Es geht nicht nur um Geld

Von Haruka Gruber
Die Entscheidung: Vedad Ibisevic erzielt gegen Tim Wiese das 3:1
© Imago

4:1-Gala zum Auftakt und ein 20-Millionen-Geldregen: Hoffenheim hat sich eindrucksvoll zurückgemeldet und wird auf dem Transfermarkt zuschlagen. Carlos Eduardos Weggang symbolisiert den Neubeginn auf allen Ebenen. Bremen-Trainer Thomas Schaaf ist enttäuscht, bleibt aber unaufgeregt.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Es war die Kombination aus fehlendem Vertrauen, zunehmender körperlicher Belastung und einem wesentlich strikteren Verhaltenskodex, weshalb er die Zusammenarbeit mit Hoffenheim aufkündigte und den überraschenden Weggang vom Bundesligisten bekannt gab.

"Es sind Dinge vorgefallen, die mir den Spaß verdorben haben. Ich will mir treu bleiben, deshalb hatte ich keine Wahl." Es mag erstaunen, doch die Aussage stammt nicht von Carlos Eduardo, dessen Wechsel zu Rubin Kasan kurz bevor steht.

Vielmehr gab ein gewisser Jochen Fischer mit diesen Worten vor dem Bundesliga-Start seinen Rücktritt bekannt. Fischer war es gewesen, der seit acht Jahren das Kostüm von Vereins-Maskottchen "Hoffi" trug - und nun frustriert eine neue Nebentätigkeit sucht.

Eduardo hingegen hielt sich medial zurück und beobachtete den Saisonauftakt der TSG in zivil gekleidet und weitgehend schweigsam von der VIP-Tribüne aus. Wenige Minuten vor dem Anpfiff sickerte durch, dass das kolportierte 20-Millionen-Euro-Angebot aus Russland tatsächlich seriöser Art ist und der Brasilianer abgegeben wird, weswegen auf dessen Einsatz verzichtet wurde.

Bloß kein Star-Kult mehr

"Wenn sich ein Spieler nicht mit dem Verein identifiziert, macht es keinen Sinn mehr. Das war schon im Training zu sehen. Jeder muss sich dem Erfolg unterordnen, das war bei Carlos nicht immer der Fall", sagte der von Trainer Ralf Rangnick zum Kapitän bestimmte Andreas Beck nach der Partie gegen Werder Bremen, die nicht nur wegen des überzeugenden 4:1-Erfolgs einen Neubeginn markiert.

In den vergangenen 18 Monaten wandelte sich Hoffenheim vom spannendsten Projekt des deutschen Fußballs zu einem grauen Durchschnittsklub, der vor lauter Eitelkeiten und Streitereien in der Mittelmäßigkeit stagnierte.

Im Sommer wurde jedoch eine Kehrtwende vollzogen mit der Maßgabe, dass sich der Verein auf allen Ebenen wieder darauf besinnen sollte, was ihn 2008 so erfolgreich gemacht hatte. Demut statt Star-Kult, hungrige Talente aus Deutschland statt ausländische Millionen-Käufe und eine auf Eigeninitiative und Pressing basierende Fußball-Philosophie.

Dreier-Sturm überzeugt

Und tatsächlich: Bereits in der Vorbereitung und beim 4:0 im Pokal bei Hansa Rostock kehrte die Mannschaft zu ihren Wurzeln zurück. Gegen Bremen folgte nun eine Vorstellung, die an die Glanzleistungen von der Herbstmeisterschaft 2008/09 erinnerte.

"Das Spiel gegen den Ball war in der ersten Hälfte schon richtig gut, der 4:1-Pausenstand ein phantastisches Ergebnis. Nach der Pause haben wir bis auf einzelne Standardsituationen nicht mehr viel anbrennen lassen, Ingesamt war es ein toller Auftakt", sagte Rangnick.

Unbeeindruckt vom frühen 0:1 drehte Hoffenheim mit Leichtigkeit den Rückstand und erzielte alleine zwischen der 37. und 43. Minute drei Tore. Besonders auffällig, wie reibungslos sich das Zusammenspiel des Dreier-Sturm gestaltete. Wie bereits in Rostock erzielten Verdad Ibisevic, Demba Ba und Peniel Mlapa jeweils ein Tor.

"Wir waren selbst mit der letzten Saison nicht zufrieden, deshalb wollten wir heute den Zuschauern etwas bieten", sagte der formstarke Ibisevic. Dem erst 19-jährigen Mlapa, ursprünglich nur als Ergänzung verpflichtet, aber mittlerweile feste Stammkraft, gelang wiederum sein erstes Bundesliga-Tor: "Ich habe das noch gar nicht realisiert."

Gustavo stark, Beck mutig

Abgesehen von seinem Handspiel, das zum Elfmetertor von Bremens Torsten Frings führte, überzeugte auch Luiz Gustavo, den Rangnick mittelfristig zu einem Sechser von internationaler Klasse formen will. Gewohnt zweikampfstark, beteiligte sich Gustavo auffällig oft am Spielaufbau und suchte selbst den Abschluss. Überragend war die Vorlage auf Ibisevic zum 3:1.

Am meisten jedoch verkörpert Beck den neuen, alten Geist der Hoffenheimer. Letzte Saison noch zaudernd und verängstigt, agierte der Rechtsverteidiger wieder so mutig wie im Aufstiegsjahr - und variiert dies mit einem neuen Selbstverständnis außerhalb des Platzes.

Seine unverhohlene Kritik an Eduardo war ein Indiz dafür, genauso wie seine Erklärung für den Erfolg über Bremen: "Wir wussten, dass sich nach der vergangenen Saison einiges ändern musste, auch rund um das Team. Nun haben wir wieder eine intakte Mannschaft. Das Spiel heute war aber nicht mehr, als ein guter Anfang. Wir dürfen jetzt nicht aufhören, sondern müssen weiter hart an uns arbeiten."

Dementsprechend bestimmt formuliert der Kapitän seine Warnung an die Mitspieler, damit sich nicht die gleichen Nachlässigkeiten einschleichen wie im Vorjahr: "Ich bin nun in einer Position, wo ich anderen auch mal weh tun muss. Und glauben Sie mir, das kann ich."

Kein Bremer erreicht Normalform

Ähnlich deutlich, aber gewohnt unaufgeregt, kommentierte Trainer Thomas Schaaf den enttäuschenden Auftritt von Werder: "Wenn man etwas mitnehmen möchte, muss man sich anders präsentieren. Das, was uns beim 3:1 gegen Sampdoria Genua eigentlich ausgezeichnet hat, dass wir präsent sind, dass wir selbstbewusst auftreten, hat gefehlt. Heute waren wir nicht bereit, die Wege zu gehen."

Im Grunde erreichte kein Bremer Normalform: Özil-Thronfolger Aaron Hunt blieb unsichtbar und wurde nach der ersten Hälfte ausgewechselt, Frings verursachte zwei Gegentore mit, Per Mertesacker patzte vor dem 1:2, genauso wie Petri Pasanen beim 1:1.

Dass Werder vor allem für die Linskverteidiger-Position nach Verstärkung fahndet, ist kein Geheimnis, der schwache Auftritt von Aushilfe Pasanen verstärkte nur diesen Wunsch. Immerhin stehen nach dem Özil-Transfer einige Millionen zur Verfügung.

Kauft 1899 groß ein?

Mit der Eduardo-Ablöse wird auch Hoffenheim das Scouting nach Neuzugängen intensivieren. Zumindest theoretisch stehen insgesamt 30 bis 35 Millionen Euro zur Verfügung. Wie viel davon reinvestiert werden kann, muss Rangnick mit dem neu installierten Aufsichtsrats-Beirat klären.

Zumindest scheint durch den Weggang der Südamerikaner Eduardo, Maicosuel und Franco Zuculini klar, dass Hoffenheim tatsächlich gewillt ist, auf deutschsprachige, junge Spieler zu bauen. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass 1899 die Bemühungen um Ilkay Gündogan (Nürnberg) und Sebastian Rudy (Stuttgart) wieder aufnehmen wird.

Das Problem jedoch: Im Vergleich zu den Konkurrenten hinkt Hoffenheim bei den Verhandlungen mit möglichen Neuzugängen hinterher, denn bisher "nahm die meiste Zeit die Zusammenstellung des Funktionsteams mit neuem Co-Trainer, Arzt, Athletik-Trainer und Psychologe in Anspruch", wie Manager Ernst Tanner zugeben musste.

Und ganz nebenbei kommt auch noch die Suche nach einem neuen Maskottchen-Darsteller hinzu.

Hoffenheim - Bremen: Daten zum Spiel