie ich auch eine Glutenunverträglichkeit, es gibt einige Parallelen. Und ein Buch von Hermann Maier habe ich auch gelesen.

SPOX: Sie sprechen die Ernährungsumstellung an. Novak Djokovic ist, seitdem er seine Ernährung umstellen musste, on fire. Auf was müssen Sie achten, wenn Sie Essen gehen?

Lisicki: Es fällt sehr viel weg, ich darf zum Beispiel kein Brot und keine Nudeln mehr essen. Man muss immer mit dem Koch sprechen, weil es ziemlich kompliziert ist.

SPOX: Jetzt stehen die US Open vor der Tür. Mit welcher Erwartungshaltung gehen Sie ins letzte Grand Slam des Jahres?

Lisicki: Mit gar keiner Erwartungshaltung. Ich bin nach Wimbledon gekommen und wollte einfach nur Spaß haben und kämpfen. Warum sollte ich daran etwas ändern? Das hat doch sehr gut funktioniert, oder? (lacht)

SPOX: Das kann man wohl sagen. Die Grand Slams bei den Damen zu tippen, gestaltet sich ja immer schwieriger. Wie sehen Sie die Ausgangslage?

Lisicki: Es ist wirklich schwer einzuschätzen. Es gibt Spielerinnen, die werden in New York vielleicht noch mal aufdrehen, andere kommen mit der Bühne vielleicht nicht so gut zurecht. Es ist extrem offen und es wird auf die Tagesform ankommen. Es gab auch viele Überraschungen bei den letzten Turnieren, von daher wird es sehr interessant. Mal schauen, wer am Samstag der zweiten Woche dann den Pokal in den Händen hält.

SPOX: Woran arbeiten Sie im Moment besonders? Geht es da mehr um Sachen wie Match-Taktik, dass man innerhalb eines Matches auch mal auf Dinge reagieren lernt, oder geht es mehr darum, konstanter zu werden?

Lisicki: Es geht um alles. Ich kann mich in allen Bereichen noch verbessern. Das ist auch das Positive. Wenn ich nichts mehr sehen würde, was ich noch verbessern könnte, würde das ja heißen, dass ich mein Limit erreicht hätte. Mein Ziel ist es, jeden Tag ein bisschen besser zu sein. Ich arbeite hart, aber ich habe gleichzeitig auch Spaß. Das will ich beibehalten.

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SPOX: Was ist eigentlich Ihr Lieblingsschlag? Ihren krachenden Aufschlag kennen Ihre Gegnerinnen sehr gut, Ihre Stopps auch...

Lisicki: Schwer zu sagen. Ich würde sagen, dass ich einfach sehr gerne Tennis spiele. Mir macht es Spaß, auf dem Platz zu stehen, Stopp-Bälle zu spielen, kurz-cross zu spielen, mal schnell, die ganze Palette. Und mein Aufschlag ist eben eine ganz gute Waffe, auf die möchte ich nicht verzichten.

SPOX: Sie haben von Anfang an ganz offen von Ihrem Ziel gesprochen, die Nummer eins der Welt werden zu wollen. Zwischenzeitlich ist dieses Ziel in weite Entfernung geraten, jetzt ist es aber wieder etwas näher gerückt.

Lisicki: Ich denke, das wird aber noch ein bisschen dauern. Man muss sehr, sehr viele Punkte sammeln, um ganz nach oben zu kommen. Ich gebe mir die Zeit dafür und will mich nicht unter Druck setzen. Mein nächstes Ziel sind die Top 20, die habe ich noch nicht geknackt und darauf konzentriere ich mich. Ich hatte mir für diese Saison ja die Top 50 vorgenommen, das habe ich schon weit übertroffen, insofern ist der Rest nur noch Bonus. Trotzdem möchte ich natürlich nicht da bleiben, wo ich jetzt bin. Ich werde weiter hart arbeiten und mein Bestes geben. Wenn ich das mache, kann ich auch mit mir zufrieden sein. Man kann auch nicht jeden Tag sein bestes Tennis spielen. Leider.

SPOX: Im nächsten Jahr sind die Olympischen Spiele in London. Wie sehr ist dieser Höhepunkt schon in Ihrem Kopf?

Lisicki: Ich freue mich sehr, dass ich hinfahren werde. Beim letzten Mal wurde es mir leider verwehrt, aber jetzt möchte ich unbedingt dabei sein. Olympische Spiele, dann noch auf Rasen - es wird ein sehr spezieller Event für mich persönlich werden.

SPOX: Mit Andrea Petkovic, Julia Görges und Ihnen hat Deutschland drei Mädels, die in den nächsten Jahren in der Weltspitze mitspielen werden. Inwiefern hilft es Ihnen, dass es noch zwei andere "Olle" gibt?

Lisicki: Unsere Saison ist so lang, dass es wirklich schwer ist, das ganze Jahr vorne mitzumischen. Wenn man dann zu dritt ist, verteilt sich auch der Druck ein wenig. Wenn die eine mal früh verliert, gibt es immer noch zwei andere. Es ist denke ich für das Publikum interessant, drei verschiedene Mädels zu haben. Und für den Fed Cup ist es auch gut.

SPOX: Ich muss zum Schluss noch mal auf Drew Brees zurückkommen. Sie sind also wirklich NFL-Fan?

Lisicki: (lacht) Ja, ich bin Fan der Saints. Wegen Drew Brees. Das war ganz lustig, wie das bei mir mit American Football angefangen hat. Als ich vor zweieinhalb Jahren verletzt war, habe ich mich in den USA behandeln lassen und die Physios gebeten, dass sie mir doch bitte mal die Regeln beibringen sollen. Ich lebe in den USA und habe keine Ahnung vom Football, das konnte so nicht weitergehen. Deshalb habe ich sie gebeten, mich aufzuklären, damit ich nicht mehr so ahnungslos dreinschaue.

SPOX: Und jetzt?

Lisicki: Wenn man die Regeln nicht kennt, ist es nicht so interessant, aber sobald ich Bescheid wusste, fand ich es einfach nur toll. Es macht mir richtig viel Spaß, beim American Football zuzuschauen. Da passiert immer was, da ist immer Action - das ist genau das, was ich mag.

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