Der Letzte macht das Licht aus

SID
Lionel Messi und Tata Martino erklärten nach der Final-Niederlage gegen Chile ihren Rücktritt
© getty

Sie sind Weltranglistenerster, Nummer zwei der letzten WM, aber seit Dienstag endgültig, kopf-, steuer- und führungslos: Der Rücktritt von Nationaltrainer Gerardo Martino setzt der Krise im argentinischen Fußball die Krone auf. Wer soll es jetzt richten? - denn eigentlich ist keiner mehr da!

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Kein Lionel Messi, der bei der Copa America nach dem verlorenen Endspiel, seiner dritten Finalpleite in Folge, sich in den Schmollwinkel zurückzog. Kein Luis Segura, der nach seiner Interims-Amtszeit am Montag den Präsidentensessel im Verband AFA verwaist zurückließ. Kein "Tata" Martino, den sie am Ende nicht einmal mehr ein Olympiateam formieren ließen.

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"Aufgrund der Unklarheit bei der Benennung der neuen Führung im argentinischen Fußballverband und der schwerwiegenden Konflikte bei der Zusammenstellung des Kaders, der das Land bei den kommenden Olympischen Spielen vertritt, hat der Trainerstab der Seleccion entschlossen, mit dem heutigen Tag seinen Rücktritt einzureichen."

So kritisch durfte Martino seine Entscheidung auf der offiziellen AFA-Homepage ohne Einwand (!) publizieren. Ein Offenbarungseid, der das Ausmaß des Machtvakuums im Verband erschreckend sichtbar macht.

Olympia-Teilnahme in Gefahr

Gleiches gilt, wenn dann nur der zweite Vizepräsident für eine Stellungnahme greifbar ist. "Es ist sehr schwierig, ohne Soldaten in den Krieg zu ziehen. Und das hat er wohl gespürt", sagte Claudio Tapia. Argentiniens Medien berichteten, dass von der 35-köpfigen Vorabliste für die Sommerspiele in Rio de Janeiro mit einem möglichen Viertelfinale gegen Deutschland bislang nur zwölf Spieler ihre Freigabe vom Verein bekommen hätten.

"Es besteht zu 50 Prozent die Gefahr, dass das Fußballteam sich nicht bei Spielen präsentierten wird", hatte wenige Stunden vor Martinos Rücktritt deshalb der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Gerardo Werthein, angesichts des Nominierungs-Zeitdrucks gewarnt und mit dem Olympia-Aus gedroht. Die Vorbereitung für die Jagd auf das dritte Gold nach Athen 2004 und 2008 sollte eigentlich seit Montag laufen.

Dies ist nur eine von vielen Baustellen, der sich in Kürze die vom Weltverband bestellte Normalisierungskommission unter Argusaugen des FIFA-Delegierten Primo Corvaro, ein Schweiz-Kolumbianer, annehmen muss. Der Sumpf von Korruption und Vetternwirtschaft soll bis zu ordentlichen Wahlen in einem Jahr trockengelegt werden.

Nur ein Trainer steht zur Verfügung

Solange sich diese AFA-"Übergangsregierung" erst formiert, liegt die Entscheidungsgewalt wohl bei der Generalversammlung. Dieses nicht erst seit dem Tod des langjährigen "Patron" Julio Grondona im Juli 2014 von persönlichen Interessen und Machtkämpfen verseuchte Gremium hatte immerhin jüngst Einheit gezeigt: Bei der Entscheidung mit 66:1-Stimmen, die Einführung der Superliga zu vertagen. Den Weg freimachen, sieht anders aus.

Martino weint eigentlich niemand so richtig eine Träne nach. Der 53-jährige war nach einem erfolglosen Jahr beim FC Barcelona im September 2014 mit einem 4:2 bei der WM-Revanche gegen Deutschland als Nachfolger von Alejandro Sabella vielversprechend gestartet. Seine Bilanz aus 29 Spielen mit 19 Siegen bei sieben Unentschieden und nur drei Niederlagen ist auch positiv, aber die Finalpleiten bei den letzten beiden Copa America-Turnieren verzeiht keiner.

Und was ist mit einem Nachfolger? Am 4. August starten die Gauchos ins Olympiaturnier. Im September geht die WM-Qualifikation weiter. Als prompten Ersatz steht der klammen AFA nur noch ein einziger Trainer in Lohn und Brot zur Verfügung: U20-Coach Julio Olarticoechea, Weltmeister gegen Deutschland 1986. Der Letzte, der das Licht ausmachen könnte.

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