Absturz mit Fragezeichen

Von Daniel Börlein
Nürnberg hat nur eines der letzten elf Spiele gewonnen
© Getty

Nach gutem Saisonstart ist der 1. FC Nürnberg mittlerweile bis auf Platz 16 abgerutscht. Verletzungsprobleme und Formtiefs machen den Franken zu schaffen. Nach dem Hinrunden-Abschluss in Leverkusen (15.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky) soll nachgerüstet werden. Coach Dieter Hecking muss seine Prinzipien hinten anstellen, denn "oberste Priorität" hat der Klassenerhalt. Ein Abstieg würde vieles in Frage stellen.

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In Nürnberg geht es derzeit hoch her, denn: momentan ist Christkindlesmarkt. Rund zwei Millionen Menschen werden den wohl bekanntesten deutschen Weihnachtsmarkt bis Heiligabend besucht haben. Die meisten davon kommen, um das Christkind zu sehen oder von Lebkuchen, Rostbratwürsten oder Glühwein zu kosten.

Einige lockt allerdings auch die Chance, ihren Idolen mal ganz nahe zu kommen. Seit ein paar Jahren nämlich gehört es zur guten Tradition, dass Spieler vom 1. FC Nürnberg auf dem Christkindlesmarkt für einen wohltätigen Zweck grillen. Fankontakt inklusive.

In der Regel ist das Ganze eine recht lustige Angelegenheit, die für gute Laune bei Anhängern und Spielern sorgt. Die Stimmung allerdings war auch schon mal gelöster als in diesem Jahr. Im Dezember 2010 beispielsweise grillten die Club-Spieler als Tabellenelfter und mit vier Punkten Vorsprung auf Rang 16.

Nur ein Sieg aus elf Spielen

Im Dezember 2011 steht der FCN nun selbst auf jenem 16. Platz. In den letzten elf Partien verbuchten die Franken nur einen Sieg, dafür aber sieben Niederlagen. Nach einem sehr ordentlichen Saisonstart (neun Punkte aus fünf Spielen) ist der Club inzwischen mittendrin im Abstiegskampf.

"Die Situation ist gefährlich", sagt Coach Dieter Hecking. "Wenn es so weitergeht, wird es ein ungemütliches Jahr 2012", stellt Sportvorstand Martin Bader klar. Dennoch bleibt man bislang ruhig. "Wir wussten, dass es eine lange Saison mit Abstiegskampf werden kann", so Hecking im "Kicker".

Dass der Club in erster Linie um den Klassenerhalt kämpft, ist freilich keine Überraschung. Dass man nach dem guten Start in den letzten Monaten derart abstürzte, wirft allerdings die Frage auf: Was läuft schief beim Club?

Verletzungsmisere als großes Problem

Die Verantwortlichen machen die sportliche Misere vor allem an der Serie von Verletzungen fest. "Hätten wir die Hinrunde mit dem kompletten Kader durchziehen können, stünden wir besser da", so Hecking.

Leistungsträger wie Raphael Schäfer, Javier Pinola, Markus Feulner und Daniel Didavi mussten bzw. müssen lange Pausen einlegen, andere wie Albert Bunjaku und Mike Frantz sind nach Verletzungen noch weit weg von ihrer Top-Form. Der als Stammkraft eingeplante Per Nilsson wartet gar noch auf seinen ersten Saisoneinsatz. Und einigen Vertretern (Plattenhardt, Klose, Mak) fehlt es bislang noch an Konstanz oder Klasse.

Hinzu kommt, dass die wenigen etablierten Akteure, die von Verletzungen verschont blieben, in den letzten Wochen durchhängen. Philipp Wollscheid zeigt zwar ordentliche Leistungen, kann der Abwehr allerdings auch nicht die nötige Stabilität verleihen.

Christian Eigler strahlt keinerlei Torgefahr aus, Jens Hegeler und Almog Cohen nehmen sich zu viele Auszeiten, Tomas Pekhart ist vorne häufig auf sich alleine gestellt und Timmy Simons läuft seiner Form, gehandicapt durch eine Knorpelverletzung im Brustbein, schon seit Wochen hinterher.

Suche nach Verstärkungen

"Dass wir einen Kader haben, der auch Schwankungen unterliegt, war uns bewusst", sagt Hecking. "Das ist für einen Verein wie den 1. FC Nürnberg aber auch normal." Dennoch schaut man sich derzeit nach Verstärkungen für die Rückrunde um.

Eine Verpflichtung müsse allerdings logisch sein, sagt Bader. Aber auch: "Die Situation hat sich ein Stück weit verändert." Neben den Verletzungsproblemen habe sich die sportliche Situation in eine Richtung entwickelt, "die uns schon Bauchschmerzen bereitet".

Bestätigt hat Bader bereits das Interesse am Ex-Lauterer Adam Hlousek (derzeit Slavia Prag), der auf der linken Seite und im Sturm spielen kann. Im Gespräch, so heißt es, sollen auch Moritz Stoppelkamp (Hannover 96) und der 22-jährige Japaner Hiroshi Kiyotake sein, der bei Cerezo Osaka Shinji Kagawa nach dessen Weggang ersetzte.

Bader: "Klassenerhalt hat oberste Priorität

Bislang allerdings sind das nur Gerüchte. Hecking gilt ohnehin nicht unbedingt als Freund von Wintertransfers. Für den Klassenerhalt muss der 47-Jährige seine Prinzipien nun jedoch erstmal hinten anstellen. Auch der Jugendstil, der inzwischen ein Nürnberger Markenzeichen ist und dem Club viele Sympathien einbrachte, könnte deshalb zumindest vorübergehend ausgesetzt werden.

Denn: "Der Klassenerhalt", so Bader habe nun mal oberste Priorität, "und dafür brauchen wir Qualität. Wenn sie fehlt, müssen wir sie eben von außen zuführen."

Abstieg schwerer Rückschlag

Ein Abstieg würde die Franken weit zurückwerfen, gerade jetzt, wo man sich nach dem Jahr in der 2. Liga (2008/2009) durch die Transfers von Ilkay Gündogan und Philipp Wollscheid wieder finanziell gut aufgestellt hat und neue Projekte in Angriff nimmt. Derzeit entsteht am Vereinsgelände ein neues Funktionsgebäude, das Jugendinternat, Vereinsmuseum, Verwaltung und Lizenzspielerabteilung beherbergen wird. Zuletzt machte sich Bader auch für den Bau eines reinen Fußballstadions stark.

Die Philosophie, auf junge, entwicklungsfähige Spieler zu setzen, wäre in der 2. Liga ohnehin erstmal hinfällig, schließlich würde dann nichts anderes zählen als der sofortige Wiederaufstieg. Die Zeit, Nachwuchskräfte einzubauen und mit Geduld zu fördern, gäbe es dann wohl nicht. Zumindest nicht in der Form, wie es beim Club derzeit praktiziert wird.

Das weiß auch Hecking. "Die Jungs haben eine riesige Plattform, die sie nicht verspielen wollen." Die aktuelle Situation hält er deshalb für "absolut machbar".

"Dieter macht das überragend"

Als Hecking vor rund zwei Jahren beim Club übernahm, stand der FCN noch schlechter da als heute und lag fünf Punkte hinter Platz 15. Trotzdem erlebt der Club-Coach derzeit seine bislang schwierigste Phase in Nürnberg. Vor zwei Jahren hatte er kaum etwas zu verlieren. Anders als damals muss er jetzt zeigen, dass er die Mannschaft aus einer Situation führen kann, für die auch er verantwortlich ist.

Bislang ging es für Hecking beim Club eigentlich immer bergauf, nun steht er erstmals richtig unter Zugzwang. Geändert hat er sich deshalb bislang nicht. Er bleibt seiner Linie treu, ist ruhig, sachlich und fokussiert.

Beim Club schätzt man sein Krisenmanagement. "Dieter macht das überragend", sagt Bader. Bislang gibt es bei Nürnbergs Verantwortliche keinerlei Zweifel am Trainer. Damit das so bleibt, müssen in der Rückrunde allerdings Punkte her. Sonst geht es vielleicht im neuen Jahr in Nürnberg wieder hoch her - ganz ohne Christkindlesmarkt.

Nürnbergs Kader im Überblick

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