Muller lässt sein Sofa im Stich

Von Lars Wertgen
Gilles Muller, US Open
© Getty

Zwischen all den gewohnten Namen und Favoriten spielt sich auch ein Außenseiter ins Rampenlicht der US Open.

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Normalerweise ist Luxemburg überwiegend als Finanzmetropole bekannt. Gilles Muller bereichert das Herzogtum nun durch US-Open-Erfolge über gestandene Spieler wie Tommy Haas und Nikolai Dawidenko zusätzlich mit sportlichem Glanz.

Als erster Qualifikant seit 1999 erreichte der 25-Jährige in Flushing Meadows die Runde der letzten Acht. Einem Turnier, in dem die Nummer 130 der Welt Ups and Downs durchlebte, Höhen und Tiefen, die auch seine bisherige Karriere prägten.

Mehr Kosten als Einnahmen

Nach dem Muller die US Open der Junioren gewann, stieg er 2001 ins Profigeschäft ein und feierte vier Jahre später seine aufsehenerregendsten Erfolge. Rafael Nadal warf er aus dem Wimbledon-Turnier, im Erstrundenmatch der US Open eliminierte er Lokalmatador Andy Roddick und gewann bis heute sieben von zehn Begegnungen gegen Top-10-Spieler.

Als er anschließend an die Tür der Top 50 klopfte, folgte der Abstieg. Muller konnte seine Leistungen nicht bestätigen, verlor immer mehr an Boden in der Weltrangliste und an Selbstvertrauen.

Muller rutschte zurück in die Challenger Tour, verlor weiter Spiel um Spiel - und viel Geld. Seine Einnahmen waren beharrlich niedriger als der Aufwand, weshalb sich der 1,95-Meter-Hühne irgendwann die Frage stellte: "Soll ich weiter spielen?".

Über Istanbul ins kalte Wasser

Über Qualifikationsturniere musste sich Muller deshalb in die Hauptfelder der großen Turniere kämpfen. Direkt von einem Challenger-Turnier in der Türkei, ging es quasi vom Flieger auf den Platz der Qualifikation für die US Open.

Mit 6:7 7:6 7:5 gewann er gegen Lamine Ouahab denkbar knapp sein erstes Spiel und zog in die zweite Qualirunde ein. Mit zwei weiteren umkämpften Siegen schaffte es Muller nicht nur ins Hauptfeld, sondern er bekam neue Perspektiven, neues Selbstvertrauen.

Tennis wird im Kopf entschieden

Selbstvertrauen, das er als Lösung seiner sportlichen Misere sieht. Seit 2005 habe er sich technisch nicht bedeutend verbessert, sondern an Spielverständnis und Psyche gearbeitet. "Wenn ich ärgerlich werde, dann werfe ich manchmal meinen Schläger oder sage Kraftausdrücke, aber das Gute ist, dass ich zwei Sekunden später wieder konzentriert im Match stehe", erzählt Muller.

Die neue Selbstsicherheit wird durch seine Außenseiterposition begünstigt. Als er gegen Tommy Haas und Nicolas Almagro einem Zweisatzrückstand hinterherlief, sagte er sich "Come on, du hast nichts zu verlieren" und drehte die Begegnungen mit aggressivem Angriffsspiel. In der Zukunft will er sich vorne etablieren, denn "in den Top 100 spielst du das ganze Jahr über die großen Turniere, das macht das Leben einfacher".

Weiter beflügeln wird ihn, dass er in New York die Millionengrenze (bisher 958.225 Dollar) an Preisgeld knacken wird und er der erste luxemburgische Tennisspieler ist, der in einem Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers steht.

"Sonst sitze ich auf der Couch"

Dort wartet die Nummer zwei der Welt, Roger Federer. Der Schweizer kann den Aufstieg seines Gegners allerdings noch nicht recht einordnen: "Er hätte wohl gar nicht im Viertelfinale sein dürfen. Tommy hätte ihn in drei Sätzen rauswerfen können".

Muller selber geht es nicht anders: "Es ist wirklich verrückt: Sonst verfolge ich die zweite Woche von Turnieren auf dem Sofa."

Mit 112 Assen liegt Muller weit vorne in der Turnierstatistik und macht zu 81 Prozent den Punkt, wenn der erste Aufschlag kommt. Ob die Kraft allerdings nach zwei Fünfsatzkrimis auch für Federer reicht und ob er weiterhin so unbekümmert serviert, wenn einer der besten Spieler aller Zeiten auf der anderen Seite des Netzes steht, wird man sehen. Er selbst macht sich darüber keine Gedanken.

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