Dagurs Grünschnäbel im Aggro-Modus

Das DHB-Team zeigte gegen Slowenien eine tolle Abwehrleistung
© imago

Das DHB-Team wandelt beim Einzug in die Hauptrunde gegen Slowenien auf Oliver Roggischs Spuren. Der Mittelblock überragt, Jannik Kohlbacher sorgt für Power. Es warten schwierige Aufgaben, doch der Hunger der Truppe ist noch lange nicht gestillt.

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Wo Oliver Roggisch früher hinlangte, da gab es blaue Flecken, Beulen und manchmal sogar Platzwunden. Aber vor allem gab es für die Gegner kein Durchkommen. The Rogg war als Spieler ein Abwehr-Fetischist. Einer, der eine Lücke in der Deckung nicht akzeptieren konnte, auch wenn sie noch so klein war.

Mindestens ein bisschen davon scheint der DHB-Teammanager auf die aktuelle Truppe übertragen zu haben. Schon in der zweiten Halbzeit gegen Schweden stand die deutsche Abwehr wie eine Wand, gegen die Slowenen sogar fast über 60 Minuten hinweg.

"Super. Kompliment. Es hat wirklich Spaß gemacht zuzusehen, wie aggressiv die Jungs agiert haben. Selbst in Unterzahl wurde noch richtig gut gedeckt", konnte der Weltmeister von 2007 nach dem zweiten Sieg im dritten EM-Spiel und dem damit verbundenen Einzug in die Hauptrunde seine Begeisterung nicht mehr zurückhalten.

Ein überragender Mittelblock

Der 37-Jährige war damit nicht alleine. "Das war die kompletteste Abwehrleistung in diesem Turnier", schwärmte auch Bundestrainer Dagur Sigurdsson, der nach der Partie in der Jahrhunderthalle von Breslau Sekunden lang nur da stand, grinste und seinen Mannen Applaus spendete.

Die Komplimente gingen natürlich vor allem an den Mittelblock. Finn Lemke und Hendrik Pekeler, der kurz vor Schluss die dritte Zwei-Minuten-Strafe kassierte und Rot sah, klopften den Slowenen unermüdlich auf die Finger, die Hände waren ruckzuck am Mann, wenn der auch nur in die Nähe des deutschen Kastens kam.

"Gerade Lemke hat sich in den drei Spielen bei der EM unglaublich entwickelt. Er hat sich da richtig reingefuchst in seine Rolle. Er brennt. Und mit Pekeler hat er einen Top-Nebenmann", sagte Roggisch.

Kohlbacher als echtes Pfund

Die Abwehr war die Basis dafür, dass Deutschlands Grünschnäbel Gruppenzweiter wurden und zwei Punkte mit in die Hauptrunde nehmen. Seien wir ganz ehrlich: Realistisch betrachtet war das nach den ganzen Ausfällen nicht zu erwarten.

Gegen Slowenien wurde aber einmal mehr deutlich, welch großes Potenzial in den jungen Spielern schlummert. Und wie wichtig es ist, wenn ein Trainer den Jungs auch in Alles-oder-Nichts-Spielen das volle Vertrauen schenkt.

Sigurdsson stellte früh in der Partie Jannik Kohlbacher an den Kreis, der von der ersten Sekunde an ohne Nervosität einfach alles investierte, was er hatte. Drei Tore bei vier Würfen standen für den 20-Jährigen von der HSG Wetzlar am Ende zu Buche, der mit seinem bulligen Körper unzählige Löcher in die slowenische Deckung riss.

"Haben um jeden Ball gekämpft"

"Wir haben hart gearbeitet, um jeden Ball gekämpft. Dass es am Ende relativ deutlich wird, hätte keiner gedacht", meinte Kohlbacher, der schlagartig etwas ruhiger wurde, als in der Mixed Zone alle ein Statement zu seiner persönlichen Leistung hören wollten.

"Mir kam die offensive Deckung der Slowenen entgegen. So hat man als Kreisläufer ein bisschen mehr Platz", erklärte er fast schon lapidar und sprach lieber wieder über den Auftritt der gesamten Mannschaft.

"Wir haben im Angriff geduldig gespielt. Wir suchten nicht überhastet den Abschluss, sondern warteten ab, bis sich klare Möglichkeiten ergaben", so der im hessischen Bensheim geborene U-18-Europameister von 2012.

Was den Angriff betrifft, muss man Kohlbachers Einschätzung nicht zu 100 Prozent teilen. Dem DHB-Team unterliefen erneut ein paar unnötige Patzer. Aber gut: Wenn man will, findet sich immer etwas zum Lamentieren. "Wenn man so in der Abwehr spielt, darf man vorne auch mal ein paar Fehler machen", sagte Sigurdsson zu Recht.

Komplizierte Aufgaben in der Hauptrunde

Der Isländer war es dann, der als erster den Blick vorausrichtete. Am Freitag trifft Deutschland zum Auftakt der Hauptrunde auf Ungarn, am Sonntag geht es gegen Russland, ehe am Mittwoch noch Dänemark wartet. Alle drei Partien werden um 18.15 Uhr angepfiffen.

"Das ist die nächste schwierige Gruppe. Uns bleibt nichts anderes übrig, als von Spiel zu Spiel zu schauen", erklärte Kohlbacher.

Die Ausgangslage: In der Hauptrundengruppe 2 gehen Spanien und Dänemark mit jeweils vier Punkten ins Rennen. Dahinter folgen Russland und das DHB-Team mit zwei Zählern, während Schweden und Ungarn ohne etwas Zählbares starten.

Zwei Siege zum Auftakt gegen Ungarn und Russland und dann ein Endspiel um den Einzug ins Halbfinale gegen die Dänen - das wär's doch. "Dieser Mannschaft ist alles zuzutrauen", hält der frühere Nationalspieler Christian Schwarzer den Einzug in die Endrunde in Krakau für möglich.

"Eine strahlende Zukunft"

Auch Sigurdsson sieht sein Team noch nicht am Ende des Machbaren: "Wir werden noch hungriger. Wir haben eine junge Truppe. Mal sehen, wie die älteren Mannschaften die Belastung wegstecken."

Roundup: Alle Spiele, alle Gruppen, alle Topscorer

Selbst wenn es diesmal noch nicht mit dem Halbfinale klappen sollte, dürfte Deutschland bei den kommenden großen Turnieren ein ernsthaftes Wörtchen mitreden. Davon ist zumindest Sloweniens Nationalcoach überzeugt.

"Diese junge deutsche Mannschaft mit ihrem tollen Trainer hat eine strahlende Zukunft vor sich", sagte Veselin Vujovic. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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