Lauri Markkanen läuft künftig für die Cavaliers auf und versucht dort, seiner stockenden NBA-Karriere neuen Schwung zu verleihen. Doch ist Cleveland wirklich das geeignete Team für dieses Unterfangen? Und wie ist der Sign-and-Trade-Deal aus Sicht der Bulls und Blazers zu bewerten?
Markkanen-Trade aus der Perspektive des Spielers
"Ich habe mein Leistungsmaximum noch nicht erreicht." Das sagte Markkanen NBC Sports Chicago kurz nach der Bekanntgabe, dass der Finne fortan für die Cleveland Cavaliers auf Punktejagd gehen und dort in vier Jahren 67 Millionen Dollar kassieren wird. Ein Zeichen dafür, dass er mit seinen 24 Jahren noch jede Menge Entwicklungspotenzial hat - aber ebenso, dass Fortschritte bei den Bulls in den vergangenen Monaten (und Jahren) vergeblich auf sich warten ließen.
Es war allerhöchste Zeit für einen neuen Start an einem unverbrauchten Ort, wie der Big Man auch selbst zugab: "Die vergangenen Jahre waren in mentaler Hinsicht hart." Zwar wolle er den Bulls keinen Vorwurf machen, bedankte sich für die Umsetzung des Deals und verwies darauf, als Person gewachsen zu sein, Kritik an seiner Rolle im Team schwang aber dennoch mit: "Ich muss wieder zu meinem alten Ich zurückkehren und dazu, wie ich das Spiel am besten spielen kann."
Die Cavs würden hierfür eine gute Möglichkeit bieten (dazu mehr auf Seite 2), die er in der Windy City nicht mehr sah. Dass es allerhöchste Zeit für einen Tapetenwechsel ist, ließ Markkanen bereits vor Wochen in einem Gespräch mit finnischen Medien durchklingen, in der Folge brodelte die Gerüchteküche.
Auch den Dallas Mavericks sowie den New Orleans Pelicans wurde ernsthaftes Interesse nachgesagt, Deals wurden jedoch durch den stark beschränkten Handlungsspielraum (angebotenes Gehalt, Gegenwert in Form von Picks) erschwert. So schien es bis zuletzt auch denkbar, dass der Restricted Free Agent das Qualifying Offer über neun Millionen Euro unterschreibt und in einem Jahr Unrestricted Free Agent wird. Dies ist nun doch nicht der Fall.
Markkanen bei den Bulls: "Gute Momente und Inkonstanz"
Der 7. Pick im Draft 2017 erlebte in seinen vier Jahren in Chicago ein ständiges Auf und Ab, nachdem er unmittelbar nach dem Draft im Zuge des Jimmy-Butler-Trades von den Wolves zu den Bulls geschickt wurde. In seinem ersten Jahr legte er 15,2 Punkte und 7,5 Rebounds auf und wurde ins All-Rookie First Team gewählt. Auch in der Folgesaison deutete er sein enormes Potenzial immer wieder an, unter anderem im Februar 2019 ( 26 Punkte, 12,2 Rebounds, 8 Double-Doubles).
Dann sorgten auch Verletzungen dafür, dass sich diese Entwicklung nicht linear fortsetzte. Im März endete seine Saison vorzeitig, nachdem er eine Partie gegen Toronto wegen Erschöpfung und einer erhöhten Herzfrequenz verlassen musste. Bereits zuvor kostete ihm ein verstauchter Ellbogen den Saisonstart. Bis heute kamen zahlreiche weitere kleine und große Blessuren hinzu, nach seiner Rookie-Saison absolvierte er nicht mehr als 52 Spiele in einer Saison. Nach den Trades für Nikola Vucevic und Daniel Theis im März änderte sich seine Rolle drastisch, erstmals kam Markkanen nur noch von der Bank.
Er verlässt die Bulls mit durchschnittlich 15,6 Punkten und 7,1 Rebounds und einer Quote von 36,6 Prozent aus der Distanz. Besonders eine Sache ärgert Markkanen im Rückblick auf seine Zeit in Chicago: "Am meisten bin ich enttäuscht dass wir nicht ein einziges Mal die Playoffs erreicht haben. Wir haben unser Bestes versucht, aber es hat nicht funktioniert." Als Spieler habe er "gute Momente" gehabt, aber auch "Inkonstanz" erlebt.
Der Markkanen-Trade im Überblick:
- Die Cavs erhalten: Lauri Markkanen (Bulls)
- Die Bulls erhalten: Derrick Jones Jr. (Blazers), Erstrundenpick 2022 (Blazers, Lottery-geschützt), Zweitrundenpick 2023 (Cavs via Denver Nuggets)
- Die Blazers erhalten: Larry Nance Jr. (Cavs)
Markkanen-Trade aus der Perspektive der Cleveland Cavaliers
Collin Sexton 22, Darius Garland 21, Jarrett Allen 23, Evan Mobley 20, Markkanen 24: Zumindest im Hinblick auf die Altersstruktur und die Absicht, die Cavaliers mit einem jungen Kern wieder in höhere Gefilde zu führen, passt der Finnisher wunderbar nach Cleveland (im Gegensatz zu Larry Nance Jr., 28, der sich in einer Win-Now-Franchise wie den Blazers wohler fühlen dürfte). Hinzu kommt auch noch Isaac Okoro (20).
Aber darüber hinaus? Von GM Koby Altman waren selbstredend die üblichen Floskeln zu hören, die es bei einer Spielervorstellung nun einmal zu hören gibt: "Wir schätzen uns extrem glücklich, einen weiteren jungen und talentierten Spieler mit dem Skillset von Lauri bekommen zu haben." Dieser habe "seinen besten Basketball noch vor sich", könne verschiedene Positionen spielen, das Feld breit machen und dazu beitragen, eine "Winning Culture" in Cleveland zu etablieren.
Doch wie sieht es mit der Rolle von Markkanen in Cleveland aus? Im Vergleich zu Larry Nance Jr. ist er der bessere Shooter, traf in der Vorsaison gar 40,2 Prozent seiner knapp sechs Dreier (True Shooting: 61,9). Ansonsten allerdings liefert er im Vergleich zu seinem Vorgänger kaum einen Mehrwert, in puncto Defense und Assistgeber/Ballhandler schneidet er zum jetzigen Zeitpunkt seiner Karriere sogar schlechter ab. Reicht die definitiv vorhandene Upside aus, um den Trade sowie den damit verbundenen Vertrag zu rechtfertigen?
Der Vertrag von Nance hätte Zahlungen von 10,7 und 9,7 Millionen Dollar in den kommenden beiden Jahren vorgesehen, faire Beträge für einen (mindestens) guten Reservisten. Markkanen verdient in der gleichen Zeit mehr als 30 Millionen (zumindest sind in der Saison 2024/25 laut ESPNs Bobby Marks nur 6 der 17,9 Millionen garantiert). Doch eine Vertragsverlängerung mit Sexton, der in das letzte Jahr seines Rookie-Vertrages geht, könnte in Kombination mit weiteren Verpflichtungen sowie Rookie-Verträgen dazu führen, dass die Luxussteuergrenze überschritten wird.
Cavaliers-Stau im Frontcourt: Wohin mit Markkanen?
Zwar könnten andere Deals an dieser Situation etwas ändern - beispielsweise ein Trade von Sexton oder ein Buyout von Kevin Love, dessen Rolle weiter zurückgehen dürfte, der aber kein Interesse an einer Vertragsauflösung hat. Aber sollte ein Team, das seit den Finals 2018 nicht einmal mehr als 22 Spiele gewonnen hat (und sich aller Voraussicht nach auch nicht dramatisch verbessern dürfte), wirklich mit dem Gedanken spielen, unnötiges Geld zu verschleudern?
Schließlich stellt sich auch die Frage nach dem optimalen Fit von Markkanen. Allen hat für fünf Jahre und 100 Millionen verlängert, an ihm dürfte es auf Center kein Vorbeikommen geben, nachdem er in der Vorsaison gänzlich überzeugte. Mobley, der dritte Pick des jüngsten Drafts, galt bisher als Favorit für den Starting-Power-Forward-Posten. Wohin also mit Markkanen, der wiederholt klarstellte, sich als Starter in der NBA zu sehen?
Kevin Pelton von ESPN kam bei seiner Recherche immerhin auf 125 Minuten, die der Finne in der vergangenen Saison auf Small Forward bei den Bulls absolviert hat. Behält er seine Gefahr aus der Distanz bei, könnte dieses Modell phasenweise eine Überlegung sein, wobei es äußerst schwierig werden dürfte, für Markkanen eine passende Rolle in der Defensive zu finden.
Es führt kein Weg daran vorbei, auf den beiden großen Positionen Lösungen zu finden, wie das Trio Allen, Mobley und Markkanen gewinnbringend eingesetzt werden kann. Übernimmt Mobley die Backup-Minuten von Allen, ist zumindest etwas Platz für Markkanen auf dessen präferierter Position geschaffen. Und dann ist da Stand jetzt auch noch Love ...
"Ich denke, ich passe gut dorthin. Gemeinsam mit den großen Jungs im Frontcourt kann ich wachsen", ist der Finne von einem positiven Ausgang der Problematik überzeugt. Zudem wolle er von Love lernen. Im Training dürfte das mit Sicherheit funktionieren, aber überträgt es sich auch ins Spiel?
Markkanen-Trade aus der Perspektive der Bulls und Blazers
Drei Erstrundenpicks gaben die Bulls seit April ab, um zuerst Nikola Vucevic und später DeMar DeRozan zu akquirieren. Zumindest einen konnten sie sich im Rahmen des Markkanen-Deals zurückholen. Ob sich es aber wirklich gelohnt hat, nicht Nance Jr. zu halten und stattdessen noch die Blazers in den Deal einzubinden, muss sich erst noch zeigen.
Im ersten Schritt lässt sich festhalten: Chicago hat für einen Spieler, der nicht länger Teil der Zukunftspläne war, eine Vertragsverlängerung ablehnte und unbedingt weg wollte, zwei Picks erhalten sowie einen Spieler, der nach enttäuschender Saison in Portland etwas zu beweisen hat und den Salary Cap im schlimmsten Fall nur für eine Saison belasten wird. Dies waren exakt die Ziele, die sie in der Causa Markkanen verfolgten.
Mit Derrick Jones Jr. kommt ein High-Flyer nach Illinois, der sich bei den Heat als wertvoller Rollenspieler erwies (8,5 Punkte und 3,9 Rebounds 2019/20) und in der Folge für die volle Midlevel-Exception (2 Jahre/19 Mio.) bei den Blazers unterschrieb. Dort konnte er die Erwartungen nicht erfüllen, weshalb er verständlicherweise die Spieleroption für das zweite Vertragsjahr zog.
In Chicago dürfte er hinter den Startern Lonzo Ball, Zach LaVine, DeRozan, Patrick Williams und Vucevic eine der ersten Optionen von der Bank sein. Aufgrund seines nicht vorhandenen Distanzwurfes - die 31,6 Prozent bei 2,3 Versuchen in der vergangenen Saison waren bereits der beste Wert seiner Karriere - ist er jedoch zwingend darauf angewiesen, von wurfstarken Spielern umgeben zu sein.
Chicago Bulls machen das Beste aus dem Markkanen-Dilemma
Ein solcher könnte Vucevic sein (knapp 40 Prozent über die vergangenen drei Jahre), den er als Small-Ball-Vierer gut ergänzen könnte. Generell scheint es wahrscheinlich, dass er auf dieser Position angesichts des Fehlens von anderen Optionen viele Minuten sehen wird. Aber auch auf den kleineren Positionen dürfte er dank seiner defensiven Stärken eine Hilfe sein.
Im schlimmsten Fall hätten die Bulls Markkanen nach Ablauf der Saison ohne Gegenwert verloren, dieses Szenario konnte das Front Office um GM Arturas Karnisovas verhindern. Sollten die Blazers in der kommenden Saison einen hinteren Playoff-Platz im Westen erreichen, picken die Bulls im Draft 2022 in der Top 20. Ein Jahr später kommt ein gern genommener Zweitrundenpick hinzu, der alternativ auch als Trade-Material herhalten kann.
Bereits vor einem Jahr wurde Chicago mit Jones Jr. in Verbindung gebracht, bereits damals glaubte man offenbar an dessen Potenzial. Verständlich also, unter diesen Bedingungen zuzugreifen. Laut Bobby Marks stehen die Bulls nach diesem Deal 6,4 Millionen Dollar unterhalb der Luxussteuergrenze und 11,8 Millionen unter dem Hard Cap. 13 Spieler sind mit festen Verträgen ausgestattet, mehr als Minimum-Verträge und die Bi-Annual-Exception können nicht mehr ausgehändigt werden. Eine weitere Alternative auf dem Flügel und/oder im Frountcourt würde auch nach dem Erwerb von Jones Jr. nicht schaden.
Larry Nance Jr. in Portland: Eine Hilfe, aber kein Star
Bei der Vorstellung von Markkanen stellte Cavs-GM Altman sicher, sich bei Nance Jr. für dessen Beitrag auf und neben dem Platz zu bedanken. Dieser engagierte sich während der Pandemie intensiv in der Community. Den Blazers dürfte der athletische Wing mit seiner Defense, Flexibilität und seinem verbesserten Dreier sicherlich weiterhelfen.
Die wichtigste Aufgabe für den neuen Head Coach Chauncey Billups ist es, die Defense des Teams zu verbessern, mit dem 28-Jährigen in der Hinterhand dürften die Erfolgschancen dieser Mission gestiegen sein. Nance Jr. ist ein guter On-Ball-Verteidiger, Portland könnte mit ihm auch etwas größer starten und Norman Powell von der Bank bringen.
Während Jones nie so richtig seinen Platz in Portland fand, bringt Nance Jr. etwas mehr Gefahr aus der Distanz mit (36 Prozent), um für Spacing für Damian Lillard und C.J. McCollum zu sorgen. Generell bringt die Akquisition des 27. Pick im Draft 2015 auf dem Papier mehr Balance - der erhoffte neue Star neben Lillard ist er aber nicht.
Reicht das also, um ganz oben anzugreifen? Wohl eher nicht. Da die Blazers zudem einen eigenen Erstrundenpick abgegeben haben, macht dies weitere Trades für einen prominenteren Spieler eher schwieriger, da der Pick für die Bulls bis 2028 Lottery-geschützt ist . Der Vorteil daran: Sollte Lillard doch irgendwann weg wollen, stünde einem Rebuild immerhin nichts im Wege.
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