Jedi-Ritter im Sternen-Krieg

Lewis Hamilton muss sich im Rennen am Hockenheimring an Fernando Alonso vorbeiarbeiten
© getty

Eins ist so gut wie sicher: Lewis Hamilton wird auch beim Deutschland-GP auf dem Hockenheimring (So., 14 Uhr im LIVE-TICKER) wieder eine furiose Aufholjagd hinlegen. Doch muss er mehr kämpfen, um den Anschluss an Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg zu schaffen, als bei den letzten Formel-1-Rennen in Österreich und Großbritannien.

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Ein wenig Erheiterung hätte Motorsportchef Toto Wolff direkt nach dem Ende des Qualifyings gut getan. Stattdessen erheiterte er die anwesenden Journalisten. "Wenn Lewis eine Bremsscheibe mit seinen Gedanken zerstören könnte, wäre er ein Jedi", sagte der Österreicher. Er hatte die Frage falsch verstanden. Eigentlich sollte er sagen, ob das Bremsversagen einen Einfluss auf die Psyche von Hamilton haben könnte.

Zwar stieg der 29-Jährige nach einigen Sekunden aus seinem W05, humpelte zum Medical Car und gab sich in den Interviews später extrem kämpferisch, trotzdem könnte der Unfall Auswirkungen auf seine Leistung haben. "Wenn du fährst, dann musst du deinem Auto immer zu 110 Prozent vertrauen", sagt Hamilton selbst: "Du fährst niemals in eine Kurve und denkst, dass was passieren könnte."

Hamilton wechselt die Bremsen

Um das zu verhindern, bot Mercedes dem Weltmeister von 2008 einen Ausweg an. Die Brembo-Bremsen könne das Team gegen die von Carbon Industries ersetzen, mit denen Rosberg die Pole Position eingefahren hatte. Das Problem: Nachdem Hamilton das erste Mal im Qualifying aus der Box fuhr, ist die Art der verbauten Teile festgeschrieben.

Wechselt Mercedes anschließend auf die eines anderen Zulieferers, könnte dies nur ohne Strafe geschehen, wenn die FIA es aus Sicherheitsgründen zulässt. Doch zu begründen, dass die Brembo-Teile generell unsicher sind, war unmöglich. Hamilton muss aus der Box starten, durch seinen Getriebewechsel wäre er in der Startaufstellung sowieso fast ganz hinten gestanden.

"Wir hatten einen Bremsdefekt, weshalb wir verpflichtet sind, sicherzustellen, dass das Auto sicher ist. Das bedeutet, dass wir den Hersteller wechseln müssen", hatte sich Motorsportdirektor Toto Wolff an einer Begründung versucht, als er die Diskussionen mit den Vertretern des Automobilweltverbands FIA über eine straflose Umbauarbeit bestätigte.

Der Österreicher ging sogar noch einen Schritt weiter: "Da mehrere Teams diese Bremsen fahren, muss die Sicherheits-Diskussion wahrscheinlich ausgedehnt werden." Was das genau bedeutet, ließ Wolff offen. Sollten etwa die Bremsen eines Herstellers komplett verboten werden?

FRIC-Systeme nur teilweise ausgebaut

Es wäre schon der zweite Eingriff der FIA ins Material binnen zwei Wochen. In Deutschland fahren sämtliche Teams erstmals seit Jahren ohne die sogenannten FRIC-Aufhängungen. "Es scheint, dass wir trotzdem die Schnellsten sind, obwohl alle Teams dieses Verbindungssystem zwischen der vorderen und hinteren Aufhängung an diesem Wochenende ausbauen mussten. Das ist sehr wichtig, super zu sehen", freute sich Polesetter Rosberg.

Dass die komplexen Hydrauliksysteme noch immer in den Autos verbaut sind, ist kein Geheimnis. Die meisten Teams haben lediglich die Verbindung zwischen den Dämpfern an der Vorder- und Hinterachse ausgebaut. Die Öl-Kanäle waren als wahrscheinlich illegal eingestuft worden, nicht aber die Kompensation an einer einzigen Achse - etwa bei Kurvenfahrten.

Die Konsequenz: Vorne muss die Bodenfreiheit der Autos höher eingestellt werden, um zu verhindern, dass der sogenannte Splitter unterhalb des Fahrers beim Bremsen dauerhaft auf dem Asphalt aufsetzt und Funken schlägt. Ist die Abreibung zu groß, würde das Auto disqualifiziert werden. Trotzdem flogen schon während des Qualifyings Funken - etwa bei Rosberg.

Dass der Deutsche zum fünften Mal in dieser Saison auf der Pole steht, stört einen besonders: seinen Teamkollegen. "Es gibt noch immer eine Menge Rennen, auch wenn Nico jetzt wieder ein Geschenk bekommen hat", sagt der Engländer: "Wir werden sehen, was wir morgen noch ausrichten können. Wir werden uns etwas ausdenken."

Wann kommt der Regen?

Dabei könnte ihm vor allem das Wetter helfen. Am Sonntag wird es in Hockenheim kälter als am Samstag, als die Streckentemperatur auf über 50 Grad Celsius anstiegen. "Die Teams denken natürlich schon an das Rennen. Aber der mögliche, heftige Regen macht verbindliche Vorhersagen schwer", wich Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery einer Frage nach der richtigen Strategie aus.

"Morgen wird es knifflig, es sind Gewitter vorhergesagt", so Claire Williams, stellvertretende Teamchefin im Rennstall ihres Vaters. Dass es am Sonntag über dem Hockenheimring regnet, ist so gut wie sicher. Die Frage ist nur: Wann setzt er ein? Früh nach dem Start, kurz vor Ende des Rennens oder erst nach der Zieldurchfahrt?

"Es wäre interessant, wenn es um ein Uhr, um halb zwei Uhr anfängt zu regnen. Aber so, dass man noch fahren kann", sagt Sauber-Pilot Adrian Sutil: "Es könnte aber auch so stark regnen oder hageln, dass wir keinen Meter machen." Besonders Daniel Ricciardo grinste wie gewohnt: "Wenn es regnen wird, dann sehr heftig. Das könnte lustig werden."

Vettel peilt Podest an - Williams will siegen

Die Teams müssen in jedem Fall optimal mit den Wetterdaten umgehen und sich auf kurzfristige Änderungen einstellen. Dass seinem Team das optimal gelingt, dürfte auch Weltmeister Sebastian Vettel hoffen, der als Sechster startet. "Unter normalen Umständen wissen wir, dass wir uns schwertun, die Mercedes ganz vorne zu knacken. Mitzuhalten ist das eine, überholen steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt", sagte der Heppenheimer.

Dafür müsste er allerdings von seinem fünften Startplatz erstmal an Teamkollege Daniel Ricciardo und den beiden Williams vorbeikommen. "Es wird morgen nicht einfach, aber der Grundspeed ist da. Der ist im Rennen sogar konstanter als auf einer Runde", machte sich Vettel Mut." Sein größtes Problem wird aber wieder einmal der fehlende Topspeed sein. Nur Kamui Kobayashi und Pastor Maldonado waren im Qualifying langsamer als der Weltmeister mit seinem Red Bull. An der Spitze stehen Rosberg, Massa und Bottas.

Und auch Jedi-Krieger Hamilton dürfte sich in den Formationsflug einreihen und einen vierfachen Krieg der Sterne starten, obwohl er sich kaum Siegchancen ausrechnet: "Wenn die Ampeln ausgehen, will ich immer gewinnen. Aber ich müsste schon was geraucht haben, um zu denken, dass ich Nico am Sonntag schlagen kann."

Claire Williams sieht Vettels Ambitionen auf einen Podiumsplatz deshalb kritisch: "Unser Auto ist schnell und wir können gut starten." Das bewiesen Bottas und Massa am Freitag, der Brasilianer war mit 1:22,1 Minuten im Renntrim konstant der schnellste Pilot - vor den Silberpfeilen. Rosberg sollte gewarnt sein. "Ist der Sieg möglich für uns? Ja. Und es könnte klappen. Wir haben das Auto dazu", macht Chefingenieur Rob Smedley Mut.

Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM

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