Torhüterdiskussion? Nein danke!

Von Für SPOX.com in Kaiserslautern: Stefan Rommel
Jens, Lehmann, Deutschland, Weißrussland
© Getty

Kaiserslautern - 681 Minuten am Stück hat Jens Lehmann ohne Gegentreffer im deutschen Tor zugebracht.

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Dann kam der Weißrusse Vitali Bulyga, im wahren Leben Stürmer bei Luch Wladiwostok in der russischen Liga, und beendete die eindrucksvolle Bilanz.

Aber 681 Minuten, immerhin. So schlecht kann der 38-Jährige gar nicht gehalten haben. Könnte man meinen.

Doch seit dem 0:0 in Dublin gegen Irland, jenem Meilenstein zur frühzeitigen EM-Qualifikation im September letzten Jahres, warten die deutschen Fans vergebens auf ein gutes Länderspiel von Jens Lehmann.

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Ein guter Torhüter zeichnet sich dadurch aus, dass er Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahlt, ein sehr guter Torhüter gewinnt seiner Mannschaft dann auch noch Spiele, wie es so schön heißt. Von beidem ist bei Lehmann nichts zu sehen.

Auch auf dem Betzenberg wurden die Fans enttäuscht. Damit könnten sie wohl leben. Was einigen aber richtige Bauchschmerzen bereitet, ist der Zusammenhang zwischen einem schwach haltenden Lehmann und diesem Großereignis, das da in zehn Tagen beginnt.

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Viele einfache Fehler

Seit dem Tag, als Lehmann bei seinem Klub, dem FC Arsenal, auf die Bank manövriert wurde, schwelt in Deutschland eine neue, unappetitliche Torwartdiskussion. Wenn auch viel, viel stiller geführt als die Mutter aller Torwartdiskussionen zwei Jahre zuvor.

Hat er genügend Spielpraxis? Kann er mit dem Druck umgehen? Ist er mental und körperlich den Anforderungen eines im günstigsten Fall dreiwöchigen Turniers gewachsen?

Nimmt man die Eindrücke abseits aller Null-Gegentore-Statistiken als Maßstab, kommt man schwer ins Grübeln. Zu viele einfache Fehler leistete sich Lehmann. Mal waren diese neuen, flatternden Bälle schuld, mal der Rasen, mal der nachlässige Abwehrspieler.

Allerdings muss man ihm auch zugute halten, dass - warum auch immer - nie etwas Ernsthaftes dabei passiert ist. Vielleicht hat Löw das ja auch dazu bewogen, Lehmann noch Anfang der Woche ganz klar als ersten Mann für die Torhüterposition zu sehen, "wenn er fit bleibt und im Training und in den Testspielen seine Leistung bringt."

Eine Aussage, mit der sich der Bundestrainer angesichts Lehmanns Auftritt gegen Weißrussland, wenn auch ungewollt, unter Zugzwang gesetzt hat.

Torhüterdiskussion? Nein danke.

Eines ist aber auch klar: Das Letzte, was der Bundestrainer jetzt gebrauchen kann - neben diesen vermaledeiten Zahnschmerzen natürlich - ist eine hitzige Debatte um die die Rolle im deutschen Tor.

Insofern ist schwer damit zu rechnen, dass Löw an Lehmann festhält. Alles andere würde ihn unglaubwürdig machen und seine Personalpolitik ad absurdum führen. Zumal Lehmann eigentlich gut abgestimmt ist auf seine Vorderleute in der Abwehrkette. Er zeigt es nur nicht.

Eins der Hauptkriterien, warum Lehmann überhaupt erst auf den Thron gelangte, war die Tatsache, dass er ein Keeper neuer Prägung sei. Gut in der Antizipation, mit fußballerischen Fähigkeiten und einem schnellen Umschalten.

Und keines dieser Relikte aus der Zeit, als Torhüter einfach nur den Ball fangen sollten, um ihn danach mit fünf Metern Anlauf und in hohem Bogen einfach nur nach vorne zu peitschen.

Wo ist die Rechtfertigung?

Davon ist momentan allenfalls nur rudimentär etwas übrig. In Kaiserslautern kommunizierte er kaum mit seiner Abwehr und wenn, dann prasselte Kritik auf Metzelder, Mertesacker oder Lahm ein. Und sogar auf den armen David Odonkor.

Nur einmal leitete er mit einem flinken Abwurf einen Gegenstoß ein, zwei seiner Abschläge landeten im Seitenaus, dazu seine Unsicherheit und die anhaltenden Konzentrationsschwächen. Wo sind seine Argumente geblieben?

Eine echte Rechtfertigung - gemessen an den Tugenden des Torwartspiels - für Lehmann als deutsche Nummer eins gibt es im Moment nicht. Aber es gibt Attribute wie Erfahrung, Abgeklärtheit und auch Verdienste. Und die sprechen eindeutig für Lehmann.

Joachim Löw wird nachdenken über seine Nummer eins. Er wird sie deshalb nicht gleich degradieren, aber sich doch seine Gedanken machen. Schließlich ist Lehmann der einzige, der quasi an den Löw'schen Wettbewerbskriterien vorbei in den Kader aufgenommen wurde.

Unmittelbar nach dem Spiel fasste Löw seine ersten Überlegungen in Worte. "In der nächsten Woche werden alle Spieler in besserer Form sein", sagte er und fügte noch mit Nachdruck hinzu: "Das kann ich versprechen!"

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