Achtung, Hasardeure am Werk!

Von Daniel Reimann
Roger Schmidt hat Bayer Leverkusen ein neues Spielsystem eingeimpft
© spox
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Der Weg zum Tor: Überfall-Umschaltspiel und Fehlpass-Orgien


Hat Leverkusen die Kugel erobert, geht es meist ähnlich schnell zu wie noch bei der Balljagd zuvor. Schmidts Philosophie zielt auf überfallartiges Umschaltspiel ab.

Dominanz durch Ballbesitz, ziellose Dribblings oder unnötiges Tempoverschleppen sind nicht gern gesehen. Ein zentraler Vorteil der frühen Balleroberung liegt in der kurzen Distanz zum gegnerischen Tor, die auch im Anschluss an den Ballgewinn auf schnellstem Wege überwunden werden soll.

Schmidt bevorzugt dabei vor allem flaches Vertikalspiel oder schnelle Spielverlagerung mittels steiler Diagonalbälle. Viel Ballgeschiebe gibt es dabei nicht zu sehen. Lediglich vier Teams haben weniger Pässe gespielt als die Werkself (3875). Bei Bayer wird der Ball rasch und über wenige Stationen vors Tor gebracht und der Abschluss gesucht - so zumindest der Idealfall.

Dabei präferiert Leverkusen insbesondere den Weg über die Halbräume durch die Mitte. Vor allem das Offensivquartett orientiert sich ins Zentrum und bricht nur selten über die Flügel durch (siehe Aktionsradius auf Seite 1). Selbst die Außenverteidiger gönnen sich nur wenige Flankenläufe bis zur Grundlinie.

Dementsprechend haben Flanken bei Bayer Seltenheitswert: Nur Schalke und Mönchengladbach verzeichnen weniger Hereingaben als das Team von Roger Schmidt (71). Dass auf dieses Stilmittel kaum Wert gelegt wird, beweist auch die miserable Flankengenauigkeit von 15,5 Prozent aus dem Spiel heraus.

Stattdessen sollen die offensiven Vier durch zielgerichtetes Kombinationsspiel in aussichtsreiche Positionen gebracht werden. Der Abschluss bleibt dabei meist denselben Protagonisten vorbehalten: Bellarabi führt mit 39 Versuchen die Torschussliste der kompletten Liga an, Calhanoglu liegt immerhin auf Rang sechs (33).

Dabei sind es nicht nur die üblichen vier Verdächtigen, die regelmäßig den Abschluss suchen. Die Vorlage kommt in den meisten Fällen ebenfalls von einem der vier Offensivleute, die beinahe jedes Spiel in der gleichen Konstellation bestreiten. Mit Calhanoglu (18), Kießling und Bellarabi (beide 16) rangieren gleich drei Leverkusener in den Top 20 der Spieler mit den meisten Torschussvorlagen.

Beinahe zwangsläufig produziert das Angriffsspiel von Schmidt auch eine große Menge Ausschuss. Das schnelle Umschalten und die hohe Risikobereitschaft bei Pässen hat zahlreiche Fehlpässe zur Folge. Mit einer erschreckend schlechten Passgenauigkeit von nur 67,9 Prozent lässt Bayer in dieser Hinsicht nur zwei Teams hinter sich. Zum Vergleich: Die Konkurrenz aus München kommt auf einen knapp 20 Prozent besseren Wert.

Dass die hohe Fehlpassquote zu großen Teilen auf die neue Spielidee zurückzuführen ist, beweist ein Vergleich mit der Vorsaison. Vergangene Spielzeit kam Bayer noch auf 78,2 Prozent Passgenauigkeit - der damals fünftbeste Wert aller Bundesligisten. Auch gegen den Hamburger SV leistete sich die Werkself zuletzt bemerkenswert viele Fehlpässe (siehe OPTA-Grafik).

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