Toto Wolff weist Manipulation zurück

Nico Rosberg wählte in Monza den Notausgang, Lewis Hamilton schlüpfte zum Sieg durch
© getty

Dass Xavier Naidoo vor dem Großen Preis von Italien in Monza zu Kai Ebels Schatten wurde, passte ins Bild. Nachdem sich Nico Rosberg gleich zweimal verbremste und Lewis Hamilton den Sieg übernahm, witterten die ersten Beobachter eine Verschwörung. Nur bei Mercedes wollte niemand etwas davon wissen.

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Die Gerüchteküche brodelte schon bevor der Sieger des Rennens im königlichen Park überhaupt feststand. Nachdem Hamilton kampflos die Spitze übernahm, während sich sein Teamkollege durch die Styroporhindernisse quälte, war die Story des Rennens für manchen klar: Der WM-Führende wird von seinem Team auf der Strecke bestraft, weil er den Unfall in Spa verschuldete.

Nur einer wollte die blühenden Fantasien nicht befeuern: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Ob wir gesagt haben, er soll sich verbremsen und die Schikane verpassen, damit Lewis vorbeikommt?", stellte der Österreicher den Reportern verdutzt eine Gegenfrage, um dann doch zu antworten: "Überhaupt nicht. Es geht um die Fahrer-WM, Nico war massiv unter Druck und Lewis hat den Sieg heute verdient. Deshalb hat er gewonnen."

Hamilton schlägt Rosberg! Der Monza-Grand-Prix in der Analyse

Erst einige Minuten später hatte Wolff den Vorwurf dann wirklich verarbeitet und legte nach: "Auf so eine Idee kommt nur ein verstörter Kopf", sagte er: "Wenn es unsere Idee gewesen wäre, hätten wir das verdammt gut gemacht." Doch der Silberpfeil-Kommandostand war nicht so perfide, auch wenn Wolff von der Regie breit lächelnd gezeigt wurde, als die Führung wechselte.

"Die Bilder sind nicht live. Es gibt in der Box rund zehn Kameras, die auf dich gerichtet sind", erklärte der 42-jährige Wiener: "Ich denke, dass ich gegrinst habe, als die zwei sich näher gekommen sind. Wer da zu viel hinein interpretiert, dem ist nicht mehr zu helfen." Verschwörungstheorie abgehakt, Zwistigkeit beendet, Doppelsieg - ein perfektes Wochenende.

Rosberg: "Musste meine Pace hochschrauben"

Selbst der Zweitplatzierte trübte das Bild nicht. Seinen doppelten Verbremser in der Rettifilio nahm Rosberg auf seine Kappe. "Lewis kam sehr schnell von hinten, ich musste meine Pace hochschrauben. Als Resultat habe ich mir einen Fehler geleistet", sagte der WM-Führende, der sich schon nach der Zieldurchfahrt per Funk bei seinem Team entschuldigt hatte.

"Das ist sehr enttäuschend, weil es mich den Sieg gekostet hat", sagte Rosberg später und gewann dem Rennen nach dem von ihm ausgelösten Krieg der Sterne in Spa trotzdem noch etwas Positives ab: "Immer noch Zweiter, immer noch viele Punkte - das ist kein komplettes Desaster. Nach den Schwierigkeiten sind wir zum ersten Mal seit langem Erster und Zweiter geworden. Wir sind wieder da, wo wir sein müssen."

Zudem scheinen die Differenzen ausgeräumt. Dass Hamilton und Rosberg enge Freunde sind, dürfte niemand mehr erwarten. Doch sie verhalten sich professionell, die Krisensitzung mit Fahrern und Teamleitung in Brackley zeigt Wirkung. Sogar einen kleinen Klaps hatte Hamilton für seinen größten Rivalen im WM-Kampf offen, als Jean Alesi ihn auf dem Podium fragte, ob sie Freunde wären.

Die Claims sind klar abgesteckt

Wobei auch Hamilton klar macht, dass die jugendliche Verbundenheit aus Kart-Tagen vorbei ist. Statt von Freundschaft zu reden, nannte er Rosberg seinen Teamkollegen. Faktisch gibt es daran schließlich keinen Zweifel. Unterstützung braucht der Deutsche aber nicht zu erwarten. Die Claims sind klar abgesteckt.

"Die mentale Stärke von Lewis so zurückzukommen und den Sieg zu holen, war unglaublich", sagte David Coulthard als "BBC"-Experte: "Nico hat zwei Fehler gemacht, die ihn den Sieg gekostet haben. Er hat ein tapferes Gesicht aufgesetzt, aber wenn er nach Hause kommt und nachdenkt, wird er wissen, dass er geschlagen wurde."

Hamilton brauchte das Lob nicht. Es gibt ein eindeutiges Zeichen, dass der Engländer gute Laune hat: Er trägt bei Interviews keine Sonnenbrille. Und genau so präsentierte er sich, als er nach der offiziellen Pressekonferenz vor die TV-Kameras trat. Er war der Gewinner - eindeutig.

Hamilton ignoriert Funksprüche

Dazu trug auch bei, dass er die Funksprüche seines Renningenieurs mal wieder ignorierte. Nach seinem Boxenstopp sollte er die Reifen schonen, stattdessen folgte die bedingungslose Attacke. "Das ist ein Rat, man muss das nicht tun", erklärte Hamilton: "Sie geben mir ein paar Informationen, ich nehme sie auf und entscheide, wie ich sie nutze."

Binnen weniger Runden machte er den Rückstand wett und klebte in DRS-Reichweite, als Rosberg sich dem Zweikampf unfreiwillig entzog, weil er die nach vorn verlagerte Bremsbalance falsch einschätzte. "Ich musste die Pace nutzen, ich war sicher, dass sie nicht zwingend nochmal da sein würde", erklärte der WM-Zweite: "Es war die beste Zeit, um Druck auf ihn auszuüben. Ich habe das vor einigen Rennen schon mal gemacht. Er scheint das nicht wirklich zu mögen, also werde ich es weiter machen."

22 Punkte trennen die beiden professionellen Streithähne in Silber nach dem letzten Grand Prix der Europasaison noch. Sechs Rennen stehen noch aus und auch wenn sich in Monza der GAU aus Belgien nicht wiederholte, bleibt der teaminterne Titelkampf offen wie nie. Zwei Kontrahenten mit dem gleichen Material kämpfen ohne direkten Konkurrenten ohne Anweisungen um den Titel - und zwar mit größter Wahrscheinlichkeit bis zum letzten 50-Punkte-Rennen.

Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM

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