Max Eberl von Borussia Mönchengladbach im Interview: "Der labert wieder um den heißen Brei herum"

Max Eberl ist seit bald elf Jahren Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach.
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Glauben Sie, Hecking hatte vor dem Gespräch bereits einen Verdacht gehegt?

Eberl: Das weiß ich nicht.

Im letzten Herbst kam es am Rande eines Europapokalspiels zum ersten intensiven Treffen mit Rose. Welches Spiel war das?

Eberl: Eines von Salzburg.

Wie lief das Treffen genau ab?

Eberl: Wir betreiben das Trainerscouting sehr intensiv und hatten Marco daher schon seit langer Zeit im Blick. Wir schauen auch viele Europapokalspiele und wollten in diesem Fall live sehen, wie er sich auf dem Platz macht. Anschließend trafen wir uns in einem VIP-Raum, wir konnten um die späte Uhrzeit auch nicht mehr nach Hause fliegen. Das Zusammentreffen war wirklich zufällig und nicht geplant. Wir haben uns lange unterhalten und Ideen und Philosophien ausgetauscht. Das war am Ende auch der Wissensvorsprung, der für uns im Rennen um ihn auf jeden Fall nicht von Nachteil war.

Insofern auch ein vollkommen anderes Vorgehen wie beispielsweise nach einer Trainerentlassung während der Saison?

Eberl: Absolut. Nachdem man eine solch bewusste Entscheidung getroffen hat wie ich, hat man als Sportdirektor nur ganz selten die Chance, den gewünschten Trainer zu holen. In wahrscheinlich 90 Prozent der Fälle wählt man nach einer Trainerentlassung denjenigen auf dem Markt aus, der am besten zu dir zu passen scheint. Die Wunschlösung bekommt man aber nur ganz selten. Mit Lucien Favre lief es damals ähnlich ab.

Inwiefern?

Eberl: Wir haben uns im Sommer 2008 bei ihm zu Hause in der Schweiz getroffen, weil ich mit ihm über den Schweizer Jugendfußball sprechen wollte. In diesem kleinen Land wurde damals sensationelle Arbeit geleistet, 2009 wurde man ja auch mit der U17 um Granit Xhaka Weltmeister. Wir haben dann dreieinhalb Stunden miteinander geredet. Als wir zweieinhalb Jahre später einen neuen Trainer brauchten, dauerte es nur ein Telefonat, denn Lucien war frei, wir kannten uns bereits und hatten uns ausgetauscht. Ich weiß noch, dass ich ihn Samstagabend auf der Heimfahrt aus St. Pauli anrief und er Sonntagabend unterschrieben hat. Das ging nur, weil das Gefühl füreinander schon vorher da war - wie jetzt bei Marco.

Anfang 2019 sollen Sie schließlich die Information bekommen haben, dass sich Rose vorstellen könne, in der neuen Saison woanders zu arbeiten. Wie kam diese Information zu Ihnen?

Eberl: Jeder, der ein gewisses Netzwerk hat, das gilt ja auch für viele Journalisten in deren Bereichen, bekommt mit, was aktuell auf dem Markt passiert. Es sickert durch, wenn ein Trainer überlegt, sich zur neuen Saison verändern zu wollen. Und dann geht man der Information nach. Im Falle von Marco war es nicht so, dass er sich damals schon final entschieden hatte. Er trug diesen Gedanken aber in sich. Als das klar war, habe ich mich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt.

Wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit gewesen, dass Sie sich für einen solchen Schritt entschieden hätten, wenn bei Rose nicht die Tür aufgegangen wäre?

Eberl: Das kann ich nicht sagen. Es war sozusagen eine komfortable Situation für uns, denn wir hatten bereits einen guten Trainer. Ich habe ja auch nach der Entscheidung für Marco an Dieter festgehalten, weil ich mit der Qualität seiner Arbeit unfassbar zufrieden war. Ich wollte halt nur für die Zukunft etwas Anderes machen. Wenn Marco nicht auf dem Markt gewesen wäre oder uns abgesagt hätte, wäre es logisch gewesen, dass Dieter weiterhin auf unserer Bank gesessen hätte.

Und was wäre passiert, wenn nicht Rose, aber ein Trainer mit derselben Spielphilosophie verfügbar gewesen wäre?

Eberl: Es ist nicht so, dass wir jetzt eine komplett neue Spielphilosophie verfolgen. Es ist ein anderer Ansatz, der unseren bisherigen Fußball ergänzen soll. Wir haben die letzten sieben, acht Jahre den von Lucien Favre eingeführten Ballbesitzfußball nahe der Perfektion gespielt und damit großartigen Erfolg gehabt. Andre Schubert hat dann die Kombination aus einer höheren Aktivität und Ballbesitz hineingebracht und Dieter hat nach der notgedrungenen Stabilisationsphase in seinem ersten Jahr ebenfalls mit viel Aktivität und sogar mit drei Spitzen spielen lassen. Es gibt also immer Nuancen, die angepasst werden.

Wie würden Sie den Ansatz von Rose beschreiben?

Eberl: Marco ist nicht nur Mentalität und Sprints, sondern genauso auch Ballbesitzfußball. Salzburg hat unter ihm nicht nur Krawall, sondern wie wir einen richtig gepflegten Ball gespielt. Nun wünschen wir uns, dass er seine Idee und Attitüde, natürlich auch diese Momente des Gegenpressings, auf die Mannschaft überträgt. Es soll keine Revolution oder ein Dogma-Wechsel werden. Es sind schlichtweg neue Elemente, die zu etwas hinzugefügt werden, das wir schon sehr gut gemacht haben.

Hätten Sie denn vor genau einem Jahr gedacht, dass Sie eine solche Entscheidung treffen würden?

Eberl: Mein Job bedeutet nicht nur Tagesgeschäft. Ich muss auch über den Tellerrand hinausschauen. Es kommt immer wieder vor, dass es auf einmal Informationen oder Entwicklungen gibt, mit denen man nicht seit einem halben Jahr gerechnet hat. Dann muss man möglicherweise darauf reagieren und vielleicht Entscheidungen, die man vor drei Monaten mit 100 prozentiger Überzeugung getroffen hat, wieder revidieren. Damit habe ich auch keinerlei Problem.