"Wir müssen zielstrebiger sein"

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Manuel Neuer hat bislang 31 Länderspiele für den DFB bestritten
© Getty

Wenn alles nach Plan läuft, bekommt Keeper Manuel Neuer im Spiel gegen Färöer (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) kaum etwas zu tun. Da der 26-Jährige trotzdem 90 Minuten präsent sein muss, hat der Nationalkeeper kein einfaches Spiel vor der Brust. Im SPOX-Interview spricht er über seine riskante Interpretation der Torwart-Rolle, Ähnlichkeiten zwischen Italien und Färöer, die Hierarchie bei Bayern und 40-Millionen-Mann Javi Martinez.

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SPOX: Herr Neuer, wie genau hat die Aufarbeitung der EM bei der Nationalmannschaft ausgesehen?

Manuel Neuer: Dazu kann ich nicht viel sagen, weil wir bisher erst einen Termin hatten, gegen Argentinien, und ich nicht dabei war. Es ist ganz normal, dass man darüber spricht und versucht, Kleinigkeiten zu verbessern.

SPOX: Joachim Löw hat davon gesprochen, dass zwei Themen angegangen werden sollen in den nächsten beiden Jahren. Das aggressivere Verteidigen gegen den Ball hat er schon erläutert. Woran muss das Team noch arbeiten?

Neuer: Daran, dass wir konsequenter im letzten Drittel sein müssen, zielstrebiger. Wir haben jetzt in der WM-Qualifikation genügend Zeit, unser Spiel zu verbessern und Fehler abzustellen. Bei einem Gegner wie Färöer geht das natürlich nur eingeschränkt. Da gilt es eher, am variablen Offensivspiel mit dem Ball zu arbeiten. Das haben wir zum Beispiel gegen Italien nicht so gut gemacht.

SPOX: Beim eingeforderten Defensivverhalten schieben die zehn Feldspieler weiter mit nach vorne. Wird Ihr Torhüterspiel deshalb noch risikoreicher?

Neuer: Es wird sich nichts ändern. Ich stehe so oder so weit vorne - aber nicht so weit, dass ich überlupft werden könnte. Ich bin prinzipiell ein Torhüter, der weit vorne steht und viel abläuft in meiner Hälfte. Dieses Torwartdenken habe ich so oder so schon. Ich verstehe mein Spiel so. Für mich ändert sich nichts. Ich versuche immer, die Spielsituation zu antizipieren und zu lesen, sodass Chancen erst gar nicht entstehen können. Das ist mein Spiel.

SPOX: Kann es sein, dass der immer noch jungen Mannschaften in engen Spielen eine gewisse Kühle oder Nüchternheit abgeht?

Neuer: Das glaube ich nicht. Klar haben wir gegen Italien nicht gut gespielt. Aber wir haben vorher die Spiele gegen schwierige Gegner gewonnen. Bei der WM gegen England und Argentinien, jetzt bei der EM gegen Portugal und Holland. Und wir waren in diesen Spielen die bessere Mannschaft - bis auf das Italien-Spiel.

SPOX: Ein Spiel wie das gegen die Färöer ist doch sicherlich recht undankbar für einen Torhüter?

Neuer: Das werden wir sehen. Ich weiß aber, dass die Färöer gegen Italien zwei riesen Chancen hatten, zwei Lattentreffer nach Kontern beziehungsweise eigenen Eckbällen. Da hatten wir im Halbfinale gegen Italien ja auch so unsere Probleme und das eine Gegentor bekommen. Wir müssen schon schauen, dass wir gut positioniert und hellwach sind.

SPOX: Haben Sie noch Erinnerungen an die ersten Spiele gegen die Färöer vor gut zehn Jahren?

Neuer: Ich kann mich noch daran erinnern. Miro ist der einzige, der damals schon dabei war. Er müsste eigentlich die ganze Mannschaft kennen... Wir wissen, dass wir das Spiel gewinnen müssen und werden das auch tun. Es ist nur eine Einstellungssache.

SPOX: Danach wartet mit Österreich ein deutlich stärkerer Gegner. Ist das gleich ein angemessener Härtetest?

Neuer: Auf jeden Fall! Das letzte Spiel in Wien war sehr schwierig, wir hatten auch Glück. Es war ein typisches Unentschieden-Spiel, Mario hat dann kurz vor Schluss noch das Tor gemacht. Aber das war kein klarer, verdienter Sieg für uns. Wir müssen diesmal den Anspruch haben, die bessere Mannschaft zu sein.

SPOX: Sind die Österreicher besser, als es die Statistiken aussagen?

Neuer: Ich habe viel Respekt vor Österreich. Sie haben viele junge, gute Spieler in die Mannschaft integriert. Wir müssen mit der richtigen Einstellung ins Spiel gehen und wissen, was uns da erwartet.

SPOX: David Alaba wird den Österreichern fehlen.

Neuer: Das ist auch ein Verlust für sie. David ist mit 19 Jahren in Österreich Fußballer des Jahres geworden. Das heißt schon einiges. Er wird der Mannschaft mit Sicherheit fehlen.

SPOX: Wen sehen Sie als härtesten Brocken in Ihrer Gruppe?

Neuer: Wir sind Favorit auf den Gruppensieg, danach schätze ich die Österreicher am höchsten ein. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Irland und Schweden bei Endrunde der EM dabei waren.

SPOX: Nach drei erfolgreich absolvierten Pflichtspielen mit dem FC Bayern in dieser Saison - wie ist Ihr erster Eindruck?

Neuer: Mann kann noch nicht so viel sagen. Wir haben einen guten Start erwischt, was wir uns für die ersten Spiele vorgenommen haben, ist eingetroffen. Jetzt ist es wichtig, dass wir so weitermachen. Es kann in jedem Spiel ein Ausrutscher passieren. Wir spielen als nächstes gegen Mainz, die haben dem FC Bayern schon einige Male wehgetan.

SPOX: Hat sich der Geist, bei den Bayern und in der Nationalmannschaft, über die Sommerpause verändert?

Neuer: Wir hatten in der vergangenen Saison nicht den Erfolg, den wir uns gewünscht haben. Wir mussten schwere Niederlagen hinnehmen, das war richtig bitter und eine herbe Enttäuschung. Ich persönlich musste im Urlaub noch oft daran denken und darauf zurückblicken. Dann habe ich es verarbeitet. Trotzdem denkt man oft darüber nach, was man hätte besser machen müssen. Ich gehe da sehr kritisch mit meinen Fehlern um und weiß nach den Spielen einzuschätzen, wie ich gespielt habe. Ich glaube aber, dass man aus Niederlagen die größte Motivation ziehen kann.

SPOX: Karl-Heinz Rummenigge hat Ihnen vor einigen Wochen die "stärkste Persönlichkeitsstruktur" im Kader der Bayern bescheinigt. Wie gehen Sie mit so einem großen Lob und angesichts von Mitspielern wie Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger im Kader um?

Neuer: Ich bin vom FC Schalke gewechselt, dort war ich Kapitän und habe die Mannschaft geführt. Natürlich musste ich mich in München erst integrieren. Da ist es klar, dass ich keine Regeln vorgebe. Ich musste mir zunächst alles mit einer gewissen Ruhe anschauen. Jetzt habe ich genug aufnehmen können, um einzuschätzen, was wie läuft. Jetzt will ich Bastian und Philipp so unterstützen, dass es in die richtige Richtung geht.

SPOX: Javi Martinez macht einen recht gewitzten, offenen Eindruck. Kommt man mit einem Zugang so auch schneller auf eine Wellenlänge?

Neuer: Das liegt natürlich am Spieler selbst, wie er sich in die Mannschaft integrieren kann. Er ist sehr offen und das Gute ist, dass er für einen Spanier sehr gut englisch spricht. Da gibt es auch andere Experten unter den Fußballern... Das hilft ihm natürlich. Er spielt auf einer Position, auf der er sehr viel kommunizieren muss. Zum einen mit seiner Körpersprache, aber auch verbal. Bis jetzt macht er den Eindruck, als würde das funktionieren.

SPOX: Bei Ihrem Wechsel damals ging es auch um viel Geld, wie jetzt bei Martinez. Wie verarbeitet man als Spieler diesen ganzen Rummel?

Neuer: Die Mannschaft fängt das auf. Wenn man auf den Platz geht, denkt man nicht ans Geld oder an den Transfer. Man möchte Leistung zeigen und sich für die Mannschaft einbringen. Er ist ein junger Spieler, dem man zeit geben muss. Er muss sich auch ein wenig umstellen, die spanische Liga ist ja doch etwas anders als die Bundesliga. Da darf man am Anfang nicht zu viel erwarten. Er soll als Sechser unser Spiel in der Ordnung verbessern, im Umschalten und im Pressing. Das sind wichtige Aufgaben., Seine Fähigkeiten sind vielleicht genau das, was wir brauchen. Er wird seinen Job schon erledigen.

SPOX: Nach dem Mainz-Spiel steht der Auftritt auf Schalke an. Alles redet immer nur von Dortmund und den Bayern. Was trauen Sie Schalke zu?

Neuer: Schalke gehört für mich immer dazu. Genauso wie Leverkusen. Man darf diese Mannschaften nicht aus den Augen lassen. Schalke ist eine starke, junge Mannschaft, die zusammengefunden hat. Im Titelrennen werden sie ein Wörtchen mitreden.

Manuel Neuer im Steckbrief

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