Janko: "Ich treffe gegen jeden Gegner"

Von Interview: Haruka Gruber
Twentes neuer Sturmstar Marc Janko (l.) gegen Inters Marco Materazzi
© Getty

Statt in die Bundesliga wechselte Österreichs Sturmstar Marc Janko für sieben Millionen Euro überraschend von Red Bull Salzburg zu Twente Enschede - und machte alles richtig.

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In der niederländischen Liga liegt der Titelverteidiger punktgleich mit Tabellenführer Eindhoven auf Platz zwei, in der Königsklasse sicherte man sich vor Bremen immerhin den dritten Rang und damit den Einzug in die K.o.-Phase der Europa League. Ein dramatischer Unfall hätte jedoch fast alles überschattet

Marc Janko über seinen Schutzengel und den Kampf gegen die niederländische Küche.

SPOX: Marc Janko, eigentlich sollte es im Interview um Ihre Saison bei Ihrem neuen Verein Twente gehen. Doch in Deutschland ist fast untergegangen, dass Sie vor drei Wochen auf dem Weg von Enschede zum Düsseldorfer Flughafen einen dramatischen Unfall im letzten Moment verhindern konnten. Was genau ist passiert?

Marc Janko: Ich bin morgens mit dem Auto nach Düsseldorf gefahren, um von dort nach Wien zur Nationalmannschaft zu fliegen. Bei Tempo 130 hat sich dann ein Reifen plötzlich von der Felge gelöst. Der Wagen geriet ins Schleudern - aber glücklicherweise war auf der Autobahn nur wenig los, so dass ich ihn unter Kontrolle bringen konnte, bevor ich mit jemandem kollidiert bin. Ich habe das Auto auf der Felge ausrollen lassen, bis ich auf dem Seitenstreifen stoppen und die Pannenhilfe rufen konnte.

SPOX: Haben Sie den Schock mittlerweile verdaut?

Janko: Ich versuche es nicht zu sehr an mich herankommen zu lassen, immerhin ist alles glimpflich ausgegangen. Es ist keine Person zu Schaden gekommen, sogar das Auto blieb unversehrt. Geholfen hat sicherlich, dass ich in Salzburg einige Fahrertrainings absolviert habe. Vielleicht hat es auch mein Leben gerettet. Eine falsche Reaktion, und es hätte richtig böse ausgehen können.

SPOX: Die Episode bekommt eine andere Dimension, wenn man weiß, dass Ihr bester Freund Gustav Kral, ehemaliger U-21-Nationaltorwart Österreichs, vor fast genau einem Jahr bei einem ähnlichen Unfall ums Leben kam.

Janko: Mir ist bewusst, wie schnell alles vorbei sein kann. Es liegt eine sehr schwierige Zeit hinter mir, die ich nur mit Hilfe meiner Familie und Freunde meistern konnte. Sein Tod ist ein großer Verlust. Er war mein Seelenverwandter, falsch: Er ist mein Seelenverwandter. Aber ich weiß, dass man ihn nicht mehr zurückholen kann und damit muss ich mich abfinden, so hart es sein mag.

SPOX: Sie sprachen davon, dass Kral Ihr Schutzengel war. Wie meinen Sie das?

Janko: Wir hatten immer ein Lieblingslied, das wir sehr häufig zusammen gehört haben. Als der Reifen an meinem Auto platzte und ich das sah, schaltete mein MP3-Player im Zufallsmodus genau zu dem Zeitpunkt auf eben diesen Song. Dabei hat mein MP3-Player über 8000 Lieder abgespeichert. Es ging in dem Moment alles Schlag auf Schlag, aber ich hatte das Gefühl, dass ich von ihm beschützt wurde.

SPOX: Ihnen gelang es, den Unfall schnell zu verarbeiten, und Sie erzielten unter anderem beim 4:2 in Nijmegen zwei Tore. Wie haben Sie sich in Enschede eingefunden?

Janko: Mittlerweile gut. Ich hatte Anlaufschwierigkeiten, weil immer wieder kleine Verletzungen den Rhythmus gestört haben und ich Probleme mit der niederländischen Küche hatte.

SPOX: Mit der niederländischen Küche?

Janko: Ich musste meine Ernährung sehr umstellen. Ich habe es vorher zwar nicht geglaubt, aber in den Niederlanden ist das Essen sehr viel fettiger. Vieles ist frittiert. Wer ein Leben lang in Österreich gelebt hat, braucht eine Weile, um sich daran zu gewöhnen und zu wissen, welche Lebensmittel im Supermarkt versteckte Fette beinhalten. Deswegen habe ich in kürzester Zeit vier Kilogramm zugenommen und mich entsprechend schlecht gefühlt. Mittlerweile gehe ich aber bewusster Einkaufen und bin zu meinem Idealgewicht zurückgekehrt.

SPOX: Trotz der erwähnten Anlaufschwierigkeiten haben Sie bei Trainer Michel Preud'homme seit Saisonbeginn einen Stammplatz. Eine Selbstverständlichkeit für Sie?

Janko: Überhaupt nicht. Mir war klar, dass es zu Beginn nicht einfach werden wird, aber ich spürte das absolute Vertrauen des Trainers, auch nach schwächeren Leistungen. Preud'homme sagte mir vor Saisonbeginn, dass er mich letztes Jahr in der Europa League beobachtet hätte und dass er ein großes Potenzial in mir sieht, das er wecken will. So etwas zu hören, gibt einem eine ernorme Sicherheit. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass ich wieder der Alte bin und treffe.

SPOX: In der niederländischen Liga haben Sie bereits acht Treffer erzielt, in der Champions League jedoch sind Sie torlos - was einige Kritiker als Beweis dafür sehen, dass Ihr Talent nicht für den internationalen Spitzenfußball ausreicht. Fair?

Janko: Nein. In der Champions League muss ich wesentlich mehr nach hinten arbeiten, außerdem war ich mehrmals kurz davor, ein Tor zu erzielen, nur Kleinigkeiten haben nicht gestimmt: Das entscheidende Zuspiel war mal zu ungenau oder ich wurde gefoult. Ich traue mir nach wie vor zu, gegen jeden Gegner zu treffen. Das habe ich mit der Nationalmannschaft und letzte Saison in der Europa League schon bewiesen.

SPOX: Durch Ihre Tore haben sie das Interesse vom italienischen Tabellen-Zweiten Lazio Rom geweckt. Im Sommer waren auch einige deutsche Klubs an Ihnen dran. Bekommen Sie mit, dass Bundesligisten wie Bremen oder Stuttgart womöglich Bedarf im Sturm hätten?

Janko: Natürlich verfolge ich die europäischen Ligen sehr genau. Aber nicht, um irgendwelche Gerüchte aufzuschnappen, sondern weil mich Fußball einfach als Fan interessiert. Von dem Lazio-Gerücht hat mir letztens ein Teamkollege erzählt. So etwas schmeichelt, aber momentan hat ein Wechsel keinerlei Bedeutung für mich.

SPOX: Trotz einiger Angebote aus den größeren Ligen wechselten Sie für einige überraschend nach Enschede. Warum?

Janko: Weil das Paket stimmte. Twente steht finanziell auf soliden Füßen und konnte die von Salzburg geforderte Ablöse aufbringen, außerdem spielt der Verein in der Champions League. Und, was mir wichtig war: Der Sprung aus Österreich in die Niederlande ist nicht so groß wie nach England oder Deutschland. Ich möchte einen Schritt nach dem anderen machen.

SPOX: Weil Ihre Sturm-Kollegen aus der Nationalmannschaft wie Stefan Maierhofer oder Jimmy Hoffer schlechte Erfahrungen gesammelt haben?

Janko: Ich wollte definitiv nicht das gleiche Schicksal erleiden. Ich weiß, dass ich mich in jedem Land durchsetzen kann, aber es ist einfacher, wenn man als Österreicher einen Zwischenschritt einlegt. Es ist nun mal so, dass man speziell als Österreicher bei einem größeren Klub ganz weit unten im Ansehen anfängt, weil man sich vorher nicht auf einer größeren Bühne als der österreichischen Liga präsentiert hat. Ich denke, bisher habe ich alles richtig gemacht.

SPOX: Zumal Sie durch den Weggang von Red Bull Salzburg die Zusammenarbeit mit Huub Stevens beenden konnten, mit dem Sie sich wegen dessen rüder Tonart im Streit getrennt haben?

Janko: So ist es auch nicht. Ich werde kein schlechtes Wort über Stevens verlieren, immerhin haben wir erfolgreiche Zeiten erlebt. Ich bin auch nicht - wie es überall hieß - wegen Stevens gewechselt. Vielmehr wollte ich endlich den Schritt ins Ausland wagen. Unser Verhältnis war okay und respektvoll. Klar hätte Stevens aus meiner Sicht in einigen Situation anders reagieren können, aber so war eben seine Art, mit mir umzugehen. Im Nachhinein finde ich sein Verhalten in Ordnung und wir werden uns sicherlich die Hand geben, wenn wir uns wieder sehen.

SPOX: Stimmt es, dass Sie trotz des Abschieds engen Kontakt zu Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz halten?

Janko: Wir reden nicht jede Woche über Gott und die Welt, aber wir telefonieren und simsen regelmäßig. Er ist beeindruckend, nicht nur beruflich, sondern vor allem als Mensch. Er behandelt jeden mit dem gleichen Respekt, egal ob es ein Leistungssportler oder die Putzfrau ist. Ich habe Herrn Mateschitz auch gleich eine Glückwunsch-SMS geschickt, als Sebastian Vettel den WM-Titel gewonnen hat. Es ist unglaublich, wie es Red Bull geschafft hat, innerhalb von fünf Jahren renommierten Marken wie Ferrari den Rang abzulaufen. Am Anfang wurden sie belächelt, jetzt sind sie Weltmeister - imposanter geht es nicht.

SPOX: Belächelt, manchmal auch offen angefeindet wird das Red-Bull-Projekt RB Leipzig. Verstehen Sie die Skepsis in Deutschland?

Janko: Ich war in Salzburg von Anfang an dabei, als Red Bull eingestiegen ist, und damals gab es ähnliche Probleme. Ich kenne die Anfeindungen, aber Fakt ist doch: Für den Fußball kann es nicht schlecht sein, wenn seriöse Geldgeber in die Infrastruktur und in Vereine investieren. Ich bin mir jedenfalls sicher: Wenn in fünf Jahren der gewünschte Erfolg eingetreten ist, wird RB Leipzig von fast jedem bejubelt werden.

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