Bizarres Ende im Hinterhof

Von Andreas Lehner
Bayern, Kahn, Zenit
© Getty

München - Karl-Heinz Rummenigge sah angeschlagen aus. Das 0:4-Debakel bei Zenit St. Petersburg hatte ihm sichtlich zugesetzt.

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Im Hintergrund dominierte die Werbetafel der UEFA mit dem Finalort Manchester. Die Stadt, in der die großen Karrieren von Oliver Kahn und Ottmar Hitzfeld auf europäischer Vereinsebene zu Ende gehen und das erste Triple in der 108-jährigen Klubgeschichte vollendet werden sollte. Nun wurde dieses Vorhaben nach einer desolaten Leistung vom russischen Meister jäh gestoppt.

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Regelrecht bizarr muteten dagegen die Reaktionen nach dem Spiel an. Weder Rummenigge, der nach einem 2:2 gegen die Bolton Wanderers in der vergleichsweise unbedeutenden Gruppenphase noch mächtig vom Leder gezogen hatte, noch Kahn, der in seinem letzten Jahr eine Art Altersmilde entwickelt zu haben scheint, wollten die heftigste Europapokalpleite seit knapp 17 Jahren (2:6 beim FC Kopenhagen, 1991) diesem Anlass angemessen kommentieren.

"Ich bin überhaupt nicht enttäuscht. Irgendwann geht es zu Ende. Soll ich mich jetzt umbringen?", meinte Kahn, der seinem Team zwar eins der schlechtesten Spiele überhaupt attestierte, aber vor allem die Stärken der Russen als entscheidenden Faktor sah. "Wir sind an einem Gegner gescheitert, der einfach klasse war. Das ist eine richtige Überraschungsmannschaft mit tollen Fußballern in ihren Reihen. Die haben ihre Chancen so eiskalt verwertet, wie ich das eigentlich nur von Weltklasse-Spielern aus der Champions League kenne."

Erstaunliche Gleichgültigkeit 

Die Königsklasse ist allerdings auch der Anspruch der Münchner. Von Beginn an zählte im ungeliebten UEFA-Cup eigentlich nur der Titel. Umso erstaunlicher die Gleichgültigkeit, mit der die Bayern ihren desolaten Auftritt nun hinnahmen.

Die Bilder des Debakels in St. Petersburg

"Es ist besser chancenlos auszuscheiden, als im Elfmeterschießen oder durch ein Tor in der 95. Minute. Wenn man so sang- und klanglos ausscheidet wie wir, schleicht man sich irgendwo hin und denkt ein bisschen darüber nach. Dann kommt man zu dem Schluss, das war hier der UEFA-Cup, wäre schön gewesen im Finale, ist aber nicht lebenswichtig", sagte Kahn. Deshalb meinte auch Hoeneß, dass "wir jetzt etwas Alkohol trinken und dann feiern werden." Die Mannschaft habe trotzdem eine tolle Saison gespielt.

Von Getafe geblendet 

Mit purer Willenskraft hatten die Bayern in Getafe noch den Kopf aus der Schlinge gezogen. Dieses emotionale Spiel war auch das Fundament, auf dem die Bayern ihr Selbstbewusstsein vor der Partie in St. Petersburg aufbauten. "Wer Getafe übersteht, braucht sich in St. Petersburg nicht fürchten", lautete der Tenor beim Rekordmeister.

Dass solche Spiele aber nicht planbar und schon gar nicht alltäglich sind, wurde gegen Zenit deutlich. Die Bayern agierten emotionslos und ohne die für ein Halbfinale nötige Leidenschaft. Sie schafften es in keiner Phase des Spiels in die Zweikämpfe zu kommen, liefen meist hinterher und ließen den Russen viel Platz, um ihr schnelles Konter- und Kombinationsspiel aufzuziehen.

Alle Daten und Fakten zum Spiel

Eklatante Defensivschwäche 

Dabei offenbarten die Russen die eklatante Defensivschwäche der Bayern, die sich wie ein roter Faden durch die UEFA-Cup-Saison zieht. In 14 Spielen kassierten sie 19 Gegentreffer, allein gegen Getafe und Zenit waren es neun. In der Bundesliga steht man nach 30 Spieltagen bei erst 18 Gegentoren. Während viele Mannschaften in der Liga erst gar nicht versuchen, die Bayern in der Defensive zu attackieren, werden sie auf europäischer Bühne viel mehr beschäftigt und die Schwächen so deutlich aufgedeckt.
Es auf die höhere Belastung zu schieben wie Karl-Heinz Rummenigge, greift zu kurz und ist zu einfach. Vor allem, da man gegen eine bessere B-Elf der Russen antreten durfte. "Wir haben nur mit fünf Stammspielern gespielt. Deshalb hätte ich nicht gedacht, dass wir so gut spielen würden", meinte Zenits Coach Dick Advocaat, der aufgrund von Sperren und Verletzungen auf mehrere Spieler verzichten musste.

Es bleibt Sarkasmus 

Für Kahn sind die Russen im Finale nun absoluter Favorit. Dass sein Weg nun auf dem Hinterhof der europäischen Fußballbühne zu Ende ging, nahm er mit Sarkasmus.
"St. Petersburg ist eine schöne Stadt. Kann ich jedem nur empfehlen. Hier seine internationale Karriere zu beenden - das ist schon ein Highlight." Sprach's und trat mit einem Lächeln ab.

Schon am Donnerstag diskutierten die SPOX-User über das peinliche Aus der Bayern! 

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