Thomas Dreßen erlebt in Wengen einen der schlimmsten Tage seiner sportlichen Karriere. Sein ramponierter Körper lässt ihn im Stich.
Thomas Dreßen kämpfte mit den Tränen, er rang um seine Worte, in seiner Stimme schwang beinahe so etwas wie Endzeitstimmung mit. Der erfolgreichste deutsche Abfahrer der Weltcup-Geschichte wirkte verzweifelt. Es gehe ihm "beschissen", bekannte er nach seinem deprimierenden letzten Platz beim Klassiker in Wengen im BR, "man haut sich rein, und ich probiere wirklich alles, aber es ist bitter, wenn einfach der Körper nicht mehr so mitspielt".
Die Probleme der anderen deutschen Alpinen an diesem eher ernüchternden Wochenende nahmen sich im Gegensatz zu jenen von Dreßen gering aus. Linus Straßer schied beim Slalom in Wengen bereits im ersten Lauf aus, Sebastian Holzmann fuhr als 14. immerhin zu seinem drittbesten Weltcup-Resultat. Kira Weidle erzielte mit Platz fünf in der Abfahrt im österreichischen Zauchensee ihr bestes Saison-Ergebnis - zwei Tage nach einem schweren Trainingssturz.
Dreßen, von der Statur her ein Mann wie ein Bär, glich im sonnenüberfluteten Zielraum am Fuße des Lauberhorns, wo die Schweizer den nächsten Sieg ihres Nationalhelden Marco Odermatt vor Cyprien Sarrazin aus Frankreich feierten, in der Tat einem Häufchen Elend. "Es tut halt einfach weh, wenn man die Stimmung und die Strecke sieht. Was ich für eine Lust hätte, da zu fahren..." Er fuhr ja auch - aber irgendwie dann doch nicht.
Dreßen kämpfte sich ins Ziel, hatte das Rennen am Kernen-S aber eigentlich schon aufgegeben. "Wenn du in eine Kurve reinfährst und spürst mehr oder weniger deinen Haxen nicht, dann ist es halt scheiße", sagte er. Schon bei einem Sprung im oberen Abschnitt habe er "gemerkt, dass das Knie wieder nachgibt". Und später sei es so gewesen, "als wäre ich nur auf einem Haxen gefahren, den rechten Fuß habe ich nicht gespürt".
Dabei war Dreßen mit so viel Optimismus in die Saison gegangen. "Gesundheitlich bin ich zufrieden", betonte er im Oktober bei nahezu jeder Gelegenheit, er sei halt "wie ein Oldtimer, der gehört gepflegt". Auch was "das Fahrerische angeht, bin ich besser als letztes Jahr, ich suche schon wieder das Limit". Spätestens nach dem Rennen am Samstag muss Dreßen wohl erkennen, dass die Realität eine andere ist.
Nicht zu Unrecht sparte Dreßen auch nicht mit Kritik am Weltverband FIS, der den Abfahrern zwei Trainingsläufe und dann drei Rennen auf der längsten Weltcup-Strecke (ca. 4,3 km) zugemutet hatte. Im Super-G am Freitag riss dort dem Kombinationsweltmeister Alexis Pinturault aus Frankreich bei einem Sturz das Kreuzband. Am Samstag erlitt Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen bei einem Abflug ins Fangnetz eine Schulterluxation. Er wurde am Sonntag operiert.
Die deutschen Abfahrer hatten als bestes Resultat in Wengen nur einen 18. Platz von Andreas Sander in der ersten Abfahrt am Donnerstag vorzuweisen. Im Rennen am Samstag wurde Sander wegen eines Sturzes des WM-Dritten Cameron Alexander aus Kanada auf der Strecke abgewunken. Er startete ein zweites Mal und wurde 28. "Es war die Hölle", sagte Routinier Romed Baumann angesichts der sehr langen Wartezeiten im ZDF, "ich habe einen Hungerast gekriegt".
In der kommenden Woche nun wartet Kitzbühel, wartet die Streif. Dreßen hat dort 2018 sensationell gewonnen, danach folgten weitere Glanztaten - vor allem aber auch zu viele Operationen und Rückschläge. Er benötige jetzt "auf jeden Fall" erst mal "viel Physiotherapie", sagte Dreßen, ehe er aus Wengen abreiste. Und dann? "Schau'n mer mal, was Kitzbühel bringt."
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren



