HSV: Der richtige Schnitt

Von Oliver Wittenburg
Was tun mit den alten Männern Ruud van Nistelrooy (l., 34) und Ze Roberto (36)?
© Getty

Beim Hamburger SV kündigt sich eine Zäsur an, die sich sogar zu einem massiven Umbruch ausweiten könnte, wenn der Klub im zweiten Jahr in Folge den Einzug in den Europacup verpassen sollte. Vorstandsboss Bernd Hoffmann kündigte Einschnitte an und verwies auf die zahlreichen im Sommer auslaufenden Verträge. Für acht Spieler heißt es: verlängern oder gehen. SPOX hat sich die Wackelkandidaten, aber auch andere Personalien genauer angesehen.

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Ze Roberto: Jedes Jahr die gleiche Frage: Wann macht er schlapp? Wann kommt der Punkt, dass ihm sein Alter einen Strich durch die Rechnung macht und er der jüngeren Konkurrenz nicht mehr gewachsen ist? Jedes Jahr die gleiche Antwort: Diese Saison jedenfalls noch nicht.

Der 36-jährige Brasilianer zählt immer noch zu den besten Spielern der Liga und ist wohl der einzig Unersetzliche beim Hamburger SV. Ob als linker Verteidiger, als Halblinker im Mittelfeld oder als Sechser - er erledigt seinen Job überdurchschnittlich gut und verleiht dem HSV-Spiel Tempo, Überraschungseffekte und Durchschlagskraft. Obwohl er in der laufenden Saison noch ohne Treffer ist, ist er Topscorer beim HSV.

Geht es nach dem sportlichen Wert für die Mannschaft, muss der HSV den Vertrag mit Ze um eine weitere Saison verlängern. Doch will das auch der Brasilianer und findet man finanziell eine für beide Seiten akzeptable Lösung? Viel hängt sicher vom weiteren Saisonverlauf ab. Zeichnet sich ab, dass der HSV das internationale Geschäft wieder verpasst, ist Ze sicher weg.

Ruud van Nistelrooy: Auch wenn der Niederländer im Moment verletzt ist und davor einige Spiele ohne Torerfolg blieb, ist er der unumstrittene Sturmführer beim HSV. Dass er eine komplette Saisonvorbereitung absolvieren und zunächst beschwerdefrei spielen konnte, verlieh im Flügel und ließ ihn jünger erscheinen als seine 34 Jahre.

Der HSV sollte sich tunlichst darum bemühen, den Niederländer zu halten. Als Torjäger und gleichsam als Mentor für die junge Offensivriege. Heung-Min Son hat er praktisch adoptiert, aber auch Eric Maxim Choupo-Moting, Tunay Torun und Marcus Berg, sollte dieser nach seiner Leihe im Sommer zurückkehren, könnten vom Weltstar zum Anfassen enorm profitieren.

Piotr Trochowski: Gemessen an der Hoffmannschen Einschätzung, dass es einigen Spielern an Siegermentalität fehle, befinden sich Trochowskis Aktien nicht eben im Höhenflug. Zwar hat sich der 26Jährige zuletzt wieder in der Startelf etabliert, vom Status einer festen Größe ist er aber deutlich entfernt. Man kann jetzt schon die Frage stellen, was aus ihm wird, wenn alle potenziellen Konkurrenten zur Verfügung stehen.

Trochowski scheinen die Rochaden der letzten Jahre - auf dem Trainerstuhl wie auch die im taktischen Bereich - am meisten zugesetzt zu haben und zuzusetzen. Er funktioniert dann am besten, wenn er einen festen Aufgabenbereich und die nötige Rückendeckung hat. 2008 hat er das gezeigt, als er sowohl in der Nationalmannschaft bei Joachim Löw als auch beim HSV unter Martin Jol im linken oder halblinken Mittelfeld eine vorzügliche Rolle spielte.

Vielleicht würden sich der HSV und Trochowski einen Gefallen tun, wenn sie ab Sommer getrennte Wege gingen. Nach fünf gemeinsamen Jahren voller Hochs und Tiefs kann man sich durchaus eingestehen, dass die Beziehung vielleicht nicht mehr das Wahre ist und trotzdem einander noch in die Augen schauen...

Frank Rost: Von der von Hoffmann geforderten "Galligkeit" hat Rost genug, um nach der Karriere ein Versorgungsunternehmen für die ganze Bundesliga zu gründen. Die Art und Weise, wie er sich im Sommer zum Sieg im Torhüter-Duell mit dem ambitionierten Neuzugang Jaroslav Drobny buchstäblich schuftete, hat ihm eine glänzende Ausgangsposition verschafft.

Dem Vernehmen nach wird er ins HSV-Tor zurückkehren, sobald er nach seiner Verletzung (Außenbandanriss im Knie) genesen ist, was schon gegen Hannover 96 in acht Tagen der Fall sein sollte. Von der sportlichen Warte her ist Rost unumstritten. Bei Trainer Armin Veh ist er gesetzt, und Sportchef Bastian Reinhardt kündigte an, dass man sich ganz entspannt über das Thema Vertragsverhandlung unterhalten werde.

Tendenz: Rost hängt noch ein Jahr dran, es sei denn, Hoffmann legt sein kaufmännisches Veto ein. Schließlich kann man sich durchaus die Frage stellen, wie Sparmaßnahmen und der Luxus zusammenpassen, sich zwei Hochkaräter auf der Torwartposition zu leisten.

Tunay Torun und Eric Maxim Choupo-Moting: Nach den Vertragsverlängerungen mit der Youngster-Fraktion sollten eigentlich auch Torun und Choupo-Moting gehalten werden, die im Unterschied zu Son, Muhamed Besic und Miroslav Stepanek schon eine Evolutionsstufe weiter sind, zumal ja Veh ein Faible für Talente hat und gerade Son und Besic schon explizit hervorhob.

Torun gelang es - trotz aller Turbulenzen der Labbadia-Saison - einen großen Entwicklungsschritt zu tun, bis ihn ein Kreuzbandriss im Mai stoppte. Sein großes Plus ist seine Vielseitigkeit. Ob Stürmer, hängende Spitze oder Außen, Torun kann in der Offensive alle Positionen bekleiden. Ähnlich verhält es sich im Fall Choupo-Moting. Der Kameruner kehrte von seiner Ausleihe in der vergangenen Saison sichtlich gereift aus Nürnberg zurück und deutete nicht nur bei seinen beiden Saisontreffern sein großes Potenzial an.

Collin Benjamin: Der Mann aus Namibia ist der mit Abstand dienstälteste Hamburger. Seit zehn Jahren spielt er mit der Raute auf der Brust und geht es nach ihm, dann beendet er auch seine Karriere beim HSV. Trotz seiner Verletzungsanfälligkeit und seiner 32 Jahre ist er tatsächlich ein Kandidat für eine Vertragsverlängerung. Benjamin gilt als Integrationsfigur beim HSV, dazu als loyaler und ehrlicher Arbeiter, der im Defensivbereich auf jeder Position einspringen kann. Zuletzt hatte er sich sogar einen Startplatz auf der rechten Abwehrseite erkämpft, ehe ihn ein Muskelfaserriss außer Gefecht setzte.

Romeo Castelen: Man möchte in Julias Rolle schlüpfen und ausrufen: 'Ach Romeo, mein Romeo', wenn man sich das Drama um Castelen besieht. Im Sommer 2007 unterschrieb der Niederländer einen Vierjahresvertrag in Hamburg. Ganze 15 Bundesliga-Einsätze stehen für den heute 27-Jährigen zu Buche, den nach drei Eingriffen im linken Knie eine Menikusverletzung im rechten in der Vorbereitung auf die laufende Saison erneut weit zurückwarf.

Doch Castelen kämpft um sein Comeback und will in der Rückrunde wieder auf dem Platz stehen. Sein Schicksal lässt beim HSV niemanden unberührt. Veh erklärte, Castelen so gut zu unterstützen wie möglich. Nicht ausgeschlossen, dass der HSV dem Flügelspieler einen neuen, leistungsbezogenen Vertrag anbietet, wenngleich sportliche und wirtschaftliche Überlegungen dagegen sprechen.

Änis Ben-Hatira: Seit 2006 ist der 22-jährige Offensivspieler jetzt schon beim HSV. Für die Profis konnte er sich zu keinem Zeitpunkt nachhaltig empfehlen. Zehn Bundesliga-Einsätze über drei Spielzeiten verteilt sind seine Ausbeute. In dieser Saison geht der U-21-Europameister von 2009 nach einjähriger Ausleihe nach Duisburg wieder in der Regionalliga auf Torejagd. Ben-Hatira würde einem ambitionierten Zweitligisten durchaus gut zu Gesicht stehen. Der HSV sollte ihn im Sommer ziehen lassen.

Weitere Personalien:

Dass für den HSV nicht nur die Spieler mit auslaufenden Verträgen auf dem Prüfstand stehen, ließ Vorstandschef Bernd Hoffmann durch die Blume erkennen, als er jüngst den Umbruch skizzierte. Kritisch hinterfragen lassen muss sich sicher auch eine Reihe anderer Kandidaten, mit denen der Klub zudem noch gutes Geld verdienen könnte.

Wie lange will sich der HSV etwa das immer wiederkehrende Theater um Mladen Petric (Vertrag bis 2012) antun? Der Kroate, der gemessen an seinem fußballerischen Talent ein Weltklassespieler sein könnte, verfolgt nicht selten eigene Interessen und erweist sich nicht eben als mannschaftsdienlich, wenn es etwa darum geht, auf einer anderen als seiner Lieblingsposition, in vorderster Spitze, zu agieren. Kein Zweifel, Petric hat Verdienste um den HSV und wichtige Tore geschossen, doch sind seine Leistungen und Stimmungen extrem schwankend. Ein weiterer Minuspunkt ist seine Verletzungsanfälligkeit.

Ähnlich wie bei Petric verhält es sich auch bei Paolo Guerrero (Vertrag bis 2014). Der 26-Jährige ist hoch talentiert und hat sich in seiner  Zeit beim HSV (seit 2006) durchaus entwickelt, doch blieb der ganz große Durchbruch aus, der den Peruaner zu einer unverzichtbaren Größe machen würde. Zudem leistet er sich immer wieder Undiszipliniertheiten, die Veh zu der Aussage bewegten, Guerrero sei "wie ein Kind".

Als unverkäuflich dürfte auch Guy Demel (Vertrag bis 2012) nicht mehr gelten. Der Ivorer ist längst keine Institution mehr auf der rechten Abwehrseite. Die nötige Durchschlagskraft im Spiel nach vorne geht ihm schon länger ab, dafür präsentiert er sich in der Defensive des öfteren unaufmerksam und mit Schwächen im Stellungsspiel. Benjamin hatte ihm zuletzt schon den Rang abgelaufen. Tomas Rincon ist eine Alternative auf rechts hinten. In der Hinterhand hat der HSV noch den derzeit verletzten Dennis Dieckmeier und den talentierten Youngster Besic.

Der HSV-Kader im Überblick

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