Veh: "Da bin auch ich in der Verantwortung"

Von Interview: Stefan Moser
Vor dem Hamburger SV trainierte Armin Veh unter anderem den VfL Wolfsburg und den VfB Stuttgart
© Getty

Ist der Hamburger SV eine Spitzenmannschaft? Warum kann das Team sein Potential nicht abrufen? Was bedeuten die Pfiffe gegen Heiko Westermann und wieso kann der Erwartungsdruck kein Alibi sein? HSV-Trainer Armin Veh antwortet bei SPOX.

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SPOX: Herr Veh, vor den Spielen in Köln und Dortmund formulierten Sie jeweils sehr deutlich: Wer eine Spitzenmannschaft sein will, muss dort Punkte mitnehmen. Beide Spiele gingen verloren, ist der HSV also keine Spitzenmannschaft?

Armin Veh: Die Tabelle lügt nicht. Aktuell stehen wir auf Platz neun. Nach wie vor ist es aber unser Ziel, uns am Ende der Saison für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Wir wollen bis zur Winterpause oben dran bleiben. Das werden wir auch schaffen. Ich traue der Mannschaft zu, auch mehrere Spiele am Stück zu gewinnen.

SPOX: Seit Jahren hält sich in Hamburg aber der Glaube, der Kader hätte das "Potential" für die Top 3. Warum kann die Mannschaft dieses Potential nicht abrufen?

Veh: Der Kader in seiner ursprünglichen Zusammensetzung hat auch das Potenzial für die Top 3. Allerdings hatten wir zeitweise zehn Verletzte. Jetzt fällt uns vermutlich auch noch Joris Mathijsen mehrere Wochen aus. Gucken Sie sich doch mal die Bayern an. Die spielen ohne Robben, Ribery und van Bommel auch nicht um Platz eins. Momentan müssen wir unsere Ansprüche ein wenig regulieren.

SPOX: Nach verlorenen Spielen lautete die Diagnose zuletzt allerdings: Zu wenig Leidenschaft, zu wenig Teamgeist. Für die Wahrnehmung der Fans heißt die Schlüsselfrage wohl, ob die Mannschaft nicht mehr investieren will oder schlicht nicht kann....

Veh: Wir haben in dieser Saison bislang zwei verschiedene Gesichter gezeigt. Gegen Hoffenheim haben wir eine sehr gute zweite Halbzeit gespielt und verdient gewonnen. Eine Woche später in Dortmund konnten wir nicht daran anknüpfen. Die Mannschaft kann also, das ist klar. Es geht darum, Konstanz in die Leistungen zu bringen. So oft wie möglich das schöne Gesicht zu zeigen. Da bin auch ich als Trainer in der Verantwortung.

SPOX: Die angesprochene Konstanz fehlt häufig auch über die 90 Minuten eines Spiels. Stellvertretend dafür steht immer wieder Heiko Westermann: Charakterlich über jeden Zweifel erhaben, einer der besten Zweikämpfer der Liga, gute Szenen in der Spieleröffnung - und plötzlich mit unerklärlichen Fehlern. Wie kommt es zu diesen Konzentrationsschwächen?

Veh: Heiko Westermann ist ein hervorragender Spieler, der sich immer voll reinhaut. Wer etwas probiert, wird auch immer mal wieder einen Fehler machen. Heiko war auch lange verletzt, er wird sich von Spiel zu Spiel stabilisieren. Er hat jetzt auch in der Nationalmannschaft wieder auf seiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung gespielt. In der zweiten Hälfte sogar als Kapitän. Das sagt doch etwas über seinen Stellenwert aus.

SPOX: Trotzdem steht ausgerechnet der Kapitän unter verschärfter Beobachtung der Fans. Gegen Hoffenheim gab es kurz vor seinem Tor gezielt Pfiffe gegen ihn...

Veh: Es gab Pfiffe, weil Heiko zwei Fehlpässe hintereinander gespielt hat und wir zu dem Zeitpunkt zurück lagen. Die sind mit seinem Tor plötzlich verstummt. In der zweiten Hälfte war Heiko dann überragend, das haben sie sicher auch gesehen.

SPOX: Große Probleme hat im Moment auch Guy Demel. Er wirkt extrem nervös und verunsichert. Womöglich hat er sein Selbstvertrauen verloren, als man ihm im Sommer einen Vereinswechsel nahegelegt hat?

Veh: Wir haben jetzt November... Außerdem war es für mich im Sommer kein Thema, Guy Demel abzugeben. Es bringt auch wenig, einzelne Spieler heraus zu picken. Es geht darum, als komplette Mannschaft zu funktionieren. Wenn das der Fall ist, kann sich jeder daran hochziehen.

SPOX: Trotzdem war der "besondere Erwartungsdruck" in Hamburg eine Erklärung für die Leistungsschwankungen. Und gleichzeitig wurde der Druck intern noch zusätzlich erhöht, indem bewusst der Konkurrenzkampf verstärkt wurde. Wie passt das zusammen?

Veh: Glauben Sie, dass die Spieler selbst keine Erwartungen haben? In den vergangenen Wochen hatten wir Mühe, den 18er-Kader voll zu bekommen. Zu üppig sind wir also nicht besetzt. Ich halte auch wenig davon, an jeder Ecke nach Alibis zu suchen. Ein kleines Beispiel: Hier nebenan beim HSV Handball steht seit langem fest, dass im nächsten Jahr ein neuer Trainer kommt, dass es einen Umbruch in der Mannschaft gibt. Das scheint aber niemanden zu stören oder zu hemmen. Gerade hat die Mannschaft THW Kiel weggeputzt und steht an erster Stelle.

SPOX: Um nicht alles schwarz zu malen: Heung-Min Son und Jonathan Pitroipa gehören zu den positiven Erscheinungen, haben sich unter Ihnen sehr schnell entwickelt. Was schätzen Sie an solchen Spielertypen?

Veh: Die beiden haben einfach Spaß am Spiel, gehen immer steil, wollen nach vorn spielen. Bei beiden sieht das natürlich spektakulär aus. Sie verkörpern das, was die Fans im Stadion gern sehen wollen. Bei Pitroipa habe ich nur manchmal Angst, dass er in höchstem Tempo einfach abhebt. Der wiegt ja nur 50 Kilo...

SPOX: Auch in Stuttgart setzten Sie auf die Jugend, auch dort lief es anfangs nicht rund - und plötzlich waren Sie deutscher Meister. Haben Sie die Pläne noch in der Schublade?

Veh: Das ist jetzt nicht die Frage. Mit Plänen von 2007 kann doch jetzt niemand mehr etwas anfangen. Ich lebe im Jetzt. Natürlich werden wir auch in Hamburg probieren, junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs nach oben zu bringen. Heung-Min Son haben Sie selbst schon angesprochen. Muhamed Besic ist der nächste, der seine Chance bekommen wird. Maxim Choupo-Moting hat seine Qualitäten schon unter Beweis gestellt, Tunay Torun ist jetzt nach seinem Kreuzbandriss zurück. Die Jugend kommt!

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