Machtkampf in der Krisenzeit

Von David Kreisl
Iker Casillas (M.) saß seit Mai 2008 das erste Mal wieder auf der Ersatzbank
© Getty

Normalerweise hätten die Madrider Gazzetten nach der vierten Saisonniederlage von Real Madrid und den 16 Punkten Rückstand auf Erzfeind Barcelona genug zu schreiben. Die sportliche Situation der Königlichen ist nach der Degradierung von Iker Casillas bei der Niederlage gegen Malaga aber nur noch Nebensache. Das Verhalten von Jose Mourinho wirft dagegen Fragen auf.

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Es gibt sogar Dinge, die sich Jose Mourinho nicht erlauben kann, die man sogar "The Special One" eigentlich nicht zutraut. Die Degradierung von Reals Ikone und Star-Torwart Iker Casillas im Spitzenspiel beim FC Malaga war genau so eine Entscheidung. Jenen Keeper auf die Bank zu verbannen, der seit über zehn Jahren die unangefochtene Nummer eins im Tor von Real, vierfacher Welttorhüter, Welt- und Europameister und das Gesicht der aktuellen Mannschaft ist, ist am Tag nach der Niederlage der Königlichen das gefühlt einzige Thema der spanischen Sportpresse.

"Das ist eine Kampfansage in Richtung des Vereins und einer lebenden Legende des Klubs", meldete sich Ex-Madrilene Guti fassungslos zu Wort, die spanische "Marca" schrieb von einem "Schlag von beispielloser Autorität".

Mit der Begründung für seine Entscheidung machte der portugiesische Star-Trainer den Wechsel endgültig zur Majestätsbeleidigung. Seiner Meinung nach sei momentan Ersatzkeeper "Adan besser als Iker", es habe sich lediglich um eine "spieltaktische Entscheidung" gehandelt: "Ich habe die Situation analysiert und das Team ausgewählt. Sie können erfinden, was Sie wollen, aber die Entscheidung ist rein taktischer Natur."

Wechsel disziplinarische Maßnahme?

Doch das scheint nur die offizielle Version zu sein, intern gibt es bei den Königlichen schon länger Spannungen. Vor allem Mourinho und sein Keeper haben keine gute Beziehung, Casillas soll einer von drei Spielern gewesen sein, die Vereinsinterna an die Presse ausgeplaudert haben. Dass die Versetzung auf die Ersatzbank also disziplinarisch motiviert war, glauben nicht nur 87 Prozent der fast 45.000 Leute, die sich an einer Umfrage der "AS" beteiligt haben.

Es stellt sich also die Frage, warum Mourinho diesen Machtkampf gerade jetzt angezettelt hat, wo Real so schlecht wie noch nie unter der Leitung des 49-Jährigen dasteht. Und warum er sich dafür mit Iker Casillas einen Mann ausgesucht hat, der bei Fans und Verantwortlichen so viel Respekt und Rückhalt genießt, dass Mourinho dieses Machtspiel eigentlich nur verlieren kann.

Konflikte auch mit Ramos

Zumal der Konflikt mit dem spanischen Nationalkeeper nicht der Einzige ist. Neben Reibereien mit Präsident Florentino Perez ist der Portugiese auch bei den Spielern nicht uneingeschränkt beliebt. Das neben Casillas zweite Madrider Urgestein Sergio Ramos gilt ebenfalls als Mourinho-Gegner. Nach den verbalen Attacken des Trainers gegen Mesut Özil zum Beispiel trug der Verteidiger das Trikot des Deutschen unter seinem. Ein klares Statement gegen den Coach.

Neue Gerüchte um einen Abschied aus Madrid sind jetzt unvermeidbar. Und das, obwohl Mourinho erst vor wenigen Wochen versicherte, dass seine Arbeit in Spaniens Hauptstadt noch lange nicht beendet sei, nachdem er unter anderem mit Paris St. Germain, Anschi Machatschkala und der portugiesischen Nationalelf in Verbindung gebracht wurde.

"Habe nicht vor zurückzutreten"

Es wurden Stimmen laut, dass der Portugiese mit der Aktion gegen Casillas seinen Rauswurf bei den Königlichen provozieren wolle, das dementierte der Star-Coach allerdings umgehend: "Ich habe nicht vor zurückzutreten und keine Angst um meinen Job", sagte er nach der Niederlage gegen Malaga.

Ein anderes Szenario scheint für Mous Maßnahme - neben den disziplinarischen Aspekten - wahrscheinlicher. Sollte in Zukunft ein verlockendes Angebot eines anderen Klubs oder Verbands kommen, das der Portugiese annehmen möchte, würde man ihm nach so unpopulären Entscheidungen zumindest keine Steine in den Weg legen.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Bis Mourinho die Königlichen verlässt, wird es, ob es den verärgerten Fans und Spielern passt oder nicht, wohl noch etwas dauern. Es wird interessant, wie sich die Situation in Madrid weiterentwickelt, schließlich ist die sportliche Lage schon schlimm genug.

Die Meisterschaft hat der Coach bereits abgeschrieben: "Wir haben einen Rückstand, den wir nicht mehr aufholen können." Sogar der Rückstand auf Platz zwei beträgt bereits sieben Punkte, während Malaga auf zwei Zähler an die Madrilenen herangerückt ist. Und das letzte, was das gebeutelte Team jetzt eigentlich braucht, sind Nebenkriegsschauplätze und mannschaftsinterne Spannungen.

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