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Amin Younes im Interview: "Vorher möchte ich nicht aus Neapel weg"

Amin Younes (l.) verteidigt Joachim Löw.
© getty
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Bei all den positiven Eigenschaften, die Sie erwähnen: Wie sehr verletzt es Sie, dass dunkelhäutige Spieler wie Ihr Kollege Kalidou Koulibaly in italienischen Stadien oftmals rassistisch beleidigt werden?

Younes: Ich kann darüber nur den Kopf schütteln. Es ist traurig, dass wir uns im Jahr 2019 noch mit Rassismus beschäftigen müssen. Ich versuche dem Ganzen aber so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken. Genau das wollen die Rassisten doch. Sie wollen, dass über sie gesprochen wird.

Beim jüngsten Länderspiel zwischen Deutschland und Serbien in Wolfsburg wurden auch Ihre ehemaligen Nationalmannschaftskollegen Leroy Sane und Ilkay Gündogan angefeindet. Ihre Mutter kommt aus Deutschland, Ihr Vater aus dem Libanon. Wurden Sie schon einmal rassistisch beleidigt?

Younes: Nein, nie. Ich möchte lieber über das Positive sprechen und nicht über das, was eine Ansammlung von Idioten, die ich in Deutschland aktuell eher als eine Minderheit bezeichnen würde, ab und zu im Stadion macht.

Nur zu.

Younes: Nehmen wir meinen Vater als Beispiel. Er ist aus dem Krieg im Libanon nach Deutschland gekommen und hat dort alles andere als Rassismus entdeckt. Heute lebt er in einem warmen, schönen und sicheren Zuhause. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir dürfen nicht vergessen, wie gut wir es in Deutschland eigentlich haben.

Amin Younes: "Jeder kann seine Religion beim DFB ausleben"

Hatten Sie das Gefühl, Ihre Herkunft und Ihre Religion bei der deutschen Nationalmannschaft voll ausleben zu können?

Younes: Auf jeden Fall. Jeder kann das. Jede Herkunft und Religion wird beim DFB akzeptiert und respektiert. Vor allem Oli Bierhoff und Jogi Löw legen großen Wert darauf. Das sollte bei all der derzeitigen Kritik am DFB nicht unerwähnt bleiben.

Stehen Sie eigentlich noch mit dem Bundestrainer in Kontakt?

Younes: Nein. Das ist aber auch nicht schlimm. Ich kann meine sportliche Situation gut einschätzen und weiß, dass ich zurzeit noch weit von der Nationalmannschaft entfernt bin.

Sie haben 2017 mit dem DFB-Team den Confed Cup gewonnen. Ein großes Turnier würden Sie schon noch gerne spielen, oder?

Younes: Es wäre ein Traum, eines Tages wieder dabei zu sein, aber ich muss zuerst konstant gute Leistungen im Verein bringen. Wenn ich das tue, wenn ich viel und gut spiele, kommt die Nationalmannschaft irgendwann wieder von ganz allein.

Ihr Trainer bei Neapel ist ein alter Bekannter aus der Bundesliga: Carlo Ancelotti. Bei seinem vorherigen Verein, dem FC Bayern, erlebte er nicht gerade seine beste Zeit.

Younes: Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, dass er sich hier sehr wohl fühlt. Es ist sein Land, es ist seine Kultur, es ist seine Sprache. Aber er war auch vom ersten Tag an zufrieden mit unserer Arbeitsweise, zufrieden mit der Stimmung innerhalb der Mannschaft. Für ihn war es die richtige Entscheidung, hierherzukommen.

Carlo Ancelotti unprofessionell? "Totaler Quatsch"

Ancelotti ist bekannt für seine lockere Art. In München sagte man ihm nach, dass er und sein Trainerteam ihre Arbeit zu locker nahm - und teilweise unprofessionell trainieren ließen.

Younes: Es ist schade, wenn jemand so etwas denkt, vor allem weil Carlo immer nur positiv über seine Zeit bei Bayern spricht. Zu behaupten, er und seine Kollegen würden nicht professionell genug arbeiten, ist totaler Quatsch. Ich bin hier vom ersten Tag an auf ein Trainerteam getroffen, das unglaublich akribisch und detailliert zu Werke geht. Ob das jetzt Carlo selbst, sein Sohn Davide, Francesco Mauri oder irgendein anderer ist - alle arbeiten hart und helfen mir Tag für Tag, ein besserer Fußballer zu werden. Carlo und Davide sprechen ja auch noch ein bisschen Deutsch, was mir auf jeden Fall zugute kommt.

Ancelotti hat Ihre taktische Rolle verändert: Während Sie in Amsterdam fast nur als Außenstürmer im Einsatz waren, agierten Sie zuletzt hin und wieder als Achter im Mittelfeld. Ist das der momentanen Konkurrenzsituation im Angriff mit Ihrem Kumpel Mertens, Lorenzo Insigne, Jose Callejon und Arkadiusz Milik geschuldet oder entwickeln Sie sich gerade zu einem anderen Spieler?

Younes: Meine große Stärke liegt im Eins-gegen-Eins, aber es ist nicht so, dass ich wie bei Ajax auf dem Flügel kleben muss. Ich kann auch als Ballverteiler zwischen den Linien agieren. Es macht mir Spaß, den Ball etwas weiter hinten abzuholen, aufzudrehen und nach intelligenten Lösungen zu suchen. Der Trainer erwartet auch, dass wir flexibel sind. Wir spielen unterschiedliche Systeme, weil wir viele unterschiedliche Spielertypen haben. Dries ist zum Beispiel ein anderer Stürmertyp als Milik. Wegen der defensiven Spielweise der meisten italienischen Teams ist es wichtig, dass wir zwischen den Linien sehr gut am Ball sind. Das sind wir in den meisten Fällen, aber nicht immer.

Andernfalls würde Neapel in der Meisterschaft nicht 20 Punkte hinter Juventus liegen.

Younes: Wir haben viele unnötige Punkte verloren wie gegen Chievo oder Sassuolo. Juve ist eine abgezockte Mannschaft. Schöner Fußball sieht anders aus, aber sie haben nun einmal Spieler, die wissen, wann was gefragt ist. Spieler mit großer Persönlichkeit und Mentalität wie Cristiano Ronaldo, Giorgio Chiellini oder Mario Mandzukic.

Neapel gewann zuletzt 1990 den Scudetto. Wie groß ist die Gier danach?

Younes: Sehr groß. Die ganze Stadt sehnt sich nach dem Titel. Vor allem, weil jeder das Gefühl hat, dass es wirklich möglich ist, ihn zu holen. In diesem Jahr zwar nicht mehr. Aber wir haben so viel Qualität in unserer Mannschaft, dass wir es eines Tages schaffen können. Ganz ehrlich: Ich will ich diesen Titel nicht nur für mich gewinnen, sondern auch für all diese Menschen, die schon so lange darauf warten. Vorher möchte ich hier nicht weg.

Amin Younes: "Ich bin ein reiferer Mensch geworden"

In dieser Saison könnte es zumindest noch mit der Europa League klappen. Im Viertelfinale geht es gegen den FC Arsenal. Was rechnen Sie sich aus?

Younes: In solchen K.o.-Spielen entscheidet hauptsächlich die Tagesform. Arsenal ist eine tolle Mannschaft und gut in Form. Wir brauchen uns aber vor niemandem zu verstecken. An Motivation wird es uns nicht mangeln. Ich habe mit Ajax schon einmal im Finale der Europa League gestanden und will unbedingt wieder dorthin.

Am liebsten als Stammspieler.

Younes: Das ist mein Ziel. Ich möchte gesund bleiben, den Trainer weiter von mir überzeugen und in jedem Wettbewerb so viel wie möglich spielen. Mit den letzten Einsätzen habe ich eine gute Basis gelegt. Meine Denkweise lautet, jeden Tag besser zu werden.

Sie klingen sehr selbstbewusst. So, als sei die Zeit der Rückschläge endgültig vorüber.

Younes: Die Verletzung und so mancher Zeitungsbericht im vergangenen Jahr haben mich sehr getroffen. Aber ich habe die negativen Gedanken in positive Gedanken umgewandelt. Ich bin dadurch ein reiferer Fußballer geworden. Und ein reiferer Mensch.

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