Demütigung für DHB-Team

Von Für SPOX in Kristianstad: Florian Regelmann
Bertrand Gille (r.) spielt seit 1997 für Frankreich
© Getty

Die WM in Schweden entwickelt sich für die deutsche Handball-Nationalmannschaft weiter in eine ganz gefährliche und bittere Richtung. Nach der ärgerlichen Pleite gegen Spanien unterlag das DHB-Team in Kristianstad nun auch Topfavorit Frankreich nach einer absoluten Lehrstunde 23:30 (10:13). Jetzt muss sogar um den Einzug in die Hauptrunde gebangt werden - das Halbfinale kann man sowieso endgültig abhaken.

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Beste deutsche Torschützen waren Michael Kraus (7) und Lars Kaufmann (5). Für die Franzosen, die mehr als eine Nummer zu groß waren, trafen William Accambray (5), Nikola Karabatic (4), Jerome Fernandez (4), Luc Abalo (4) und Bertrand Gille (4) am besten.

Am Donnerstag trifft Deutschland im letzten Vorrundenspiel auf Tunesien und muss dann den Hauptrunden-Einzug sicherstellen, damit der wegen der Olympia-Qualifikation so wichtige und als Minimalziel ausgegebene siebte Platz wenigstens noch erreicht werden kann.

Reaktionen

Heiner Brand: "Nach der Halbzeit sind wir auseinandergebrochen. Das geht nicht. Wir haben uns Undiszipliniertheiten und blöde Fouls geleistet. Man muss da anders dagegenhalten. Darüber werden wir reden."

Silvio Heinevetter: "Wie wir uns in den letzten 20 Minuten aufgegeben haben, das darf nicht sein. Da ziehen nicht alle mit."

Pascal Hens: "Es kann nicht sein, dass wir anfangen, uns selbst zu zerfleischen. Richtung Halbfinale müssen wir gar nicht mehr denken."

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Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Brand nimmt im Vergleich zum Spanien-Spiel einige Änderungen vor. Trotz seiner Glanz-Leistung muss Bitter auf die Bank, Heinevetter beginnt im Tor. Im Angriff starten Gensheimer, Hens, Kraus, Pfahl, Sprenger und Preiß. Zwischen Angriff und Abwehr tauschen Kraus und Pfahl mit Roggisch und Haaß.

3.: Sauber! Gille zieht ab, aber Heinevetter ist mit einer super Parade zur Stelle. Noch immer ist kein Tor gefallen.

9.: Das ist überragend gespielt. Gensheimer passt zu Preiß und der macht sein drittes Tor.

17.: Rotzfrech von Pfahl. Er wirft Omeyer den Ball aus der Hüfte durch die Hosenträger - die Führung!

19.: Siebenmeter für Frankreich. Guigou gegen Heinevetter - Heine hat das Ding!

22.: Jetzt muss Deutschland aufpassen. Barachet darf einfach durchmarschieren und macht das Tor. Erstmals sind die Franzosen mit zwei Toren weg.

27.: Wieder eine Fahrkarte vom DHB-Team. Frankreich macht es viel besser. Karabatic nagelt die Kugel unter die Latte. Deutschland ist derzeit komplett chancenlos.

32.: Das darf nicht wahr sein. Glandorf wirft den Ball einfach so ins Seitenaus, Frankreich macht das Tor. Dann zieht Hens gegen Omeyer ab - überragend gehalten. Nichts geht.

39.: Jetzt wird es ganz bitter. Kraus scheitert an Omeyer. Fernandez zeigt, wie man es machen muss und versenkt den Ball.

42.: Barachet mit dem super Pass auf Gille, drin das Ding. Was wirklich Angst macht: Man hat nicht das Gefühl, dass Frankreich am Limit spielt.

45.: Karabatic mit dem Wurf aus der Hüfte - wieder drin. In der Abwehr fehlt jetzt auch die nötige Aggressivität. Immerhin: Auf der anderen Seite verwandelt Kraus einen Siebenmeter.

52.: Es ist jetzt eine Demütigung für das DHB-Team. Frankreich spielt mit halber Kraft und ist in allen Belangen besser - neun Tore Rückstand.

Deutschland - Frankreich: Das Spiel im Re-Live zum Nachlesen

Der Star des Spiels: Thierry Omeyer. Nikola Karabatic sprach es im SPOX-Interview bereits an, die Identität der Franzosen ist ihre herausragende Abwehr. Und die ist nun mal so herausragend, weil sie um "Monster" Didier Dinart super steht. Aber vor allem, weil dahinter Omeyer im Kasten rumhext. Der Kieler spielt eine für seine Verhältnisse gar nicht so starke Bundesliga-Saison, aber rechtzeitig zur WM ist "Titi" wieder voll da. Gegen Deutschland machte er das, was seine absolute Lieblingsbeschäftigung ist: die Kiste zunageln. Heinevetter war auf der anderen Seite aber in Phasen auch top.

Der Flop des Spiels: Michael Kraus. Schon wieder. Leider. Kraus hatte sich enttäuscht gezeigt, dass er im Auftaktspiel gegen Ägypten nicht von Beginn an auf der Platte gestanden war. Sein Selbstvertrauen habe einen Knacks bekommen. Gegen Frankreich bekam er von Brand noch einmal das volle Vertrauen. Selbst als die ersten Aktionen schon wieder unglücklich und die ersten Würfe daneben gingen, gab es von Brand aufmunternde Worte. Er wollte Kraus nicht erneut degradieren. Aber irgendwann konnte er gar nicht mehr anders. Kraus gelingt in Schweden weiter überhaupt nichts. Null. Dass er am Ende dank einiger Siebenmeter und später Tore, als die Sache längst gelaufen war, noch bester deutscher Torschütze wurde, ist ein Witz an sich und sagt alles. Aber: Zu Kraus' Ehrenrettung sei gesagt, dass auch seine Rückraum-Kollegen, insbesondere Pascal Hens, ebenso schwach waren.

Analyse: Auch wenn sich Deutschland und Frankreich schon so viele unglaubliche Handball-Schlachten geliefert hatten und die DHB-Auswahl gegen die Equipe Tricolore schon große Siege eingefahren hat, konnten dieses Mal nur die kühnsten Optimisten mit einem Sieg rechnen.

Wenn man mit viel Momentum aus dem Spanien-Spiel in die Begegnung hätte nehmen können, dann wäre gegen den Topfavoriten unter Umständen etwas möglich gewesen. Aber nicht so. Obwohl man sagen muss, dass die Mannschaft brannte und in den ersten zehn Minuten einen Top-Start erwischte (4:2). Die Abwehr mit dem bärenstarken Heinevetter und dem "Dreierblock" aus Roggisch, Preiß und Haaß stellte den französischen Angriff vor große Probleme.

Auch im Angriff gab es zunächst herrliche Kombinationen, aber die DHB-Auswahl kann das einfach nicht konstant über 60 Minuten durchspielen. Im Laufe des Spiels taten sich die altbekannten Probleme auf. Viele Ungenauigkeiten führten zu vielen unnötigen, teils haarsträubenden Ballverlusten, die die abgebrühten Franzosen natürlich eiskalt ausnutzten. Das deutsche Tempospiel war dagegen überhaupt kein Faktor - genauso wenig wie Uwe Gensheimer. Der Löwen-Linksaußen musste schon schlechte Würfe aus dem Rückraum nehmen, um überhaupt mal zum Abschluss zu kommen. In Hälfte zwei saß er fast nur noch auf der Bank.

Statistik: Die besten Torschützen und die besten Vorbereiter

Bei den Franzosen zeigte sich, dass ihr neuer Rückraum auch auf höchstem Niveau funktioniert. Solange die beiden Jungen William Accambray und Xavier Barachet von Nikola Karabatic - oder auch von Jerome Fernandez - geführt werden, verkörpern die Franzosen dort eine Klasse, die Deutschland nicht im Ansatz besitzt.

So übernahmen Les Bleus immer mehr die Kontrolle und hatten das Spiel nach einem schnellen 4:0-Run (6:7 auf 10:7) nicht nur für den Rest des Spiels immer unter Kontrolle, sie führten das DHB-Team in der zweiten Hälfte nach allen Regeln der Kunst vor. Die deutsche Abwehr löste sich auf, es wurde zu einer Demütigung für die Brand-Truppe.

Frankreich spielte wie ein Titelkandidat, mit ungeheurer Klasse und Präsenz - Deutschland wie eine Mannschaft mit gewissem Potenzial, aber viel zu unreif und ohne die Qualität für die Weltspitze. Es kam im Prinzip genau so, wie man sich das vorher schon denken musste. Es kam sogar noch viel schlimmer, weil das Team in der desolaten 2. Hälfte komplett auseinander fiel und sich nicht mal mehr wehrte.

Der Spielplan der Handball-WM 2011

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