"Jennifer Lopez würde nicht mehr Nein sagen"

Von Haruka Gruber
David Haye ist nicht nur Boxer, sondern auch Geschäftsmann und Weltstar mit Hollywood-Flair
© Getty

Er ist der Meister des Trashtalks - und doch steckt in David Haye mehr als das. Ein Geschäftsmann, ein Stratege und ein kommender Weltstar mit einer Mission in Hollywood. Zuvor steht jedoch der Verteidigungskampf des britischen Schwergewichts-Weltmeisters gegen Olympiasieger Audley Harrison an (Sa., 22.45 Uhr im LIVE-TICKER).

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Die Stimmung war gelöst, es floss der Champagner und plötzlich erblickte er sie. Jennifer Lopez. Damals, 1999, eine der begehrenswertesten Frauen der Welt. David Haye, zu dem Zeitpunkt noch ein unbekannter Jüngling mit gelegentlichen Model-Jobs und zu hohem Testosteron-Spiegel, schritt entschlossen auf den Hollywood-Star zu - und baggerte sie ordinär an.

"Was hätte ich machen sollen? Wer immer die Chance bekommt, jemanden wie J.Lo aufzureißen, muss sie ergreifen. Damals war sie atemberaubend", erinnert sich Haye im Gespräch mit SPOX.

Dass Haye kurz darauf von der besagten Feier in London hinausgeworfen wurde, weil ihr Freund und Hip-Hop-Mogul P. Diddy der Gastgeber der Party war, sei lediglich eine unglückliche Fügung gewesen: "Wenn ich es nicht versucht hätte, könnte ich bis heute nicht in den Spiegel schauen."

Verteidigungskampf gegen Olympiasieger

Über eine Dekade später jedoch wagt es wohl niemand mehr, Haye derart zu brüskieren. Während die längst voneinander getrennt lebenden P. Diddy und Lopez vom Ruhm vergangener Tage zehren, steht Haye kurz davor, zu einem globalen Box-Phänomen zu werden.

Der Kampf des 30-jährigen WBC-Weltmeisters gegen den britischen Landsmann Audley Harrison am Samstag (22.45 Uhr im LIVE-TICKER) kann daher nur eine Zwischenstation sein, sagt Haye.

Sein Ziel: "Die Leute sollen wissen, dass ich der gefährlichste Mensch auf dem Planeten bin. Genauso, wie die Welt früher Mike Tyson bewundert hat."

Auch wenn der neun Jahre ältere Harrison als Olympiasieger von 2000 zu den respektableren Namen im Schwergewicht zählt und Experten wie etwa Lennox Lewis einen "engen Fight" erwarten, geht im Grunde jeder von einer souveränen Titel-Verteidigung aus. Und was dann bei der anschließenden Pressekonferenz folgt, wird so amüsant wie vorhersehbar sein.

Bad Boys verkaufen sich besser

Haye wird die Klitschkos beleidigen, sie wahlweise als Weicheier, Raffzähne oder wie zuletzt "Bitchko Sisters" verunglimpfen, sie provokant zu einem Kampf herausfordern und damit bewusst all die Stereotypen bedienen.

Prolet ist noch einer seiner netteren Beinamen. Dabei ist Haye weniger ungehobelt denn berechnend.

Jemand, der die Arbeitsweise der Medien längst durchschaut hat und eben genau das anbietet, wonach sich die Öffentlichkeit sehnt: einen Bad Boy mit Charme.

"Es ist hundertprozentig seine Idee, sich so zu präsentieren. Solange er Spaß daran hat und seine Leistungen im Ring stimmen, lasse ich ihm seine Showeinlagen", sagt Adam Booth, Hayes Trainer, Manager und engster Freund, zu SPOX.

"Haye kannte keine Grenzen"

Booth lernte Haye als 16-Jährigen zufällig in einer Londoner Trainingshalle kennen und erkannte auf Anhieb dessen Talent, aber auch die impulsive, kaum zähmbare Natur.

Booth: "Die Geschichte mit Jennifer Lopez beschreibt ganz gut, wie David früher getickt hat. Er gab in allen Lebenslagen hundert Prozent und kannte keine Grenzen."

Anfangs verschlief Haye die Trainingseinheiten oder fügte sich nur widerwillig den Anweisungen des Coaches. Ihm mangelte es an der nötigen Box-Intelligenz und an der taktischen Disziplin.

"Und er hatte keine Verteidigung, er verließ sich immer auf seinen harten Schlag. Sein Vorgehen war immer: Reinkommen, Gegner umhauen, nach Hause gehen", sagt Booth.

Strategie gegen Walujew geht auf

Doch die ernüchternde Niederlage gegen Carl Thompson 2004 bewirkte ein Umdenken beim anfangs eindimensionalen Puncher. Er wurde strebsamer und gehört heute zu den fittesten und wohl auch klügsten Boxern im Schwergewicht.

Im WM-Kampf gegen Weltmeister Nikolaj Walujew vor einem Jahr etwa ließ er es nicht auf einen K.o. ankommen, sondern suchte geduldig nach den Lücken in der Deckung des Russen und gewann souverän nach Punkten.

Haye mag von vielen auf Trashtalk reduziert werden, mit dem gleichen strategischen Geschick wie gegen Walujew verfolgt er aber auch seine geschäftlichen Interessen. So promotet sich Haye - unter Booth' Mithilfe - selbstständig und spart sich so Vermittlungsgebühren in Millionenhöhe.

Der deutsche Boxstall Sauerland hilft zusammen mit Don King zwar bei der Veranstaltung von Kampfabenden wie dem gegen Harrison, die wesentlichen Entscheidungen treffen aber Haye und Booth, weshalb sie, wie es heißt, auch die Hälfte aller Einnahmen für sich behalten können.

"Ein Fehler, mich auf Muskeln und Sprüche zu reduzieren"

"Die Leute machen einen Fehler, wenn sie mich auf meine Muskeln und Sprüche reduzieren. Wenn sie mir dennoch zujubeln, ist es mir aber recht", sagt Haye.

Damit es so bleibt, erfüllt er weiterhin die Rolle des Rüpels und erzählt bereitwillig, dass er vor einem Kampf sechs Wochen auf Sex verzichtet, um in eine möglichst aggressive Stimmung zu kommen: "Ein ausgehungerter Löwe ist unberechenbar."

Über seine Vergangenheit als Model sagt er: "Die anderen Models sind alles Flaschen. Sie klagen nur darüber, dass keiner wertschätzen würde, wie hart der Job doch wäre. Aber ganz ehrlich: Leichter kann man nicht Geld verdienen. Einfach nur herumstehen und posieren - that's all!"

Wann kommt der Kampf gegen die Klitschkos oder Solis?

Gerne erzählt er auch über seine Kindheit und wie er als Elfjähriger den brutalsten Raufbold der Schule erst alleine, dann vor all dessen Freunden verprügelte. Eine nette Anekdote, die sich gut verkauft - aber vielleicht nicht ganz der Wahrheit entspricht.

"Mein Sohn erzählt gerne, wie hart sein Leben war, dabei geriet er kein einziges Mal in eine Straßenschlägerei. Sein Vater hat ihn ja auch überall hingefahren", verrät seine Mutter, die ihrem Sohn beispielsweise strikt verbot, sich jemals ein Tattoo stechen zu lassen. "Daran werde ich mich immer halten", sagt er.

Großmaul, Box-Star, Geschäftsmann, Muttersöhnchen: David Haye bietet viele Facetten und ist gerade deswegen wohl einer der faszinierendsten Boxer der Gegenwart. Ob er tatsächlich so talentiert ist, wie er von sich behauptet, lässt sich aber erst nach einem direkten Duell mit den Klitschkos oder Ahmet Öners Schützling Odlanier Solis sagen.

Öners Einschätzung: "Haye ist gut fürs Boxgeschäft, weil er neuen Schwung rein gebracht hat. Er verfügt auch über ein gewisses Talent, ob er aber an die Klitschkos und an Solis herankommt, bezweifle ich."

Erst Boxen, dann Hollywood

Haye selbst kündigte im SPOX-Interview vor einigen Monaten an, spätestens 2011 zurücktreten zu wollen. Ob die Ankündigung ernst gemeint oder doch nur ein Manöver ist, um die möglichen Gegner aus der Reserve zu locken, bleibt schleierhaft.

Eines immerhin scheint sicher: Nach seiner Karriere plant Haye eine Karriere in der Entertainment-Branche, wenn möglich sogar in Hollywood. "Ich glaube schon, dass ich mich gut in einem Blockbuster machen würde und mit der Schauspielerei genauso großen Erfolg haben werde wie im Boxen."

Auf die Frage, ob es ihn reizen würde, in Hollywood einen neuerlichen Versuch bei Jennifer Lopez zu wagen, schmunzelt er nur und sagt: "Ich weiß es nicht, aber heutzutage würde sie nicht mehr Nein sagen."

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